LAG Nürnberg beanstandet Filmen durch Hecke auf Privatgrundstück
Arbeitgeber dürfen einen erkrankten Arbeitnehmer auf dessen Privatgrundstück nicht heimlich durch ein Loch in der Hecke filmen lassen. Gibt es keine „hinreichenden Verdachtsmomente“ für eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit, dürfen die heimlich erstellten Filmaufnahmen oder die Aussagen des hierfür beauftragten Privatdetektivs nicht im Kündigungsschutzprozess verwertet werden, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in einem am Donnerstag, 27.04.2023, veröffentlichten Urteil (AZ: 1 Sa 250/22). Räumt der Arbeitnehmer aber selbst gesundheitswidrige Garten- und Handwerksarbeiten und damit eine Pflichtverletzung ein, dürfe dies im arbeitsgerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden.
Der mit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kläger ist seit 23 Jahren als Betontechnologe in einem Betrieb im Raum Coburg beschäftigt. Seit November 2020 ist er, mit Ausnahme von einer Woche durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.
Der Arbeitgeber hatte Zweifel, ob der Arbeitnehmer tatsächlich so schwer erkrankt ist. Er beauftragte einen Privatdetektiv, der nach Hinweisen auf eine vorgeschobenen Arbeitsunfähigkeit suchen sollte.
Der Detektiv filmte daraufhin den Kläger auf dessen Privatgrundstück durch ein Loch in der Gartenhecke. Danach führte der Kranke stundenlang schwere körperliche Arbeiten beim Bau einer Gartenmauer und einer Terrasse aus.
Der Arbeitgeber kündigte dem Beschäftigten fristlos. Er habe sich gesundheitsschädlich verhalten und die Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht.
Im Kündigungsschutzverfahren bestritt der Kläger, dass er gesundheitsschädliche schwere körperliche Arbeiten geleistet habe. Dazu sei er aufgrund seiner Behinderung gar nicht in der Lage. Allerdings räumte er ein, dass er Handlangerdienste geleistet und rund 20 Minuten lang auch einen Zwei-Takt-Stampfer bedient habe. Er habe nur die Belastungsfähigkeit seiner Schulter testen wollen.
Das LAG Nürnberg beanstandete mit Urteil vom 29.11.2022 die fristlose Kündigung. Auf Antrag des Klägers löste das Gericht das Arbeitsverhältnis aber gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 35.000,00 € auf, da eine Weiterbeschäftigung wegen der „feindseligen Haltung des Arbeitgebers“ nicht infrage komme.
Ohne hinreichende Verdachtsmomente dürften Arbeitgeber nicht einfach heimlich einen arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer auf dessen Privatgrundstück filmen lassen, stellte das LAG klar. Dies sei ein erheblicher Eingriff in die geschützte Privatsphäre des Klägers.
Arbeitnehmer könnten erwarten, dass „besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht ohne durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung ergriffen werden“. Eine heimliche Überwachung dürfe insbesondere nicht „ins Blaue hinein“ oder wegen geringfügiger Verstöße durchgeführt werden.
Für die Filmaufnahmen und auch für die Aussagen des Privatdetektivs bestehe in dem Kündigungsschutzverfahren daher ein Verwertungsverbot. Verwertet werden dürften aber die eigenen Aussagen des Klägers zu den Gartenbauarbeiten. Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung wegen genesungswidrigen Verhaltens rechtfertigten diese aber nicht.
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Der Beitrag Zweifel an Arbeitsunfähigkeit kein Grund für heimliche Filmaufnahmen erschien zuerst auf Thorsten Blaufelder.