Pflegekräfte dürfen demenzkranke Heimbewohner nicht gegen deren Willen duschen. Auch wenn das Pflegepersonal mit eigentlich gut gemeinter körperlicher Gewalt Hygienemängel bei dem Demenzkranken beheben will, stellt das Zwangsduschen eine schwerwiegende Misshandlung dar, das an sich eine Kündigung begründet, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 19.11.2019 (AZ: 5 Sa 97/19). Die Rostocker Richter erklärten damit die fristlose Kündigung einer heute 58-jährigen Pflegehilfskraft zwar für unwirksam, billigten aber die von ihrem Arbeitgeber ebenfalls hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung.
Die Pflegehilfskraft arbeitete seit rund 25 Jahren in einem Pflegeheim, davon betreute sie rund 15 Jahre demenzkranke Bewohner. Darunter befand sich seit 2013 auch ein demenzkranker früherer DDR-Grenzsoldat mit Nahkampfausbildung. Der Mann ließ Körperberührungen nur ungern zu und hatte eine Körperpflege regelmäßig abgelehnt.
Nachdem der Demenzkranke laut Pflegedokumentation sich seit Tagen einer Ganzkörper- und Intimwäsche, dem Zähneputzen und einer Rasur verweigert und er sich zuletzt auch noch eingenässt hatte, versuchte die Pflegehilfskraft am 20.01.2017 ihn zum Schutze seiner Gesundheit zum Duschen zu bewegen.
Sie konnte den Demenzkranken zwar anfangs auf einen Duschstuhl setzen. Beim Einseifen und Abduschen wehrte sich der Mann aber mit Händen und Füßen. Er schrie und trat einem hinzukommenden Pfleger in die Genitalien. Die Pflegekräfte hielten dem Mann zum Duschen die Hände fest. Der Pfleger schlug ihm mit der flachen Hand noch ins Gesicht.
Der zufällig vorbeikommende Direktor des Heimes hörte, wie der Pfleger zu dem Heimbewohner sagte: „Jetzt ist hier aber Schluss. Hören sie auf! Jetzt wird gefälligst gewaschen.“ Als der Vorgesetzte das Bad betrat und das Zwangsduschen bemerkte, stoppte er das Vorgehen. Der Vorfall hatte arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Der Pflegehilfskraft wurde wegen des Einsatzes körperlicher Gewalt fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Sie habe ihre Pflichten als Pflegekraft schwerwiegend verletzt und sich nicht von ihrem Vorgehen distanziert. Auch ein an Demenz erkrankter Mensch habe ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und auf einen würdevollen Umgang. Die Frau habe gewusst, dass sie keinen körperlichen Zwang bei der Körperpflege anwenden dürfe. Vielmehr sei eine vom Bewohner verweigerte Körperpflege nur in der Pflegedokumentation zu vermerken.
Das LAG urteilte, dass die fristlose Kündigung unwirksam, die ordentliche Kündigung dagegen wirksam sei. Grundsätzlich könne aber eine körperliche Misshandlung von Heimbewohnern auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Selbst wenn eine Körperpflege aus hygienischen Gründen geboten war: „der gut gemeinte Zweck rechtfertigt nicht das Mittel der Anwendung von Zwang“, so das LAG. Dieser dürfe kein „Erziehungsmittel“ sein, um Menschen mit fehlender Einsichtsfähigkeit zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Über notwendige Ausnahmen dürften nur die zuständigen Ärzte, Betreuer und staatlichen Institutionen entscheiden.
Hier habe die Klägerin mit dem Zwangsduschen den Demenzkranken erkennbar erniedrigend und schmerzhaft misshandelt und diesen in seinem Selbstbestimmungsrecht verletzt. Der Klägerin sei klar gewesen, dass sie solch einen Zwang nicht ausüben durfte. Die von dem Pfleger getätigte Ohrfeige sei ihr allerdings nicht zuzurechnen. Ihre Misshandlung beschränkte sich vor allem auf das Festhalten der Hände des Bewohners. Der Schweregrad dieser Misshandlung rechtfertige hier nur eine ordentliche und nicht die fristlose Kündigung.
Eine Abmahnung und mögliche Weiterbeschäftigung der Frau sei dem Heimträger aber nicht zuzumuten. Dieser müsse sicherstellen, dass gegenüber den Heimbewohnern weder offen noch verdeckt in irgendeiner Form Gewalt und Zwang ausgeübt wird. Die Klägerin habe sich zudem von ihrem Verhalten auch nicht distanziert, rügte das LAG.
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Der Beitrag Zwangsduschen eines Demenzkranken rechtfertigt Kündigung erschien zuerst auf Thorsten Blaufelder.