BAG: Mitbestimmungsrechte gelten nur für künftige Betriebsänderungen
Kündigt ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten wegen einer bevorstehenden Betriebsschließung, kann ein danach noch schnell erstmalig gewählter Betriebsrat nicht mehr den Abschluss eines Sozialplans sichern. Denn hat der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Betriebsänderung bereits begonnen, steht dem daraufhin neu gewählten Betriebsrat kein „erzwingbares Mitbestimmungsrecht“ mehr zu, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 08.02.2022 (AZ: 1 ABR 2/21).
Im konkreten Rechtsstreit ging es um ein hessisches Unternehmen mit zuletzt 25 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Ein Betriebsrat bestand nicht. Am 22.06.2018 teilte der Arbeitgeber den Mitarbeitern mit, dass dieser den Betrieb zum 31.08.2018 stilllegen werde. Drei Tage später erhielten die meisten Beschäftigten ihre Kündigung.
Um auf die letzte Minute mit dem Arbeitgeber noch einen Sozialplan aushandeln zu können, wählten die Beschäftigten noch am 20.07.2018 zum ersten Mal einen Betriebsrat. Dieser machte dann auch umgehend im Zusammenhang mit der Betriebsstilllegung sein erzwingbares Mitbestimmungsrecht auf Abschluss eines Sozialplans geltend.
Doch darauf hat der frisch gebackene Betriebsrat keinen Anspruch, entschied das BAG. Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates sehe das Gesetz nur für „noch in der Zukunft liegende Betriebsänderungen“ vor. Nur dann könne der Betriebsrat noch auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss nehmen.
Hat der Arbeitgeber jedoch bereits mit der Umsetzung seiner Betriebsänderung begonnen, kann ein erst danach erstmalig gewählter Betriebsrat keine Mitbestimmungsrechte zur Aufstellung eines Sozialplans mehr geltend machen. Der Arbeitgeber müsse auch nicht so lange warten, bis im Betrieb ein funktionsfähiger Betriebsrat vorhanden ist, entschied das BAG. Im Streitfall sei der Betriebsrat erst gewählt worden, nachdem der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Betriebsschließung zahlreiche Kündigungen ausgesprochen hat. Dies sei zu spät, um Vereinbarungen über einen Sozialplan erzwingen zu können.
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