Lässt eine Betriebsrätin einen Außenstehenen heimlich per Handy an einer Betriebsratssitzung teilhaben, so liege nach Ansicht des LAG Baden-Württemberg (LAG) hierin sowohl eine Amtspflicht- als auch eine Vertragspflichtverletzung, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne. Das gelte auch, wenn lediglich ein dringender Verdacht bestehe. Im Einzelfall könne allerdings nach dem Ergebnis der Interessenabwägung auch nur eine Abmahnung gerechtfertigt sein, so das LAG in seiner Entscheidung vom 09.09.2011 (AZ: 17 Sa 16/11).Die 1956 geborene Klägerin war seit über 20 Jahren beanstandungsfrei in dem beklagten Kaufhaus Breuninger in Stuttgart als Verkäuferin tätig.
Seit Mai 2010 war die Klägerin Mitglied des beim Beklagten gebildeten Betriebsrats. Kurz vor Beginn der ersten Betriebsratssitzung unter ihrer Beteiligung war sie auf ihrem Handy angerufen worden und hatte kurz den Sitzungsraum verlassen, um das Gespräch anzunehmen. Als sie zurückkam, meinte ihre Sitznachbarin bemerkt zu haben, dass die Handyverbindung noch nicht beendet worden war. Sie forderte deshalb die Klägerin auf, ihr das Handy zu zeigen. Wie die Klägerin auf diesen Vorwurf reagierte, ist streitig.
Der Beklagte kündigte der Klägerin nach ihrer Anhörung zu dem Vorwurf und nach Einholung der Zustimmung des Betriebsrats fristlos wegen Begehung einer Straftat, hilfsweise wegen des dringenden Verdachts einer Straftat. Er machte geltend, dass die heimliche Abhöraktion einen schwerwiegenden Vertrauensmissbrauch darstelle. Es sei den anderen Arbeitnehmern nicht zuzumuten, dass sie ohne ihr Wissen abgehört oder überwacht würden. Das Vertrauen in die Person und Integrität der Klägerin sei auf Dauer und unwiederbringlich gestört.
Die Klägerin bestritt die Vorwürfe. Ihre Kündigungsschutzklage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht Stuttgart als auch vor dem LAG Erfolg.
Zwar stelle die heimliche Übertragung einer Betriebsratssitzung durch ein Betriebsratsmitglied an Dritte sowohl eine Amtspflicht- als auch eine Vertragspflichtverletzung dar und sei daher geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen. Dies gelte auch, wenn die Abhöraktion nicht bewiesen ist, sondern lediglich der dringende Verdacht der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes bestehe
Im Rahmen der Interessenabwägung sei nach Ansicht der Stuttgarter Richter zu berücksichtigen gewesen, dass die Klägerin seit über 20 Jahren beanstandungsfrei bei der Beklagten beschäftigt sei und es bei der vorgeworfenen Pflichtverletzung vorrangig um die Verletzung von Pflichten aus dem Betriebsratsamt gehe.
Die Klägerin habe nicht zwingend damit rechnen müssen, dass der Beklagte nicht die Betroffenheit des Betriebsrats, der sich selbst durch ein Ausschlussverfahren schützen könne, sondern die Betroffenheit der Betriebsräte in ihrer Funktion als Arbeitnehmer in den Vordergrund stellen würde. Daher sei nicht auszuschließen, dass der Klägerin durch eine Abmahnung ihr Fehlverhalten so verdeutlicht werden könne, dass die Beklagte in Zukunft mit einer Wiederholung nicht zu rechnen habe.
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