Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Bereich des Arbeitsrechts deutlich beschränkt. Nach dem am Donnerstag, 25.10.2018, verkündeten Grundsatzurteil dürfen kirchliche Arbeitgeber nur dann eine bestimmte Kirchenmitgliedschaft verlangen, wenn sonst eine Beeinträchtigung des kirchlichen Selbstverständnisses droht (AZ: 8 AZR 501/14). Der konfessionslosen Klägerin sprachen die Erfurter Richter eine Diskriminierungsentschädigung von 3.915,00 € zu.
Sie folgten damit Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. In demselben Fall hatte der EuGH am 17.04.2018 auf Vorlage des BAG betont, dass die Einstellungspraxis der Kirchen einer „wirksamen Kontrolle“ durch die staatlichen Gerichte unterliegen muss (AZ: C-414/16). Zwar könne jede Kirche selbst über ihren „Ethos“ und ihre Glaubensgrundsätze bestimmen. Die Gerichte müssten aber prüfen, ob ein entsprechendes Bekenntnis bezogen auf die konkrete Stelle „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ ist.
Demgegenüber hatte das Bundesverfassungsgericht das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen stets hochgehalten. Im Fall eines Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus hatten die Karlsruher Richter 2014 den Kirchen selbst die Entscheidung darüber überlassen, „welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können“ (Beschluss vom 22.10.2014, AZ: 2 BvR 661/12).
„Wir sitzen ein bisschen zwischen Luxemburg und Karlsruhe“, sagte in der Verhandlung zur Referentenstelle die Vorsitzende BAG-Richterin Anja Schlewing. Doch auch laut Bundesverfassungsgericht ist das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nicht absolut. Zudem hatte der EuGH betont, dass deutsche Gerichte nationales Recht – was auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfasst – „unangewendet lassen“ müssten, wenn es gegen EU-Recht verstößt.
In dem nun vom BAG entschiedenen Fall hatte sich eine konfessionslose Frau 2012 auf eine auf 18 Monate befristete Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. Gegenstand der Tätigkeit war die Erarbeitung eines Berichts zum Thema Rassendiskriminierung. Laut Stellenanzeige setzte die Einstellung die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder einer anderen christlichen Kirche voraus.
Die konfessionslose Bewerberin wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Mit ihrer Klage forderte sie eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 9.800,00 €.
Bundesarbeitsgericht entscheidet zu Gunsten der Bewerberin
Das BAG sprach ihr nun 3.915,00 € zu, das entspricht zwei Bruttomonatsgehältern. Bei der konkreten Referentenstelle habe die Diakonie die Kirchenmitgliedschaft nicht verlangen dürfen.
Zur Begründung erklärten die Erfurter Richter, die hierfür vom EuGH gesetzten Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Denn durch eine konfessionslose Mitarbeiterin wäre hier der kirchliche „Ethos“ nicht beeinträchtigt worden. Denn sie wäre eng in einen Meinungsbildungsprozess der Diakonie eingebunden gewesen und hätte Positionen zum untersuchten Thema nicht eigenständig vertreten können.
Nicht übertragbar ist dieses Urteil auf Stellen, bei denen nach kirchlichem Verständnis die Arbeit selbst gelebte Verkündung ist, etwa bei einer Erzieherin oder einer Krankenschwester.
Diakonie und Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bedauerten und kritisierten das Urteil. Wenn die ausführlichen schriftlichen Gründe vorliegen, wollen sie eine Verfassungsbeschwerde prüfen.
Das BAG hatte im zweiten Durchlauf 2016 auch die Chefarzt-Klage dem EuGH vorgelegt (Beschluss vom 28.07.2016, AZ: 2 AZR 746/14). Nach dessen Urteil vom 11.09.2018 (AZ: C-68/17) ist dieses Verfahren nun im dritten Durchlauf noch beim BAG anhängig. Die Verhandlung hierzu ist für den 21.02.2019 angesetzt.
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Ihr Thorsten Blaufelder, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Business Coach
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