Weiß ein Arbeitgeber nichts über die Transsexualität eines Stellenbewerbers, kann er den Stellensuchenden auch nicht wegen seiner Geschlechtsidentitätsstörung diskriminieren. Hat ein Mitarbeiter des Arbeitgebers eine transsexuelle Bewerberin bei der Besichtigung des Arbeitsplatzes irrtümlich als Mann verwechselt, stellt dies keine entschädigungspflichtige Diskriminierung dar, entschied weiter das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 09.04.2014 (AZ: 7 Sa 501/13).
Im konkreten Rechtsstreit hatte die Klägerin, eine transsexuelle Frau, sich bei einer Leiharbeitsfirma auf eine Stelle als Kommissioniererin für Designerschmuck beworben. Als der Frau ein Arbeitsvertrag in Aussicht gestellt wurde, sollte sie sich noch mit dem Logistikleiter des Unternehmens treffen, bei dem sie eingesetzt werden sollte. Die Transsexualität der Klägerin war bis dahin niemanden bekannt.
Als die Bewerberin sich bei dem Logistikleiter vorstellte, sah sie sich wegen ihres Geschlechts diskriminiert. Nach Angaben der Frau habe der Vorgesetzte sie erst wortlos angeschaut und dann zweimal gefragt, dass die Leiharbeitsfirma doch eine Frau schicken wollte. Sie habe dann darauf hingewiesen, dass sie eine Frau sei, so die Klägerin. Der Logistikleiter habe hinter der Tür nachgeschaut, so als ob er eine Frau suche.
Der Vorgesetzte räumte ein, dass er die Klägerin schlicht mit einem Mann verwechselt habe. Er habe sich daher entschuldigt. Die Stelle hatte dann jemand anderes bekommen.
Die Klägerin fühlte sich diskriminiert und forderte eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von mindestens 4.324,00 €. Durch das Verhalten des Logistikleiters sei ihre geschlechtliche Identität angezweifelt worden. Erst im Berufungsverfahren hatte die Frau allerdings ihre Transsexualität offenbart. Transgeschlechtliche Menschen erführen Diskriminierungen nicht nur, wenn ihr „Trans-Sein“ bekannt sei, sondern auch weil sie in ihrem gewählten Geschlecht als „untypisch und von der jeweiligen Geschlechtsnorm abweichend auffielen“, so die Klägerin.
Sowohl die Leiharbeitsfirma als auch der Schmuckvertrieb waren sich keiner Benachteiligung bewusst. Man könne nur dann jemanden wegen seiner Transsexualität diskriminieren, wenn diese auch bekannt sei. Hier sei die Geschlechtsidentitätsstörung der Klägerin aber unbekannt gewesen.
Das LAG lehnte eine Entschädigung wegen Diskriminierung ab. Zum einen habe die Klägerin ihren vorgebrachten Anspruch zu spät geltend gemacht. Nach dem AGG habe sie zwei Monate Zeit, um eine Entschädigung wegen Diskriminierung einzufordern. Hier sei das entsprechende Schreiben der Klägerin aber einen Tag zu spät beim Arbeitgeber eingegangen.
Zum anderen sei die Klägerin nicht wegen ihrer Transsexualität benachteiligt worden. Die Leiharbeitsfirma brauche sich das Verhalten des Logistikleiters auch nicht zurechnen lassen. Denn dieser sei nur bei dem Schmuckvertrieb beschäftigt. Entscheidend sei, dass weder Leiharbeitsfirma noch das Schmuck-Vertriebsunternehmen von der Transsexualität der Klägerin wussten. Die Stellenbewerberin sei damit nicht „wegen“ der Transsexualität abgelehnt worden.
Schließlich könne die Klägerin keine Entschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend machen. Dies sei nur bei einer schwerwiegenden Verletzung möglich. Solch eine Persönlichkeitsrechtsverletzung habe die Frau aber nicht vorgetragen.
Gegen das Urteil hat die Klägerin Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt eingelegt (AZ: 8 AZR 421/14).
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