Gewerkschaften dürfen in Tarifverträgen für ihre Mitglieder Extra-Boni aushandeln. Eine entsprechende unterschiedliche Behandlung von gewerkschaftlich organisierten und gewerkschaftlich nicht organisierten Arbeitnehmern verstößt nicht gegen die negative Koalitionsfreiheit, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Freitag, 21.12.2018, veröffentlichten Beschluss (AZ: 1 BvR 1278/16). Solange damit nur ein faktischer Anreiz zum Gewerkschaftsbeitritt aber kein Druck oder Zwang entsteht, seien die ausgehandelten Vergünstigungen zulässig.
Vor Gericht war ein Arbeitnehmer aus Bayern gezogen, der sich wegen eines von der Industriegewerkschaft Metall ausgehandelten Sozialtarifvertrags benachteiligt fühlte. Der Arbeitgeber wollte den Betrieb eigentlich stilllegen. Die IG Metall konnte dies teilweise durch den Sozialtarifvertrag abwenden. Der Vertrag enthielt jedoch eine sogenannte Differenzierungsklausel. Danach sollten Beschäftigte, „die bis einschließlich 23.03.2012, 12.00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden sind“, finanzielle Vergünstigungen – wie Überbrückungsleistungen und eine weitere Abfindung – erhalten.
Die für Gewerkschaftsmitglieder ausgehandelten Vergünstigungen wollte der nicht in einer Gewerkschaft organisierte Kläger ebenfalls haben.
Das Bundesarbeitsgericht lehnte dies ab. Es sei zulässig, dass Gewerkschaften für ihre Mitglieder zusätzliche Boni aushandeln können. Die Erfurter Richter beriefen sich dabei auf eine Parallelentscheidung vom 15.04.2015 (AZ: 4 AZR 796/13).
Darin ging es um einen umfassenden Personalabbau im Jahr 2012 bei Nokia Siemens Networks in München. Auch hier hatte die IG Metall für ihre Mitglieder in einem Sozialplan zusätzliche Abfindungszahlungen ausgehandelt. Eine Gewerkschaft könne ohnehin nur für eigene Mitglieder Tarifleistungen aushandeln, so das BAG. Die im Streit stehenden Regelungen seien verfassungsgemäß.
Bundesverfasssungsgericht stützt die Rechtsprechung des BAG
In dem neuen Fall billigte das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsprechung des BAG. Die negative Koalitionsfreiheit, also hier die Freiheit der Arbeitnehmer, einer Gewerkschaft nicht beizutreten, werde durch solch einen Tarifvertrag nicht verletzt. Die Handlungs- und Vertragsfreiheit der Arbeitnehmer werde nicht eingeschränkt. Solange sich aus einem Tarifvertrag „nur ein faktischer Anreiz zum Gewerkschaftsbeitritt ergibt, aber weder Zwang noch Druck entsteht“, sei die unterschiedliche Behandlung von Gewerkschaftern und Nicht-Gewerkschaftern zulässig.
Arbeitnehmer seien gegenüber Arbeitgebern beim Abschluss von Arbeitsverträgen strukturell unterlegen. Diese Unterlegenheit könne durch Tarifverträge aufgefangen werden, von denen auch der nichtorganisierte Kläger profitiere. Eine Pflicht von Gewerkschaften, für alle Beschäftigten gleichermaßen Leistungen auszuhandeln, bestehe aber nicht.
Schließlich gebe es auch keinen Grund für die Annahme, dass mit den Vergünstigungen für Gewerkschaftsmitglieder das Volumen des Sozialplans zulasten der nichtorganisierten Arbeitnehmer erheblich geschmälert werde, so die Karlsruher Richter in ihrem Beschluss vom 14.11.2018.
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