Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder

Kanzlei Blaufelder
71638, Ludwigsburg
07.10.2020

Sturzfolgen vom Hüpfkissen-Flug war ein Arbeitsunfall

BSG: Arbeitgeber durfte nicht mit Hüpfkissen erhöhte Gefahr schaffen

Jugendliche im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) genießen einen erweiterten Unfallversicherungsschutz. Schafft der FSJ-Träger auf einem Einführungsseminar mit dem Aufstellen eines unbeaufsichtigten Hüpfkissens eine erhöhte Gefahr „für die ungehemmte Entfaltung jugendlicher leichtsinniger Spielereien und gruppendynamischer Prozesse“, kann die gesetzliche Unfallversicherung für Sturzfolgen zur Verantwortung gezogen werden, urteilte am Dienstag, 06.10.2020, das Bundessozialgericht (BSG) (AZ: B 2 U 13/19 R). Dies könne auch dann gelten, wenn der Unfall auf dem Freizeitheimgelände sich erst nach den offiziellen Seminaren ereignet hat.

Im Streitfall hatte die Klägerin nach dem Abschluss der Realschule ein FSJ in einem Alten- und Pflegeheim begonnen. Hierfür hatte sie im September 2015 an einem einwöchigen Einführungsseminar teilgenommen. Das Seminar fand in der Katholischen Landvolkshochschule im Eichsfeld statt. Die damals 16-Jährige wurde von Mitarbeitern des Internationalen Bundes betreut, einem Freien Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit. Die Seminare fanden von 9.00 bis 18.00 Uhr statt.

Danach war auf dem abgelegenen Gelände der Bildungsstätte Freizeit angesagt. Einzelne Betreuer boten auf freiwilliger Basis Aktivitäten wie Lagerfeuer und Spiele an. Als die 16-Jährige auf dem Weg zu einem Karten- und Rollenspiel zusammen mit anderen Seminarteilnehmern ein 11,2 x 9 Meter großes Hüpfkissen entdeckte, wollte sie darauf nicht nur hüpfen. Sie setzte sich auf die eine Hälfte des unbeaufsichtigten Hüpfkissens, während acht weitere Seminarteilnehmer auf die andere Hälfte sprangen, um die Jugendliche so in die Luft zu katapultieren. Doch dabei stürzte die Jugendliche und erlitt mehrere Wirbelkörperbrüche.

Eine zivilrechtliche Klage auf Schmerzensgeld gegen den Träger der Maßnahme wurde vom Oberlandesgericht Jena wegen fehlender grober Fahrlässigkeit abgewiesen.

Die Jugendliche wollte den Sturz infolge des Hüpfens von der Berufsgenossenschaft (BG) Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege aber als Arbeitsunfall anerkannt haben. In diesem Fall stehen ihr etwa erweiterte Leistungen bei der Krankenbehandlung zu. Ähnlich wie bei Schülern auf Klassenfahrten müsse für jugendliche FSJler ein umfassender Unfallversicherungsschutz gelten, meinte sie.

Der Unfallversicherungsträger lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Das Hüpfen auf dem Hüpfkissen habe in keinen sachlichen Zusammenhang mit der Seminarteilnahme gestanden und sei rein privat gewesen. Es sei auch nicht Teil der in der Einrichtung angebotenen freiwilligen Abendaktivitäten gewesen.

BSG entscheidet zu Gunsten der Klägerin

Vor dem BSG bekam die heute 21-jährige Klägerin nun jedoch recht. Zwar habe sich der Unfall auf dem Hüpfkissen erst in der Freizeit nach Seminarende ereignet. Der Träger der Bildungsmaßnahme habe aber mit dem unbeaufsichtigten Aufstellen eines Hüpfkissens auf einem abgelegenen Freizeitheimgelände eine „erhöhte spezifische Gefahr für die ungehemmte Entfaltung jugendlicher leichtsinniger Spielereien und gruppendynamischer Prozesse einschließlich des damit verbundenen Verletzungspotenzials“ geschaffen. Damit bestehe ein Zusammenhang zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit.

Zwar sei zum Unfallzeitpunkt die offizielle Seminarzeit bereits beendet worden. Die Klägerin sei aber auf dem Weg zu einem freiwilligen Abendprogramm der Betreuer gewesen, so dass noch der Unfallschutz greife.

Der Unfallversicherungssenat verwies zudem auf eine frühere Entscheidung des BSG vom 30.09.1970 (AZ: 2 RU 150/68). Damals hatten die Kasseler Richter entschieden, dass Unfälle infolge spielerischen Verhaltens jugendlicher Arbeitnehmer einen Versicherungsschutz begründen können.

Damals hatte ein Arbeitgeber sechs Schlosserlehrlinge zur Arbeit in einem Schweißraum eingeteilt, die Jugendlichen aber nur sporadisch beaufsichtigt. Als diese sich neckten und sich mit Elektroden des Schweißgerätes bewarfen, wurde auch der Kläger getroffen. Er büßte sein rechtes Auge ein.

Eine Körperverletzung aufgrund spielerischen Verhaltens stelle zwar grundsätzlich keinen Arbeitsunfall dar, so damals das BSG. Anders sehe dies aber aus, wenn es sich um jugendliche Arbeitnehmer handelt, die nicht ausreichend beaufsichtigt wurden. Damit habe der Arbeitgeber Umstände geschaffen, die zu dem Unfall infolge leichtsinniger Spielereien geführt haben.

 

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