Erstmals in Deutschland werden in einem breit angelegten Pilotversuch anonymisierte Bewerbungsverfahren umfassend getestet. Die Leiterin der unabhängigen Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), Christine Lüders, gab am 25.11.2010 in Berlin den offiziellen Startschuss für das wissenschaftlich begleitete Vorhaben. Auf Initiative der ADS werden die Deutsche Post, die Deutsche Telekom, das Kosmetikunternehmen L´Oréal, der Geschenkdienstleister Mydays, der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, das Bundesfamilienministerium, die Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Stadtverwaltung von Celle ein Jahr lang anonymisierte Bewerbungsverfahren ausprobieren.
Dabei wird in der ersten Phase der Bewerbungsverfahren auf Fotos sowie auf persönliche Angaben wie Name, Alter, Geschlecht, Herkunft und Familienstand verzichtet, wie ADS-Leiterin Christine Lüders am Donnerstag in Berlin sagte.
Insgesamt handelt es sich um rund 225 Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätze mit tausenden Bewerbungen. Die Stellen reichen von der Lehrlingsausbildung über zu vergebende Studienplätze bis hin zu technischen Berufen, Jobs im Kundenservice oder im mittleren Management. Wie Lüders erläuterte, anonymisieren einige Unternehmen per Online-Bewerbung. Andere haben sich für ein per E-Mail oder Post bereitgestelltes Formular oder eine nachträgliche Anonymisierung der persönlichen Daten entschieden. Das Gros der Teilnehmer startet jetzt im November. Konjunkturbedingt und wegen interner Abläufe beginnen einzelne Teilnehmer jedoch erst zu Jahresbeginn 2011, so dass das Pilotprojekt bei einzelnen Teilnehmern bis März 2012 läuft.
Wie die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle weiter sagte, werde bei den anonymisierten Bewerbungsverfahren der Blick der Personalerinnen und Personaler konsequent auf die Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber gelenkt. “Dabei sitzt das Auswahlgremium aber keiner ‘Mrs. oder einem Mr. No-Name’ gegenüber. Sobald die Einladung zum Vorstellungsgespräch ausgesprochen ist, erhalten die Personaler die kompletten Unterlagen und können sich vorbereiten. Uns geht es um Chancengleichheit in der ersten Phase des Verfahrens. Derzeit bekommen viele Menschen trotz hoher Qualifikation gar nicht erst die Chance auf ein persönliches Vorstellungsgespräch.”
Lüders entkräftete auch das Argument, dass die standardisierten Bögen nicht genug über die Fähigkeiten der Bewerberinnen und Bewerber aussagten. “Personalerinnen und Personaler erhalten in diesen Bögen alle wichtigen Daten zur Qualifikation – sowohl zur Berufsausbildung einschließlich Noten als auch ein ausführliches Motivationsschreiben.” Die Leiterin der ADS wies auch das Argument zurück, es müssten bei dem neuen Verfahren mehr Gespräche mit Bewerbern geführt werden: “Eingeladen wird dieselbe Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern wie bisher. Der Unterschied liegt darin, dass die Entscheidung über die Einladung anhand anonymisierter Daten gefällt wird – also ohne Ansehen von Foto und persönlichen Angaben.”
Lüders präsentierte auch die Ergebnisse einer repräsentativen forsa-Umfrage im Auftrag der ADS. Demnach findet eine Mehrheit von 56 Prozent der Befragten die Idee anonymisierter Bewerbungsverfahren gut oder sehr gut. Jeder zweite Deutsche (48 Prozent) hat laut der Forsa-Umfrage schon von dem Vorhaben anonymisierter Bewerbungsverfahren gehört.
Quelle: PM der Antidiskrimierungsstelle des Bundes vom 25.11.2010