Zum Schutz und zur Eingliederung behinderter Arbeitnehmer gewährt der Gesetzgeber ihnen besondere Rechte – etwa bei Urlaub, Kündigung und Arbeitszeiten.
Wie genau diese Rechte im Arbeitsalltag aussehen und welche Pflichten damit für die Arbeitgeber verbunden sind, erläutert diese mehrteilige Artikel-Serie.
Hier geht es zu Teil 1 der Beitragsserie.
2. Bewerbungs- und Einstellungsverfahren
Gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) darf niemand aufgrund einer Behinderung benachteiligt werden. Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und im neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) wird dieser Grundsatz konkretisiert.
In Bezug auf das Arbeitsrecht wird dort die Diskriminierung behinderter Arbeitnehmer und Bewerber vor allem in folgenden Situationen untersagt:
im Bewerbungsverfahren und bei der Einstellung, beim beruflichen Aufstieg, während der Durchführung des Arbeitsverhältnisses sowie bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Das bedeutet, dass die Sonderrechte von schwerbehinderten und gleichgestellten Arbeitnehmern nicht erst mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrags greifen, sondern dass Arbeitgeber bereits während des Bewerbungsprozesses spezielle Rechtsvorschriften beachten müssen.
Unternehmen sind dazu verpflichtet, freie Stellen frühzeitig der Agentur für Arbeit zu melden. Die Arbeitsagentur prüft daraufhin, ob der Arbeitsplatz auch von einem schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer besetzt werden kann und schlägt den Unternehmen geeignete schwerbehinderte bzw. gleichgestellte Menschen vor (§ 164 Abs. 1 SGB IX). Kommt ein Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, riskiert das Unternehmen Entschädigungsansprüche nach dem AGG, wenn ein solcher Bewerber eine Absage erhält.
Dasselbe gilt, wenn die Bewerbung bei einem öffentlichen Arbeitgeber erfolgt und eine Einladung zum Vorstellungsgespräch unterbleibt. Denn öffentliche Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber immer zum Bewerbungsgespräch einzuladen (§ 165 SGB IX). Diese Verpflichtung entfällt nur
dann, wenn der Bewerber offensichtlich nicht über die nötigen Fertigkeiten und Qualifikationen verfügt (§ 165 Satz 3 SGB IX).
Im Vorstellungsgespräch gilt, dass der Arbeitgebervertreter nicht nach dem Vorliegen einer Behinderung fragen darf. Sollte er dies doch tun, hat der Bewerber nach der Rechtsprechung ein „Recht zur Lüge“. Eine
nicht wahrheitsgemäße Antwort darf der Arbeitgeber dann nicht mit negativen Konsequenzen verbinden. Erhält der Bewerber den Job, darf der Arbeitgeber nach Ablauf von sechs Monaten nur bei einem berechtigten Anlass (z. B. bei bevorstehenden betriebsbedingten Kündigungen) fragen, ob eine Behinderung vorliegt (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2012, AZ: 6 AZR 553/10). Ob der Arbeitgeber während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses danach fragen darf, ist umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden.
Der Beitrag wird in den kommenden Tagen mit Teil 3 fortgesetzt.
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Der Beitrag Serie zum Thema Schwerbehinderung im Arbeitsrecht – Teil 2 erschien zuerst auf Thorsten Blaufelder.