Eine krankhaft bedingte starke Hitzeunverträglichkeit kann das Gehvermögen Schwerbehinderter im Straßenverkehr erheblich einschränken. Auch wenn diese Bewegungsbeeinträchtigungen nur an warmen Tagen auftreten, können Betroffene damit das Merkzeichen G in ihrem Schwerbehindertenausweis beanspruchen, entschied Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) in Schleswig in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 09.12.2014 (AZ: L 2 SB 15/13).
Geklagt hatte ein Schwerbehinderter mit einem sogenannten Christ-Siemens-Touraine-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine seltene Erbkrankheit, bei der Betroffene über keine oder nur wenige Schweißdrüsen verfügen, was zu einer starken Hitzeunverträglichkeit führt.
Bei Wärme komme es zu einer schnellen Aufwärmung seines Körpers sowie beschleunigter Atmung und Schwindelgefühlen, so der Kläger. Er könne dann nur weniger als einen Kilometer laufen. Bei seinem zuständigen Versorgungsamt beantragte er daher das Merkzeichen G in seinem Schwerbehindertenausweis, da seine Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sei.
Mit dem Merkzeichen G können Schwerbehinderte unentgeltlich den öffentlichen Personennahverkehr nutzen oder alternativ eine 50-prozentige Ermäßigung bei der Kfz-Steuer erhalten. Je nach Grad und Art der Behinderung können Betroffene mit dem Merkzeichen G auch auf Behindertenparkplätze parken.
Hier argumentierte der Kläger, wegen seiner Krankheit könne er Bus und Bahn nur eingeschränkt nutzen und sei auf seinen klimatisierten Pkw und zielnahe Behindertenparkplätze angewiesen.
Das LSG gab ihm nun recht. Bei dem Kläger liege eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vor. Er könne bei Wärme eine Wegstrecke von zwei Kilometern nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Gefahren gehen.
Die krankhafte Hitzeunverträglichkeit sei zwar in den sogenannten Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht als Regelbeispiele für eine erhebliche Gehbeeinträchtigung aufgeführt. Die darin enthaltene Aufzählung sei aber nicht abschließend gemeint.
„Wer sich – wie der Kläger – an warmen Tagen, deren Auftreten nicht vorhersehbar ist, nur unter großen Schwierigkeiten bewegen und nur geringe Strecken zurücklegen kann, ist gegenüber Gesunden in seiner beruflichen und privaten Mobilität erheblich eingeschränkt“, betonte das LSG. Dies rechtfertige den Anspruch auf das Merkzeichen G.
Der Kläger müsse sich auch nicht darauf verweisen lassen, dass er notwendige Ortsveränderungen doch in kühlen Zeiten vornehmen kann. Damit würde ihm „die Möglichkeit der jederzeitigen Teilnahme am gesellschaftlichen und beruflichen Leben verwehrt“.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ das LSG die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu.
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