Leiharbeitnehmer können die Arbeit als Streikbrecher verweigern. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in Stuttgart bereits am 31.07.2013 entschieden (AZ: 4 Sa 18/13). Das Urteil wurde jetzt rechtskräftig, weil der beklagte Arbeitgeber seine Revision zurückgenommen hat, wie am Montag, 13.04.2015, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt mitteilte.
Damit muss die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm Verkehr GmbH (SWU Verkehr) eine Ermahnung aus der Personalakte eines Busfahrers entfernen. Die Busfahrer sind seit 2006 nicht mehr bei der SWU Verkehr direkt, sondern bei einem Tochterunternehmen (Service GmbH) beschäftigt. Der Kläger als Arbeitnehmer der SWU Verkehr wurde dauerhaft der Service GmbH überlassen.
Im Mai 2012 bestreikte die Gewerkschaft Verdi die Service GmbH, um den Abschluss eines Firmentarifs zu erreichen. Der Busfahrer machte von seinem Recht als Leiharbeitnehmer Gebrauch, nicht für das bestreikte Unternehmen zu fahren. Aber auch einer Weisung seines direkten Arbeitgebers, der SWU Verkehr, sich ans Bussteuer zu setzen, folgte er nicht. SWU Verkehr erteilte ihm daher eine Ermahnung.
Das LAG Stuttgart ließ es offen, ob es sich hierbei um eine förmliche Abmahnung oder um eine anderweitige Rüge handelt. So oder so habe der Busfahrer einen Anspruch auf Entfernung aus der Personalakte.
Denn mit der Anweisung zum Streikbruch habe die SWU Verkehr ihr Weisungsrecht überschritten, urteilte das LAG. Nach allgemeiner Auffassung dürften Arbeitnehmer nicht zu „Streikbrucharbeit“ gezwungen werden. Das BAG habe bereits 1957 entschieden, das es einem Arbeitnehmer nicht zumutbar sei „sich gegenüber streikenden Kollegen unsolidarisch zu verhalten und diesen in den Rücken zu fallen“ (Urteil vom 25.07.1957, AZ: 1 AZR 194/56).
Nach Überzeugung des LAG Stuttgart gilt dies nicht nur, wenn das bestreikte Unternehmen selbst zum Streikbruch auffordert. Es müsse vielmehr auch für Drittunternehmen gelten. Denn diese griffen dann „auf Seite des bestreikten Arbeitgebers aktiv in den Arbeitskampf ein“. Entsprechend dürften sich dann auch die Arbeitnehmer mit den streikenden Kollegen solidarisieren und die „Streikarbeit“ verweigern.
Bestärkt sahen sich die Stuttgarter Arbeitsrichter in dieser Auffassung auch durch das Sozialgesetzbuch. Dort ist bestimmt, dass die Bundesagentur für Arbeit keine Arbeitskräfte in bestreikte Betriebe vermitteln darf. Dies bedeute, „dass streikbrechende Direktionsrechtsmaßnahmen nicht mehr billigem Ermessen entsprechen“, folgerte das LAG.
In einem zweiten Begründungsstrang betonte das LAG, dass seit 2011 Arbeitnehmerüberlassung nur noch „vorübergehend“ zulässig ist. Zwar sei noch nicht abschließend geklärt, was als „vorübergehend“ gilt. Hier gehe es aber um eine dauerhafte Überlassung; diese sei nach der Rechtsprechung des BAG unzulässig (Beschluss vom 10.07.2013, AZ: 7 ABR 91/11).
Die Überlassung des Busfahrers an die Service GmbH sei daher nicht von der SWU Verkehr erteilten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gedeckt. Kraft Gesetzes komme somit ein Arbeitsverhältnis unmittelbar mit der Service GmbH als Entleihbetrieb zustande. Der SWU Verkehr GmbH habe daher ein Rügerecht gar nicht zugestanden.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung beider Begründungslinien hatte das LAG die Revision zum BAG zugelassen. Die SWU Verkehr hatte diese zunächst auch eingelegt, nun aber – einen Tag vor der für den 14.04.2015 terminierten Verhandlung (AZ: 1 AZR 792/13) – wieder zurückgenommen. Damit wurde ein höchstrichterliches Urteil zum Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher verhindert.
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