Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder

Kanzlei Blaufelder
71638, Ludwigsburg
03.04.2014

LAG Baden-Württemberg wirft BAG “Wortlautakrobatik” vor

© eschwarzer - Fotolia.comIm Streit um die sachgrundlose Mehrfachbefristung von Arbeitsverträgen hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in Stuttgart dem Bundesarbeitsgericht (BAG) „Wortlautakrobatik“ und einen rechtswidrigen Eingriff in die Kompetenzen des Gesetzgebers vorgeworfen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sei nach zwei Jahren eine weitere grundlose Befristung nicht mehr zulässig, heißt es in einem aktuell veröffentlichten Urteil des LAG vom 21.02.2014 (AZ: 7 Sa 64/13).

Nach dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge dürfen Arbeitgeber nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Arbeitsvertrag befristen. Wird für eine Befristung ein sachlicher Grund, wie beispielsweise eine Schwangerschaftsvertretung, angegeben, sind mehrfache Befristungen praktisch unbegrenzt zulässig.

Befristet der Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag dagegen ohne sachlichen Grund, ist dies nach dem Gesetz nur für neue Arbeitnehmer und nur für einen Zeitraum von insgesamt zwei Jahren erlaubt. Wer genau als „neuer Arbeitnehmer“ zu bezeichnen ist, ist jedoch strittig. Laut Gesetz darf der Arbeitnehmer nicht „bereits zuvor“ bei demselben Arbeitgeber befristet oder unbefristet beschäftigt gewesen sein.

Der Gesetzes-Passus „bereits zuvor“ bedeutet nach der ursprünglichen Rechtsprechung des BAG, dass der Arbeitnehmer niemals in einem Beschäftigungsverhältnis zu seinem Arbeitgeber gestanden haben darf. Doch der 7. BAG-Senat hat diese Rechtsprechung 2011 geändert. Die Vorschrift sei nun „verfassungskonform“ auszulegen. Liege die Befristung ohne sachlichen Grund mehr als drei Kalenderjahre zurück, könne der Arbeitgeber wieder ein neues grundlos befristetes Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer eingehen (AZ: 7 AZR 716/09).

Mit deutlicher Kritik verweigerte das LAG Stuttgart der neuen BAG-Rechtsprechung nun die Gefolgschaft. Dass „bereits zuvor“ eingestellte Arbeitnehmer nicht erneut sachgrundlos befristet eingestellt werden dürfen, sei vom Wortlaut und von den Gesetzesmaterialien her eindeutig. Das BAG vollziehe mit seiner Gesetzesauslegung „Wortlautakrobatik“, so das LAG, welches sich damit die Kritik in der juristischen Literatur zu Eigen machte. Die „semantischen Bemühungen“, des BAG wirkten „gekünstelt“.

Bereits im Gesetzgebungsverfahren habe es Kritik gegeben, dass die sachgrundlose Befristung nur bei einer Neueinstellung gelten solle. „Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber trotz dieser Kritik für eine nur ‚einmalige Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund entschieden‘ “, so das LAG in Bezug auf die Gesetzesmaterialien. Die Gesetzesentstehung habe der 7. BAG-Senat jedoch nicht ausreichend berücksichtigt. Mit seiner sogenannten verfassungsmäßigen Auslegung habe er ein rechtmäßiges Gesetz als unzweckmäßig abqualifiziert, was im Ergebnis eine Gesetzeszensur zur Folge habe.

Auch zwei nicht veröffentlichte Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11.11.2004 (AZ: 1 BvR 930/04 und 1 BvR 2150/04) deuten laut LAG darauf hin, dass der 7. Senat des BAG bei seiner neuen Gesetzesauslegung zu sachgrundlosen Mehrfachbefristungen falsch liege. Damals hatten die Karlsruher Richter die frühere Rechtsprechung des 2. BAG-Senats bestätigt, wonach eine sachgrundlose Befristung nur für neueingestellte Arbeitnehmer zulässig ist.

Letztlich habe der 7. BAG-Senat mit seiner neueren Rechtsprechung „unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers“ eingegriffen, kritisierte das LAG Stuttgart. Denn er habe „den Wortlaut des Gesetzes hintangestellt und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinweggesetzt“.

Wie nun der 7. Senat des LAG Stuttgart hatte sich – wenn auch mit weniger heftigen Formulierungen – am 26.09.2013 auch der 6. LAG-Senat gegen die Auffassung des BAG positioniert (AZ: 6 Sa 28/13). Dieses Verfahren ist bereits beim BAG anhängig (AZ: 7 AZR 896/13). Wegen der abweichenden Auffassung zur neuen BAG-Rechtsprechung ließ nunmehr auch der 7. LAG-Senat die Revision zu.

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