Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder

Kanzlei Blaufelder
71638, Ludwigsburg
04.06.2012

Krankenkasse muss hörbehinderten Kindern Gebärdensprach-Software bezahlen

Sind hörbehinderte Kinder für ihre Verständigung auf das Erlernen der Gebärdensprache angewiesen, muss die Krankenkasse für die Kosten eines entsprechenden Computer-Sprachlernprogramms aufkommen. Denn solch eine Software zum Lernen der Gebärdensprache stellt ein Hilfsmittel dar, welches dem „mittelbaren Behinderungsausgleich“ dient, entschied das Sozialgericht Oldenburg in einem aktuell veröffentlichten Gerichtsbeschluss vom 31.05.2012 (AZ: S 61 KR 244/11).

Im entschiedenen Rechtsstreit wollte die Mutter eines im Jahr 2009 geborenen, hochgradig schwerhörigen Kindes sich die Kosten für das Gebärdensprachlernprogramm „Tommys Gebärdenwelt“ 1, 2 und 3 in Höhe von 152,20 €  erstattet haben.

Ihre Tochter sei nahezu taub. Sie verfüge zwar über eine Innenohrprothese, ein sogenanntes Cochlea-Implantat (CI), mit dem es Sprache und Geräusche leise hören könne. Doch beim Schlafen, Baden, Haarewaschen, Schwimmen oder auch bei manchen Sportübungen könne sie das CI nicht tragen. Sie solle daher zusätzlich die Gebärdensprache erlernen, damit sie sich auch in diesen Situationen verständigen kann.

Die Krankenkasse wollte die Gebärdensprach-Software mitsamt Begleitbuch nicht bezahlen. Dieses Produkt falle nicht unter die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse. Es sei auch nicht im Hilfsmittelkatalog aufgeführt. Unter Umständen sei ein anderer Sozialleistungsträger zuständig, da es sich um eine „Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“ handele.

Dem folgte das Sozialgericht jedoch nicht. Die Krankenkasse sei zur Kostenübernahme verpflichtet, da das Gebärdensprachlern-Programm im täglichen Leben der Erfüllung des Grundbedürfnisses der Kommunikation dient. Die Gebärdensprache sei in solchen Alltagssituationen hilfreich, in denen das CI nicht nutzbar ist, wie beispielsweise beim Duschen, Baden oder auch beim Aufwecken aus dem Schlaf. Das Lernprogramm sei damit ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich, so dass die gesetzliche Krankenkasse zur Leistung verpflichtet ist.

Es spiele auch keine Rolle, dass das Gebärdensprachlernprogramm nicht im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen aufgeführt ist. Denn in dem Verzeichnis seien nicht alle Hilfsmittel abschließend aufgeführt.

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