Mann-zu-Frau-Transsexuelle können Anspruch auf operative Anlage einer weiblichen Brust haben. Insgesamt habe Transsexualität eine „Sonderstellung“, weshalb die gesetzlichen Krankenkassen gegebenenfalls auch „Eingriffe in den gesunden Körper“ finanzieren muss, wie das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart mit einem am Samstag, 17.03.2012, veröffentlichten Urteil entschied (AZ: L 5 KR 375/10). Wenn aber bereits eine kleine weibliche Brust besteht, bestehe ein Anspruch auf Vergrößerung grundsätzlich nicht.
Die Klägerin wurde 1964 anatomisch männlich geboren. Auf entsprechende Gutachten hin bezahlte ihre Krankenkasse 2008 eine Geschlechtsumwandlung mit Aufbau einer sogenannten Neo-Vagina. Durch die Einnahme von Östrogen hatte sich gleichzeitig bereits eine „mäßige“ weibliche Brust entwickelt. Die Klägerin meint, mit einer operativen Brustvergrößerung müsse die Krankenkasse nun den geschlechtsangleichenden Eingriff vervollständigen. Sie leide psychisch sehr unter ihren kleinen Brüsten. Die Kasse lehnte den weiteren Eingriff ab.
Zu Recht, wie nun das LSG entschied. Operative Eingriffe in einen gesunden Körper bedürften immer einer besonderen Rechtfertigung, betonten die Stuttgarter Richter. Seelische Störungen reichten dabei nicht aus. So müssten die Krankenkassen einer „genetischen Frau“ keine Brustvergrößerung bezahlen.
Transsexualität wertete das LSG allerdings als eine „psychische Regelwidrigkeit“, der eine „Sonderstellung“ zukomme. Dies könne als letztes Mittel „grundsätzlich auch operative Eingriffe in den gesunden Körper rechtfertigen“, insbesondere eine operative Angleichung an das gefühlte Geschlecht. Im Einzelfall könne dies „auch einen Anspruch auf operativen Brustaufbau bei fehlender Anlage, jedoch nicht einen Anspruch auf Brustvergrößerung begründen“.
Denn auch Transsexuelle hätten keinen Anspruch auf eine „möglichst große Annäherung an ein vermeintliches Idealbild“. So habe das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 28.09.2010 (AZ: B 1 KR 5/10 R) auch eine Klitorisvergrößerung abgelehnt.
Im Streitfall habe sich eine weibliche Brust gebildet und auch sonst insgesamt eine „deutliche Annäherung an das weibliche Geschlecht“ vollzogen. Eine unterentwickelte Brust („Mikromastie“) komme auch bei genetischen Frauen vor und werde auch für sie nicht zulasten der Krankenkassen operativ behoben. Bei der Klägerin seien die Brüste „nicht entstellend“ und führten auch nicht zu sozialer Ausgrenzung.
Gegen dieses am 25.01.2012 verkündete und jetzt schriftlich veröffentlichte Urteil ließ das LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BSG in Kassel zu.
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