Stürzt ein Arbeitnehmer vor Arbeitsbeginn auf dem Betriebsgelände auf einem eisglatten, nicht gestreuten Weg, kann er vom Arbeitgeber im Regelfall kein Schadenersatz und Schmerzensgeld verlangen. Unternehmen können sich hier auf die eingeschränkte Unternehmerhaftung berufen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) München in einem am Donnerstag, 09.05.2019, veröffentlichten Urteil (AZ: 7 Sa 365/18). Eine Haftung komme nach den gesetzlichen Bestimmungen daher nur infrage, wenn der Unfall vorsätzlich oder auf einem versicherten Weg herbeigeführt wurde.
Geklagt hatte eine Pflegefachkraft eines Seniorenpflegeheims im Raum Rosenheim. Die Frau hatte am 07.12.2016 morgens, kurz vor Dienstbeginn ihr Auto auf einem Parkplatz außerhalb des Heimgeländes geparkt. Zu Fuß ging sie auf das Betriebsgelände zu einem Lieferanten-Nebeneingang, wo auch eine Stempeluhr für Mitarbeiter angebracht war.
Bevor die Klägerin den Eingang erreichte, stürzte sie. Nach ihren Angaben war der Weg eisglatt und vom Arbeitgeber nicht gestreut worden. Wegen eines Außenknöchelbruchs musste operativ eine Metallplatte im Bein eingesetzt werden. Sie erlitt zudem eine Wundheilungsstörung verbunden mit einer Beweglichkeitseinschränkung ihres Beines. Der Unfall wurde als Arbeitsunfall anerkannt. Der Unfallversicherungsträger kam für die Behandlungskosten und für die Zahlung von Verletztengeld auf.
Zusätzlich verlangte die Frau von ihrem Arbeitgeber wegen der unterlassenen Streuung des Weges ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000,00 €. Wegen ihrer Erkrankung habe ihr Mann, ein geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, sie pflegen und die Kinder versorgen müssen. Wegen des damit verbundenen Verdienstausfalls ihres Ehemannes forderte sie weitere 75,00 € pro aufgebrachter Stunde, insgesamt 18.750,00 €. Schließlich sollte der Pflegeheimbetreiber noch 750,40 € für angefallene Fahrkosten zu Ärzten und Therapeuten bezahlen.
Der Betreiber des Pflegeheims bestritt, dass es überhaupt glatt gewesen war. Es sei gar nicht klar, was die Ursache des Sturzes gewesen sei. Doch selbst bei einer unterstellten Eisglätte würde die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden treffen, da sie nicht den zuerst gestreuten Haupteingang genutzt habe und am Nebeneingang mehr hätte aufpassen müssen.
Das LAG wies die Klage mit Urteil vom 27.11.2018 ab. Der Pflegeheimbetreiber könne sich auf seine eingeschränkte Unternehmerhaftung berufen, die Arbeitgebern im Zuge der von ihnen finanzierten gesetzlichen Unfallversicherung gewährt wird. Für Arbeitsunfälle müsse der Heimbetreiber daher in der Regel nicht haften.
Etwas anderes gelte nur, wenn der Unfall vorsätzlich herbeigeführt wurde oder auf einem versicherten Arbeitsweg geschah, etwa auf einem öffentlichen Gehweg vor dem Betriebsgebäude, den das Unternehmen streuen muss.
Ein solcher Wegeunfall habe hier aber nicht vorgelegen, da sich der Sturz bereits auf dem Betriebsgelände ereignet habe. Auch für ein vorsätzliches Handeln des Heimbetreibers gebe es keinerlei Anhaltspunkte, so das LAG. Dem für Räum- und Streuarbeiten beauftragten Mitarbeiter des Heims könne allenfalls grob fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden. Unterbliebene Streuarbeiten seien aber nicht als „vorsätzliches Herbeiführen des Unfalls“ zu werten.
Das LAG ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zu.
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