Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder

Kanzlei Blaufelder
71638, Ludwigsburg
02.12.2011

Kündigung trotz Nazi-Vergleich unwirksam

Bei der Prüfung einer außerordentlichen Kündigung dürfen die Arbeitsgerichte die Dauer des bislang „störungsfreien“ Arbeitsverhältnisses berücksichtigen. Dies bedeutet keine unzulässige Altersdiskriminierung jüngerer Arbeitnehmer, heißt es in einem am Donnerstag, 01.12.2011, veröffentlichten Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt (AZ: 2 AZR 355/10). Es hob damit die Kündigung eines Rettungsassistenten auf, der Äußerungen seines Personalchefs mit der NS-Zeit verglichen hatte.

In einem Personalgespräch hatte der Vorgesetzte dem schwerbehinderten Rettungsassistenten erklärt: „Wir wollen nur gesunde und voll einsetzbare Mitarbeiter.“ Neun Monate später schrieb der Rettungsassistent, dies sei „vergleichbar mit Ansichten und Verfahrensweisen aus dem Dritten Reich“. Mit Zustimmung des Integrationsamts kündigte der Arbeitgeber fristlos. Dagegen klagte der Rettungsassistent.

Wie nun das BAG bekräftigte, können NS-Vergleiche grundsätzlich eine Kündigung rechtfertigen. Sie seien in der Regel nicht nur eine Beleidigung, sondern gleichzeitig auch „eine Verharmlosung des in der Zeit des Nationalsozialismus begangenen Unrechts“.

Allerdings müssten bei einer solchen Kündigung immer auch die Umstände des Einzelfalls betrachtet und die Interessen beider Seiten abgewogen werden.

Im konkreten Fall hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen (AZ: 5 Sa 739/09) die Kündigung unter anderem mit Blick auf die 29-jährige unbeanstandete Mitarbeit des Rettungsassistenten für unwirksam gehalten. Dagegen argumentierte der Arbeitgeber, die Berücksichtigung der bisherigen Beschäftigungszeit laufe auf eine unzulässige Diskriminierung jüngerer Mitarbeiter hinaus.

Tatsächlich werden Jüngere benachteiligt, dies ist aber gerechtfertigt, heißt es dazu nun in dem am 07.07.2011 verkündeten Urteil des BAG. Die Berücksichtigung der bisherigen Beschäftigung sei unerlässlich, um einen „angemessenen Ausgleich“ der beiderseitigen Interessen zu finden. Auch nach EU-Recht sei dies rechtmäßig. Im konkreten Fall habe das LAG davon ausgehen dürfen, dass eine erstmalige Verfehlung nach 29 Jahren gegen eine Kündigung spricht.