Müssen Hartz-IV-Empfänger für einen Job Business-Kleidung tragen und regelmäßig zum Friseur gehen, können sie im Einzelfall die Ausgaben hierfür vom Jobcenter als Eingliederungsleistung in den Arbeitsmarkt erstattet bekommen. Dies geht aus einem am Dienstag, 19.06.2012, verkündeten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel hervor (AZ: B 4 AS 163/11 R). Die Behörde muss die Kosten jedoch nicht pauschal bewilligen. Sie muss vielmehr prüfen, ob die Kostenübernahme angemessen und die Aufwendungen für den Job tatsächlich erforderlich sind.
Gehen Hartz-IV-Bezieher einer gering entlohnten Beschäftigung nach, sind die Aufwendungen für die Business-Kleidung und die Friseurbesuche aber in keinem Fall als Werbungskosten abziehbar, stellte der 4. Senat des BSG klar. Dies sei nur bei typischer Berufskleidung möglich, beispielsweise bei Sicherheitsschuhen. Bei Business-Kleidung seien dagegen die beruflichen und privaten Nutzungsmöglichkeiten zu sehr vermischt.
Im entschiedenen Rechtsstreit hatte eine Hartz-IV-Aufstockerin aus dem Landkreis Marburg-Biedenkopf geklagt. Die alleinerziehende Mutter eines Sohnes arbeitete halbtags bei der Deutschen Vermögensberatung AG als Sekretärin. Von ihrem Verdienst in Höhe von 1.066,00 € konnte sie jedoch nicht leben. Sie beantragte daher beim zuständigen Landkreis für sich und ihren Sohn vom 01.06. bis 30.11.2008 aufstockende Hartz-IV-Leistungen.
Von ihren Einkünften als Sekretärin zog sie Werbungskosten ab – für einen Zeitraum von sechs Monaten 246,00 € für Business-Kleidung und 83,00 € für Friseurbesuche. Diese Aufwendungen seien Voraussetzung, dass sie überhaupt ihren Job machen könne. Auch der Arbeitgeber hatte der Frau dies schriftlich bescheinigt. Als Sekretärin müsse sie auch auf Abendveranstaltungen mit Kunden zugegen sein; ein angemessenes Aussehen sei dabei Pflicht.
„Aus dem Hartz-IV-Regelsatz sind die erforderliche Business-Kleidung und die regelmäßigen Friseurbesuche aber nicht zu bezahlen“, sagte Tobias Bräuer, Rechtsanwalt der Sekretärin. Im Regelsatz seien nur monatlich rund 25,00 € für Kleidung vorgesehen und für Kosmetika, worunter auch Friseurbesuche fallen, bis zu 9,00 €. Seine Mandantin dürfe nicht schlechter gestellt werden, wenn sie arbeite. Denn könne sie die beruflich bedingten Ausgaben nicht absetzen, habe sie weniger zur Verfügung, als wenn sie gar nicht arbeiten würde.
Da die Business-Kleidung und der Friseurbesuch auch private Zwecke erfüllten, sei die Absetzung als Werbungskosten nicht möglich, urteilte der 4. Senat. Unter Umständen könne die Klägerin jedoch die Kosten als sogenannte Eingliederungsleistung erstattet bekommen. Diese dienten dazu, Hartz-IV-Empfängern eine berufliche Tätigkeit zu ermöglichen oder diese zu erhalten. Die Behörde müsse dabei in jedem Einzelfall eine Ermessensentscheidung fällen, inwieweit die geltend gemachten Ausgaben notwendig und angemessen sind. Im konkreten Fall verpflichtete der Landkreis sich, über die Gewährung der Eingliederungsleistung zu entscheiden.
Den konkreten Fall verwies das BSG an die Vorinstanz wegen fehlender Tatsachenfeststellungen zurück.
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