Für vorgeschriebene Dauernachtwachen in einem nicht tarifgebundenen Alten- oder Pflegeheim gibt es einen geringeren Nachtarbeitszuschlag. Wie hoch der aus „überragenden Gemeinwohlgründen“ gekürzte Nachtarbeitszuschlag ausfallen darf, ist unter den Landesarbeitsgerichten (LAG) jedoch umstritten.Während das LAG Baden-Württemberg in Stuttgart in einem kürzlich veröffentlichten Urteil einer Dauernachtwache einen Nachtzuschlag von 20 Prozent zusprach (AZ: 9 Sa 57/15), hielt das LAG Rheinland-Pfalz in einer weiteren Entscheidung 25 Prozent für angemessen (AZ: 6 Sa 138/18).
Eigentlich schien der Streit um Nachtarbeitszuschläge nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 09.12.2015 geklärt (AZ: 10 AZR 423/14). Die Erfurter Richter hatten im Fall eines Paketauslieferers entschieden, dass nicht tarifgebundene Arbeitgeber bei ständigen Nachtschichten eines Arbeitnehmers einen „angemessenen“ Nachtarbeitszuschlag von 30 Prozent zahlen müssen. Bei einer Nachtarbeit, die nicht immer anfällt, liege der Zuschlag „regelmäßig“ bei 25 Prozent auf den Bruttostundenlohn.
Laut BAG kann der Zuschlag – je nach Besonderheit der konkreten Tätigkeit – davon abweichen. Ist die Nachtarbeit aus „überragenden Gemeinwohlgründen“ zwingend erforderlich, sei ebenfalls ein Abschlag möglich. Alternativ zu einem Nachtarbeitszuschlag könnten Beschäftigte auch einen Freizeitausgleich beanspruchen.
Nicht entschieden wurde jedoch, wann denn genau „überragende Gemeinwohlgründe“ vorliegen, bei denen nicht tarifgebundene Arbeitgeber eine Kürzung des Nachtarbeitszuschlags vornehmen dürfen. Auch die Höhe der Kürzung ist immer wieder umstritten.
Im vom LAG Stuttgart am 11.01.2019 entschiedenen Rechtsstreit hatte eine in einer Seniorenresidenz tätige Altenpflegerin stets nachts gearbeitet. Für ihre Dauernachtwache verlangte sie mit Verweis auf das BAG-Urteil einen Nachtarbeitszuschlag von 30 Prozent.
Ihr Arbeitgeber hielt dagegen nur 15 Prozent für angemessen, ab Februar 2018 erhöhte er den Zuschlag aber auf 20 Prozent. Normalerweise solle ein besonders hoher Nachtarbeitszuschlag von 30 Prozent den Arbeitgeber dahin „lenken“, von seinen Beschäftigten weniger Nachtarbeit zu verlangen, so der Arbeitgeber. Hier greife diese Lenkungsfunktion aber nicht. Denn die Landespersonalverordnung schreibe nachts einen Mindestpersonalumfang vor. Damit sei die Nachtarbeit aus „überragendem Gemeinwohlinteresse“ angeordnet. Ein geringerer Nachtarbeitszuschlag sei daher angemessen.
Dem folgte weitgehend auch das LAG Stuttgart. Für die „gewöhnliche“ Nachtarbeit der Klägerin sei zunächst ein 25 prozentiger Nachtarbeitszuschlag auf den Bruttostundenlohn angemessen. Wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Nachtarbeit liege jedoch ein überragender Gemeinwohlzweck vor. So müssten auch nachts behinderte und pflegebedürftige Menschen vor Beeinträchtigungen geschützt werden. Daher sei ein Abschlag von fünf Prozent auf den Nachtarbeitszuschlag gerechtfertigt. Die Klägerin könne daher nur einen Zuschlag von insgesamt 20 Prozent beanspruchen. Die Stuttgarter Richter ließen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.
Die 6. Kammer des LAG Mainz hielt dagegen mit Urteil vom 29.01.2019 für eine Dauernachtwache in einem nicht tarifgebundenen Senioren- und Pflegeheim einen Nachtarbeitszuschlag von 25 Prozent für angemessen. Normalerweise falle zwar für eine Dauernachtarbeit „regelmäßig“ ein Zuschlag von 30 Prozent an.
Aus Gemeinwohlgründen falle der Zuschlag aber geringer aus. Die Pflegetätigkeit in einem Seniorenheim diene immer dem Gemeinwohl. „Ein Verzicht auf Nachtarbeit ist in diesem Bereich ausgeschlossen, da ohne Nachtarbeit die Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Bewohner nicht sichergestellt werden könnte“, heißt es in dem Urteil. Folge: Pflegekräfte müssten faktisch immer einen Abschlag hinnehmen.
Die 5. Kammer des LAG Mainz sah mit Urteil vom 07.06.2018 bei einer Dauernachtwache in einem Alten- und Pflegeheim dagegen keinen Grund, der klagenden Altenpflegerin einen geringeren Nachtarbeitszuschlag aus „überragenden Gemeinwohlgründen“ zuzusprechen (AZ: 5 Sa 446/17). Ihr wurde ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 Prozent auf den Bruttostundenlohn gewährt.
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