Dürfen Arbeitnehmer laut Tarifvertrag ordentlich nicht mehr gekündigt werden, ist auch eine fristlose Kündigung wegen regelmäßigen Krankseins nur im besonderen Ausnahmefall erlaubt. Fehlt der Beschäftigte wegen unterschiedlicher Krankheiten mal 38 oder auch 57 Arbeitstage im Jahr, ist dies dem Arbeitgeber zuzumuten, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 05.03.2012 entschied (AZ: 14 Sa 1377/11). Eine negative Gesundheitsprognose sei aus solchen Fehlzeiten noch nicht zu schließen.
Damit gaben die Düsseldorfer Richter einer schwerbehinderten, bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland beschäftigten Frau recht. Nach den tariflichen Regelungen war sie ordentlich nicht mehr kündbar. Die Rentenversicherung kündigte jedoch fristlos „aus wichtigem Grund“.
Als Begründung führte der Arbeitgeber an, dass für ihn die Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar sei. Die schwerbehinderte Frau sei ständig krank. Seit 2000 habe sie jedes Jahr krankheitsbedingte Fehlzeiten zwischen 38 und 109 Arbeitstagen gehabt, so 2008 57 und 2009 38 Arbeitstage. Dies deutete auf eine negative Gesundheitsprognose mit auch künftig hohen Fehlzeiten hin, so dass eine fristlose Kündigung aus „wichtigem Grund“ gerechtfertigt sei.
Das LAG entschied, dass der Arbeitgeber zu Unrecht die fristlose Kündigung ausgesprochen hat. Bei tariflich ordentlich nicht kündbaren Beschäftigten gebe es einen „verschärften Maßstab“, wann diese aus „wichtigem Grund“ fristlos entlassen werden können.
Zuerst müsse eine negative Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegen. In der zweiten Stufe müsse geprüft werden, ob die betrieblichen Interessen wegen der Erkrankung erheblich beeinträchtigt sind. Schließlich müsse im dritten Schritt untersucht werden, ob die betrieblichen Beeinträchtigungen eine „nicht mehr hinnehmbare Belastung des Arbeitgebers darstellen“.
Dies sei aber erst der Fall, „wenn ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis besteht, bei dem erhebliche Entgeltfortzahlungskosten für den Arbeitgeber entstehen und der Arbeitgeber bis zum Ruhestand keine nennenswerte Arbeitsleistung mehr zu erwarten hat“, so das LAG.
Bei der Klägerin habe es zwischen 2006 bis 2010 kein Jahr gegeben, bei dem ein vollständig sinnentleertes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Belastungen, die dem Arbeitgeber wegen der Fehlzeiten entstanden sind, müsse er daher hinnehmen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls hat das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt zugelassen.
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