Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat scharfe Strafen in Österreich bei illegaler Leiharbeit als unverhältnismäßig verworfen. Solche Sanktionen bei Verstößen gegen arbeitsrechtliche Schutzvorschriften dürften nicht über das hinausgehen, was für ihre Durchsetzung erforderlich ist, urteilte der EuGH am Donnerstag, 12.09.2019, in Luxemburg (AZ: C-64/18 und weitere).
Im konkreten Fall geht es um die Sanierung der Kesselanlage eines Zellstoffbetriebs in Österreich durch die österreichische Firma Andritz. Dabei beschäftigte Andritz 200 Arbeiter aus Kroatien, Serbien und Bosnien, die das kroatische Unternehmen Brodmont vermittelt hatte. Bei einer Kontrolle konnte Andritz für diese Arbeiter nicht die erforderlichen Lohnunterlagen vorlegen, weil Brodmont diese Unterlagen gar nicht bereitgestellt hatte.
Die österreichischen Behörden reagierten mit scharfen Strafen. So sollte die kroatische Leihfirma Brodmont drei Millionen Euro bezahlen, die vier Vorstandsmitglieder von Andritz jeweils 2,4 bis 2,6 Millionen Euro. Wenn Andritz die Unterlagen auch nachträglich nicht beibringen kann, sollen die Geldstrafen gegen die Vorstandsmitglieder automatisch in Haftstrafen von jeweils etwa viereinhalb Jahren umgewandelt werden.
Brodmont und alle vier Andritz-Vorstände klagten. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark fragte beim EuGH an, ob solche Strafen noch „mit dem unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen“ vereinbar sind.
Wie nun der EuGH entschied, haben die österreichischen Behörden hier die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschritten. Die Sanktionen gingen über das Maß des Erforderlichen hinaus.
Zunächst betonten die Luxemburger Richter allerdings, dass Kontrollen und Strafen zulässig sind, um Sozialbetrug zu verhindern und die Leiharbeitnehmer zu schützen. Dabei sei es auch gerechtfertigt, die Höhe der Strafen von der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer abhängig zu machen.
Allerdings rügte der EuGH, dass in Österreich die Strafe nach oben nicht gedeckelt ist. Dagegen gebe es aber einen Mindestbetrag, der dann auch bei nur ganz leichten Verstößen fällig werde. Auch kritisierten die Luxemburger Richter die mögliche automatische Umwandlung der Geldstrafen in „besonders schwerwiegende“ Freiheitsstrafen.
All dies stehe „nicht in angemessenem Verhältnis zur Schwere der geahndeten Verstöße“, urteilte der EuGH. Die Einhaltung der entsprechenden Schutzregelungen für Leiharbeitnehmer könne auch mit geringeren Geldstrafen und ohne die gegebenenfalls automatische Umwandlung in Freiheitsstrafen durchgesetzt werden.
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