Führen Erpressungsversuche bei dem Opfer zu psychischen Erkrankungen, besteht damit noch kein Anspruch auf eine Opferentschädigung. Denn die Entschädigung setzt einen tätlichen Angriff gegen die körperliche Unversehrtheit einer anderen Person voraus, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am Dienstag, 21.01.2014, veröffentlichten Urteil (AZ: L 10 VE 46/12).
Damit scheiterte eine Apothekerin mit ihrem Antrag auf eine Opferentschädigung. Die verheiratete Frau erhielt 2010 innerhalb eines Monats insgesamt fünf Erpresserschreiben. Darin wurde sie zur Zahlung von zunächst 8.500,00 € und später von 9.000,00 € aufgefordert. Ein Erpresserschreiben befand sind an ihrer Terrassentür, eins hinter dem Scheibenwischer an ihrem Auto geklemmt, zwei weitere erhielt sie im Briefkasten ihrer Apotheke und ein weiteres wurde im Briefkasten eines Nachbarn eingeworfen.
Der Erpresser drohte im Falle einer Nichtzahlung mit drastischen Maßnahmen, darunter die Tötung der beiden Kinder des Paares, einem Brandanschlag auf ihr Haus, das Auslegen von Gift in Lebensmittelläden oder mit Attentaten auf fahrende Autos.
Als die Polizei den Erpresser bei einer Hausdurchsuchung schließlich fassen konnte, war es um die psychische Gesundheit der Frau jedoch geschehen. Sie leide seitdem unter Angstzuständen, Schlafstörungen und einer Posttraumatischen Belastungsstörung, so die Apothekerin.
Das zuständige Versorgungsamt verweigerte die beantragte Opferentschädigung. Die geltenden Vorschriften würden hierfür einen tätlichen Angriff voraussetzen. Dieser beinhalte eine unmittelbar auf die körperliche Integrität in feindlicher Absicht abzielende Aktion. Ein Erpressungsversuch sei aber kein tätlicher, auf die körperliche Integrität abzielender Angriff.
In seinem Urteil vom 14.11.2013 bestätigte das LSG diese Auffassung. Ein Entschädigungsanspruch könne nur bei einem tätlichen Angriff als solchem oder bei einer rechtmäßigen Abwehr eines Angriffs bestehen. Ein Erpressungsversuch sei aber kein tätlicher Angriff. Psychische Folgen der Tat änderten daran nichts.
Auch sei das Risiko der Klägerin auf Beeinträchtigung ihrer körperlichen Unversehrtheit durch den Täter zu keinem Zeitpunkt so akut gewesen, wie dies beispielsweise bei einer Bedrohung mit einer scharf geladenen und entsicherten Schusswaffe unter Anwesenden gewesen wäre. Der Täter habe vielmehr nach mehreren fehlgeschlagenen Geldübergaben keinerlei tätliche Gewalttaten folgen lassen. Lediglich neue Erpressungsschreiben wurden verfasst.
Auch das Bundessozialgericht (BSG) habe am 07.04.2011 entschieden, dass „gewaltlose“, insbesondere psychische Einwirkungen auf das Opfer nicht für eine Opferentschädigung ausreichen (AZ: B 9 VG 2/10 R). Danach sei eine Drohung mit Gewalt nur dann als tätlicher Angriff anzusehen, wenn die Gewaltanwendung unmittelbar bevorsteht. Dies sei hier bei der Klägerin aber nicht der Fall gewesen.