Alkoholkranke Arbeitnehmer sind nach einer Therapie und einem erneuten Rückfall an ihrer Arbeitsunfähigkeit in der Regel nicht selbst „schuld“. Auch bei einem Rückfall ist der Arbeitgeber daher grundsätzlich zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, urteilte am Mittwoch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (AZ: 10 AZR 99/14). Nur wenn ein medizinischer Gutachter zweifelsfrei nachweist, dass der Alkoholkranke bewusst und mit eigenem Willen die Arbeitsfähigkeit verursacht hat, könne die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung entfallen.
Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz sind Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitnehmern im Krankheitsfall sechs Wochen lang eine Entgeltfortzahlung zu leisten. Nach diesem Zeitraum zahlt die Krankenkasse das geringere Krankengeld. Beschäftigte können jedoch keine Entgeltfortzahlung beanspruchen, wenn sie ihre Arbeitsunfähigkeit „grob schuldhaft“ selbst verursacht haben.
Im nun entschiedenen Fall hatte ein Arbeitgeber genau dies seinem alkoholkranken Beschäftigten vorgeworfen. Der im Baugewerbe beschäftigte Arbeitnehmer hatte bereits mehrere stationäre Entzugstherapien hinter sich. Dabei wurde er immer wieder rückfällig, so auch am 23.11.2011. Nach einem „Sturztrunk“ wurde er mit 4,9 Promille bewusstlos ins Krankenhaus gebracht. Letztlich war der Beschäftigte über zehn Monate krankgeschrieben.
Kurz nach der Einweisung ins Krankenhaus war das Maß für den Arbeitgeber aber bereits voll. Er kündigte dem Mann mit Schreiben vom 28.11.2011 fristlos. Mit einem Vergleich wurde das Arbeitsverhältnis schließlich zum Jahresende beendet.
Unterdessen hatte die Krankenkasse des Arbeitnehmers, die IKK Classic, Krankengeld gezahlt. Sie forderte das Geld nun vom Arbeitgeber zurück, insgesamt 1.303,00 €. Schließlich sei zunächst der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet.
Doch der Arbeitgeber weigerte sich. Der alkoholkranke Beschäftigte habe mehrere Therapien gemacht. Bei dem letzten Rückfall habe er seine Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet, so dass keine Entgeltfortzahlung geleistet werden müsse.
Das Landesarbeitsgericht Köln hatte dem Arbeitnehmer recht gegeben und entschieden, dass bei einer bestehenden langjährigen Alkoholsucht generell nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein Verschulden des Arbeitnehmers vorliegt.
Ganz so weit wollte das BAG jedoch nicht gehen. Die Erfurter Richter gaben dem Arbeitnehmer trotzdem noch recht. Bei alkoholkranken Beschäftigten könne zwar nicht generell, aber doch im Regelfall davon ausgegangen werden, dass bei einem Rückfall kein grobes Verschulden für die Arbeitsunfähigkeit besteht.
Die Alkoholabhängigkeit sei immer noch eine Krankheit mit unterschiedlichen Ursachen. Selbst bei einer erfolgreichen Therapie sei die Sucht als psychische Abhängigkeit noch vorhanden, so das BAG zur Begründung.
Nur wenn der Arbeitnehmer bewusst und nach seinem eigenen Willen die Arbeitsunfähigkeit hervorgerufen hat, könne der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfallen. Ob dies der Fall ist, müsse ein medizinischer Gutachter feststellen. Bei verbleibenden Zweifeln über sein „Verschulden“ könne der Arbeitnehmer weiter eine Entgeltfortzahlung beanspruchen.
Hier habe das sozialmedizinische Gutachten ein Verschulden des Arbeitnehmers ausgeschlossen. Der Mann sei seit vielen Jahren chronisch alkoholabhängig und habe immer wieder einen „Suchtdruck“ verspürt.
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