Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder

Kanzlei Blaufelder
71638, Ludwigsburg
07.05.2019

Entgeltfortzahlung auch bei selbst verschuldetem Arbeitsunfall

Geht ein Arbeitsunfall auf einen Fehler des Arbeitnehmers zurück, kann der Arbeitgeber wegen dieses „Verschuldens“ nicht einfach die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verweigern. Nur wenn dem Arbeitsunfall ein „besonders leichtfertiges“ Handeln zugrunde liegt, kann die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall versagt werden, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem am Freitag, 03.05.2019, veröffentlichten Urteil (AZ: 8 Sa 247/18).

Konkret ging es um einen verunglückten Kaminbauer, der zusammen mit einem Meister und einem anderen Gesellen am 01.06.2017 auf einem Dachboden einen Kamin abbrechen wollte. Hierfür bauten sie eine „Arbeitshilfe“ auf, zwei senkrechte Seitenteile aus Metallrohren, zwischen denen ein unteres und oberes Brett befestigt war. Wegen der bestehenden Enge bauten die Beschäftigten das Gestänge ohne die der Sicherheit dienenden Standfüße auf. Zuvor hatten sie an einigen Stellen geprüft, ob der Holzboden morsch ist.

Als ein Geselle auf die Arbeitshilfe kletterte, brach plötzlich der Boden ein. Bei dem Sturz verletzte sich der Mann schwer und war über zwei Monate arbeitsunfähig.

Der Arbeitgeber meinte, dass der Mann den Unfall und damit auch seine Verletzungen grob fahrlässig selbst verursacht habe. Er verweigerte daher die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist er eigentlich verpflichtet, diese sechs Wochen zu gewähren. Der Arbeitnehmer muss danach aber „unverschuldet“ arbeitsunfähig geworden sein. Hier, so der Arbeitgeber, habe sich der Beschäftigte aber besonders leichtfertig verhalten und so die Verletzungsfolgen selbst verursacht. Er hätte, wie vorgeschrieben, die Standfüße installieren oder zumindest Holzbohlen unter der Arbeitshilfe legen müssen.

Da der Mann vom Arbeitgeber kein Entfeltfortzahlung im Krankheitsfall erhielt, sprang letztlich die Berufsgenossenschaft mit einer Verletztengeldzahlung sowie der Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge ein. Vom Arbeitgeber forderte der Unfallversicherungsträger insgesamt 3.213,99 € zurück.

Zu Recht, wie das LAG in seinem Urteil vom 15.01.2019 entschied. Der versicherte Arbeitnehmer habe seine Arbeitsunfähigkeit nicht „schuldhaft“ hervorgerufen. Schuldhaft handele nur der Arbeitnehmer, „der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen in eigenem Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt“, so die Mainzer Richter mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG).

Es müsse hierfür ein „besonders leichtfertiges oder vorsätzliches Verhalten“ vorliegen. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Zwar hätten die Beschäftigten die vorgeschriebenen Standfüße der Arbeitshilfe nicht verwendet. Dies sei wohl als fahrlässig einzustufen. Ein besonders leichtfertiges Verhalten sei dies aber nicht, da die Beschäftigten zuvor noch geprüft haben, ob der Holzboden morsch ist.

Unklar sei hier zudem, wen das Verschulden an dem Unfall treffe. Denn die Arbeitshilfe sei gemeinsam von dem Versicherten und seinen zwei Kollegen aufgebaut worden. Könne das mögliche Verschulden nicht aufgeklärt werden, liege das Risiko der Unaufklärbarkeit beim Arbeitgeber, so das LAG.

 

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