Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder

Kanzlei Blaufelder
71638, Ludwigsburg
12.02.2014

Elternunterhalt auch nach 30-jährigem Schweigen

© GaToR-GFX - Fotolia.comErwachsene Kinder müssen auch dann für die Heimkosten ihrer Eltern aufkommen, wenn diese jeglichen Kontakt abgebrochen hatten. Allein dadurch ist der Unterhaltsanspruch der Eltern noch nicht verwirkt, entschied am Mittwoch, 12.02.2014, der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe (AZ: XII ZB 607/12).

Wenn alte Menschen pflegebedürftig werden und deshalb in ein Heim umziehen, reichen Einkommen und Vermögen oft für die Kosten nicht aus. In solchen Fällen gibt es Unterstützung von der Sozialhilfe, doch bei ausreichendem Einkommen müssen sich unter bestimmten Voraussetzungen auch die Kinder beteiligen und sogenannten Elternunterhalt zahlen.

Im Streitfall war der Vater 2008 in ein Heim gezogen. Weil seine Einkünfte für Kosten und Lebensunterhalt nicht reichten, zahlte die Stadt Bremen ergänzende Sozialhilfe. 2012 starb er im Alter von 89 Jahren. Von seinem Sohn forderte die Stadt nun gut 9.000,00 € zurück.

Der lehnte dies ab: Nach der Scheidung seiner Eltern 1971 habe der Vater schon 1972 den Kontakt zu ihm abgebrochen und auch danach 40 Jahre lang jeglichen Kontakt nachdrücklich abgelehnt. Auch habe der Vater in seinem Testament betont, dass er keinen Kontakt zu seinem Sohn mehr habe und dass dieser daher nur „den strengsten Pflichtteil“ bekommen solle.

Wie nun der BGH entschied, ist der Abbruch des Kontakts zwar als „Verfehlung“ zu werten. Zur „Verwirkung“ des Elternunterhalts führe dies aber noch nicht. Hierfür müssten weitere Umstände hinzukommen, die das Verhalten insgesamt „als schwere Verfehlung erscheinen lassen“.

Solche Umstände seien hier nicht ersichtlich. Zwar habe der Vater „das familiäre Band zu seinem volljährigen Sohn aufgekündigt“. Andererseits habe er sich aber in den ersten 18 Lebensjahren um seinen Sohn gekümmert. „Er hat daher gerade in der Lebensphase, in der regelmäßig eine besonders intensive elterliche Fürsorge erforderlich ist, seinen Elternpflichten im Wesentlichen genügt“, befanden die Karlsruher Richter. Die harschen Worte im Testament seien nicht als Verfehlung zu sehen; der Vater habe hier „lediglich von seinem Recht auf Testierfreiheit Gebrauch gemacht“.

Laut Gesetz kann die Pflicht zur Zahlung von Elternunterhalt nur dann ganz oder teilweise entfallen, wenn Eltern ihr Kind „gröblich vernachlässigt“ oder sich sonst einer „schweren Verfehlung“ gegen das Kind oder dessen enge Familie schuldig gemacht haben. Dies sah der BGH hier noch nicht als erfüllt an. Mit seinem Beschluss hob er daher eine gegenläufige Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg (Urteil vom 25.10.2012, AZ: 14 UF 80/12) auf.

Die Pflicht zur Zahlung von Elternunterhalt ist allerdings nicht unbegrenzt. Nach einem BGH-Grundsatzurteil vom 24.10.2002 (AZ: XII ZR 266/99) müssen die Kinder weder dauerhafte erhebliche Einbußen in ihrem Lebensstandard noch eine Gefährdung ihrer eigenen Altersvorsorge hinnehmen. Dies hatte am 07.06.2005 auch das Bundesverfassungsgericht (AZ: 1 BvR 1508/96) bestätigt.

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