Gesetze müssen für die betroffenen Bürger nicht unbedingt verständlich sein. Es kann ausreichen, wenn Juristen und andere Fachleute den „Regelungsinhalt“ verstehen, wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem aktuell, am 23.10.2013, verkündeten Urteil zum „Dienstbeschädigungsausgleich“ für NVA-Soldaten der früheren DDR entschied (AZ: B 5 RS 6/12 R und B 5 RS 25/12 R). Das BSG sah sich dabei an Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gebunden.
Der Dienstbeschädigungsausgleich ist quasi eine Unfallrente für Angehörige verschiedener Versorgungssysteme der DDR, insbesondere auch für NVA-Soldaten. Bis Ende Juni 2011 sah das Gesetz einen Abschlag gegenüber der „Grundrente West“ vor.
Mehrere ehemalige NVA-Soldaten haben bis zum BSG gegen diesen Abschlag geklagt. Streitig war dabei zuletzt nicht mehr, ob dieser Abschlag im Grundsatz zulässig ist. Vielmehr rügten die Kläger eine unzureichende „Normenklarheit“: Es sei nicht erkennbar, wie sich der Abschlag berechnet. Grund ist, dass das Gesetz in seinen früheren Fassungen in einer nur schwer verfolgbaren „Normenkette“ auf den Einigungsvertrag und dieser wiederum auf weitere Vorschriften verwiesen hat.
Auch der früher zuständige Vierte BSG-Senat hatte da Zweifel und legte 2007 die Frage dem Bundesverfassungsgericht vor. Der nunmehr zuständige Fünfte Senat hielt 2010 die Vorlage aufrecht.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorlage jedoch mit Beschluss vom 04.06.2012 als unzulässig verworfen (AZ: 2 BvL 9/08). Das BSG habe nicht wirklich versucht, zu einer Auslegung der Vorschriften zu kommen. Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“. Das gelte insbesondere für Vorschriften, die nur gering in die Grundrechte eingreifen und auf die sich die Bürger nicht dauerhaft einstellen müssen.
Daran sah sich der Fünfte BSG-Senat nun gebunden. Es sei hiernach davon auszugehen, dass das Gesetz dem Gebot der Normenklarheit noch genügt hat. Maßgeblich sei dabei der „Verständnishorizont eines Juristen“. Mit dessen Auslegungsmethoden sei erkennbar, dass sich der Abschlag aus dem Verhältnis der „Standardrenten“ in den alten und den neuen Bundesländern ergibt.
Auch dass das Gesetz erst seit 2005 definiert, was eine „Standardrente“ überhaupt ist, sei nach den verfassungsrechtlichen Maßgaben aus Karlsruhe „ohne Bedeutung“. Denn auch zuvor habe sich „aus der maßgeblichen Sicht des rechtlich Kundigen“ ergeben, dass ein Rentner mit einer „typisierten Versicherungsbiografie“ und 45 „Entgeltpunkten“ gemeint sei. Das ist ein Rentner, der 45 Jahre lang Rentenbeiträge auf das im jeweiligen Jahr durchschnittliche Einkommen aller Arbeitnehmer gezahlt hat. Früher wurde hierfür der Begriff „Eckrente“ verwendet.
Inzwischen hat der Gesetzgeber den umstrittenen Paragrafen 84a des Bundesversorgungsgesetzes erneut geändert und damit das Problem auf andere Art gelöst. Er ordnet nunmehr an: „Die Maßgabe nach Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nummer 1 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 3 des Einigungsvertrages vom 31.08.1990 (BGBl. 1990 II S. 885, 1067) ist ab dem 01.07.2011 nicht mehr anzuwenden.“. Was bedeutet, wie kundige Volljuristen bestätigen: Der Abschlag entfällt seit Juli 2011.
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