Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder

Kanzlei Blaufelder
71638, Ludwigsburg
01.10.2013

Das LAG Baden-Württemberg schießt gegen das Bundesarbeitsgericht

© Alexander Steinhof - Fotolia.comSind Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber zwei Jahre ohne sachlichen Grund befristet eingestellt worden, sind weitere grundlose Befristungen nicht mehr möglich. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am Dienstag, 01.10.2013, bekanntgegebenen Urteil entschieden (AZ: 6 Sa 28/13). Es stellte sich damit gegen die neuere, anderslautende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG).

Konkret ging es um einen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie, der bereits 2007 für ein halbes Jahr ohne sachlichen Grund befristet eingestellt war. Ab Februar 2011 erhielt er mehrere weitere Arbeitsverträge, die über einen Zeitraum von insgesamt zwei Jahren grundlos befristet wurden. Der Arbeitnehmer hielt die letzte Befristung für rechtswidrig und verlangte eine unbefristete Einstellung.

Nach dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge dürfen Arbeitgeber nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Arbeitsvertrag befristen. Wird für eine Befristung ein sachlicher Grund, wie beispielsweise eine Schwangerschaftsvertretung, angegeben, sind mehrfache Befristungen praktisch unbegrenzt zulässig.

Befristet der Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag dagegen wie im konkreten Fall ohne sachlichen Grund, ist dies nach dem Gesetz nur für neue Arbeitnehmer und nur für einen Zeitraum von insgesamt zwei Jahren erlaubt. Wer genau als „neuer Arbeitnehmer“ zu bezeichnen ist, ist jedoch strittig. Laut Gesetz darf der Arbeitnehmer nicht „bereits zuvor“ bei demselben Arbeitgeber befristet oder unbefristet beschäftigt gewesen sein.

Der 2. Senat des BAG hatte in der Vergangenheit den Passus „bereits zuvor“ so gewertet, dass der Arbeitnehmer niemals in einem Beschäftigungsverhältnis zu seinem Arbeitgeber gestanden haben darf. Diese Rechtsprechung hatte der 7. BAG-Senat 2011 jedoch geändert und die gesetzlichen Bestimmungen “verfassungskonform” ausgelegt. Die Erfurter Richter hatten sich nun an der im Zivilrecht geltenden gesetzlichen Verjährungsfrist von drei Kalenderjahren orientiert. Liegt danach die Befristung ohne sachlichen Grund mehr als drei Kalenderjahre zurück, könne der Arbeitgeber wieder neu ein grundlos befristetes Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer eingehen (AZ: 7 AZR 716/09). Es würde ansonsten ein Einstellungshindernis darstellen, wenn Arbeitgeber nach einer längeren Zeit nicht noch einmal einen Beschäftigten ohne sachlichen Grund einstellen können.

Das LAG konnte diese neuere BAG Rechtsprechung in seinem jetzt verkündeten Urteil vom 26.09.2013 nicht nachvollziehen. Im Gesetzeswortlaut oder auch in der Gesetzesbegründung sei von keiner Frist die Rede. Wolle der Gesetzgeber grundlose Mehrfachbefristungen über den Zweijahreszeitraum hinaus zulassen, müsse er dies gesetzlich regeln. Mit der Festlegung auf die Dreijahresfrist habe das BAG „die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung gegen den eindeutigen Wortlaut der Norm“ überschritten.

Die obersten Arbeitsrichter hätten vielmehr die gesetzliche Bestimmung zur Befristung ohne sachlichen Grund dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorlegen müssen. Da die Rechtsprechung des 7. BAG-Senats von der des 2. Senats abweicht, hätte auch der Große Senat des BAG angerufen werden müssen. Diesem gehören neben der BAG-Präsidentin auch Richter aus allen Senaten sowie sechs ehrenamtliche Richter an. Der Große Senat klärt dabei Rechtsfragen, die von einzelnen Senaten unterschiedlich bewertet werden.

Im jetzt entschiedenen Fall hat das LAG die Revision zum BAG zugelassen.

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