Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder

Kanzlei Blaufelder
71638, Ludwigsburg
08.12.2020

Crowdworker können Arbeitnehmer sein

Bundesarbeitsgericht verweist auf geringen Spielraum durch Vorgaben und Anreize

Sogenannte Crowdworker, die „Mikroaufträge“ einer Internetplattform abarbeiten, können Arbeitnehmer dieser Plattform sein. Nach einem am 01.12.2020 verkündeten Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt ist dies dann der Fall, wenn die „Crowdsourcing-Plattform“ enge Vorgaben macht und zudem Anreize setzt, die den Crowdworkern kaum Spielraum für eine eigenständige Gestaltung der Arbeit lassen (AZ: 9 AZR 102/20).

Im Streitfall geht es um ein Unternehmen, das die Präsentation von Markenprodukten in Einzelhandelsgeschäften und an Tankstellen kontrolliert. Entsprechende Aufträge der Kunden teilte das Unternehmen in Kleinstaufträge für einzelne Läden auf und bot diese auf einer Crowdsourcing-Plattform im Internet an. Für die Crowdworker gab es dabei enge Vorgaben; sie mussten insbesondere Fotos von der Produktpräsentation machen. Sie konnten Aufträge frei auswählen oder auch ablehnen, mussten angenommene Aufträge aber zeitnah erledigen. Die bisherige „Erfahrung“ erhöhte die Vergütung.

Der Kläger verdiente durchschnittlich 1.750,00 € pro Monat bei einer Arbeit von 20 Stunden pro Woche. Im April 2018 teilte die Crowdsourcing-Plattform mit, sie werde keine weiteren Aufträge mehr anbieten. Zuletzt hatte der Kläger in einem Zeitraum von elf Monaten 2.978 Aufträge abgearbeitet.

Mit seiner Klage wollte der Crowdworker festgestellt wissen, dass ein Arbeitsverhältnis zum Plattformbetreiber besteht. Zudem forderte er Lohn auch für Urlaub und Krankheit nach.

BAG gibt dem Kläger Recht

Das BAG entschied, dass hier ein Arbeitsverhältnis bestand. Das sei der Fall, wenn die Arbeit fremdbestimmt und in persönlicher Abhängigkeit erfolgt. „Für ein Arbeitsverhältnis spricht es, wenn der Auftraggeber die Zusammenarbeit über die von ihm betriebene Online-Plattform so steuert, dass der Auftragnehmer infolge dessen seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten kann.“

Hier habe der Plattformbetreiber genau vorgegeben, wie die einzelnen Kleinstaufträge abzuwickeln sind. Zudem habe er wirtschaftliche Anreize gesetzt, damit Crowdworker kontinuierlich mitmachen, jeweils ein „Bündel“ von Aufträgen annehmen und dies zeitnah abarbeiten. Denn nur so seien Routen möglich gewesen, die die Arbeit wirtschaftlich machen.

Während des Verfahrens hatte hier die Crowdsourcing-Plattform allerdings ein mögliches Arbeitsverhältnis vorsorglich gekündigt, und der Kläger hatte sich danach nicht auf Kündigungsschutz berufen. Daher sei diese Kündigung wirksam, entschied das BAG. Inwieweit dem Crowdworker noch Lohn-Nachzahlungen zustehen, soll das Landesarbeitsgericht München noch prüfen.

 

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