Gewerkschaftsmitglieder müssen keinen neuen Arbeitsvertrag unterschreiben
Ist auch der Arbeitgeber tarifgebunden, ergeben sich für Gewerkschaftsmitglieder die Ansprüche aus einem Tarifvertrag automatisch. Es ist nicht zulässig, dass die Tarifvertragsparteien dies von einer Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag abhängig machen, urteilte am 13.05.2020 das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (AZ: 4 AZR 489/19). Als Folge können Arbeitgeber die vermeintliche Notwendigkeit eines neuen Arbeitsvertrags nicht nutzen, um den Beschäftigten auch andere, für sie ungünstige Änderungen unterzuschieben.
Damit sprach das BAG einer Arbeitnehmerin aus Hessen Lohnansprüche aus Tarifverträgen der IG Metall zu. Diese hatte die Gewerkschaft 2015 mit dem Unternehmensverband Industrieservice und Dienstleistungen abgeschlossen. Der Arbeitgeber war zwar nicht Mitglied des Verbandes, hatte den Tarifvertrag aber mit unterschrieben.
Nach den Tarifverträgen sollten Arbeitnehmer die daraus erwachsenden Ansprüche nur dann geltend machen können, wenn eine sogenannte Bezugnahmeklausel im jeweiligen Arbeitsvertrag auf die Tarifverträge verweist.
Hier bot der Arbeitgeber der Klägerin einen neuen Arbeitsvertrag mit Bezugnahmeklausel an. Allerdings nutzte der Arbeitgeber die Gelegenheit auch zu weiteren, für die Arbeitnehmer nachteiligen Änderungen.
Der Klägerin war dies aufgefallen. Sie strich diese unerwünschten Änderungen durch, bevor sie den Vertrag unterschrieb. Dennoch verlangte sie den sich aus den Tarifverträgen ergebenen höheren Lohn.
Der Arbeitgeber meinte, dies stehe ihr nicht zu. Denn mit den Streichungen habe sie den neuen Arbeitsvertrag letztlich insgesamt abgelehnt.
Das BAG bestätigte zwar, dass die Arbeitnehmerin den angebotenen neuen Arbeitsvertrag abgelehnt hat. Dies stehe Ansprüchen aus den Tarifverträgen aber nicht entgegen. Eine Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag sei nicht erforderlich.
„Der Klägerin stehen schon aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit Ansprüche aus den Tarifverträgen zu“, urteilten die Erfurter Richter. Dies dennoch von einer „arbeitsvertraglichen Nachvollziehung“ abhängig zu machen, liege „außerhalb der tariflichen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien“. Eine entsprechende Klausel sei daher unwirksam.
Gleiches ergebe sich auch aus dem sogenannten Günstigkeitsprinzip. Nach diesem im Tarifvertragsgesetz verankerten Grundsatz gilt bei ungleichen Regelungen im Arbeits- und Tarifvertrag immer diejenige, die für den Arbeitnehmer günstiger ist.
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