Erhalten Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen Änderungskündigungen, zählt dies als „Entlassung“. Selbst wenn Beschäftigte die Änderungskündigung angenommen haben, kann damit der Arbeitgeber zur Anzeige der Kündigungen bei der Arbeitsagentur verpflichtet sein, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Mittwoch, 20.08.2014, veröffentlichten Urteil (AZ: 2 AZR 346/12).
Will ein Arbeitgeber betriebsbedingt mehrere Arbeitnehmer entlassen, muss er ab einem bestimmten Schwellenwert dies der Arbeitsagentur schriftlich anzeigen. Andernfalls sind die Kündigungen unwirksam. So sieht das Kündigungsschutzgesetz vor, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern eine Anzeigepflicht besteht, wenn zehn Prozent oder mehr als 25 Arbeitnehmer innerhalb eines Monats „entlassen“ werden sollen.
Im konkreten Rechtsstreit hatte ein Softwareunternehmen aus Bayern regelmäßig nicht mehr als 170 Arbeitnehmer beschäftigt. Wegen Umsatzeinbußen und damit zusammenhängende Umstrukturierungsmaßnahmen wurde der Kläger, ein Diplominformatiker, gekündigt. Das Unternehmen sprach zudem weitere 17 Kündigungen aus, darunter zwei Änderungskündigungen.
Die Änderungskündigungen, bei denen die zwei Beschäftigten unter geänderten Vertragsbedingungen weiterarbeiten sollten, wurden unter Vorbehalt akzeptiert.
Der Kläger hielt seine Kündigung für unwirksam. Zum einen seien die vorgebrachten Umsatzeinbußen nicht dauerhaft und begründeten nicht die betriebsbedingte Kündigung. Zum anderen habe der Arbeitgeber es versäumt, die Kündigungen bei der Arbeitsagentur anzuzeigen.
Der Arbeitgeber sah keine Anzeigepflicht. Bei 170 Beschäftigten müsse erst ab 17 zu entlassenden Arbeitnehmern die Arbeitsagentur informiert werden. Tatsächlich sei aber nur bei 16 Beschäftigten das Arbeitsverhältnis beendet worden. Die zwei Arbeitnehmer, die eine Änderungskündigung erhalten haben, seien nicht „entlassen“ – sie würden ja weiter arbeiten.
Das BAG folgte dem in seinem Urteil vom 20.02.2014 nicht. Auch eine Änderungskündigung gilt als „Entlassung“. Diese zähle daher auch bei der Berechnung des Schwellenwertes mit, ab wann ein Arbeitgeber eine Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur vornehmen muss.
Als „Entlassung“ gelte eine Kündigungserklärung. Das Gesetz unterscheide nicht zwischen unterschiedlichen Formen der Kündigung. „Auch wenn die Änderungskündigung im Ergebnis lediglich auf eine Änderung der Vertragsbedingungen zielt, handelt es sich bei ihr doch – wegen der mit ihr verbundenen Kündigungserklärung – um eine ‚echte‘ Kündigung, stellte der 2. BAG-Senat klar.
Die Arbeitsagentur müsse zudem die Möglichkeit haben, selbst bei Änderungskündigungen nach Lösungen und Problemen im Betrieb zu suchen. Denn weder Arbeitgeber noch Arbeitsverwaltung könnten wissen, ob der betroffene Arbeitnehmer das Änderungsangebot annimmt oder dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung steht.
Hier habe der Arbeitgeber 18 Personen entlassen und damit den Schwellenwert für eine Anzeige bei der Arbeitsagentur überschritten. Da er die Anzeige versäumt habe, sei die Kündigung des Klägers schon allein deshalb unwirksam.
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