Beschäftigte eines Krematoriums dürfen das Zahngold Verstorbener nicht einfach behalten. Gehört das Einsammeln von Edelmetallen zur Aufgabe des Beschäftigten, muss er die Gegenstände an seinen Arbeitgeber abgeben, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 26.06.2013 (AZ: 5 Sa 110/12). Denn erlange der Arbeitnehmer aus seinen vom Arbeitgeber beauftragten Arbeiten einen Vorteil, bestehe eine Herausgabepflicht. Dies gelte nicht nur für Bonusmeilen oder Schmiergelder, sondern auch für aufgefundenes Zahngold aus der Asche Verstorbener.
Damit muss ein früherer Beschäftigter eines Hamburger Krematoriums seinem Arbeitgeber 255.610,00 € Schadenersatz zahlen. Der Mann wurde als Bediener der Einäscherungsanlage für die Verstorbenen eingesetzt. Zu seinen Aufgaben zählte auch, aus der Totenasche Wertgegenstände wie Zahngold, Schmuck oder Prothesen herauszunehmen und dem Arbeitgeber zu übergeben.
Die Edelmetalle wurden dann zugunsten der Kinderkrebshilfe verkauft. Der Verkaufserlös von Prothesen wurde zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Krematorium eingesetzt. 2003 wies der Arbeitgeber in einem Schreiben alle Mitarbeiter darauf hin, dass an der Leiche befindlicher Schmuck nicht eigenmächtig entfernt werden dürfe. In einer weiteren Erklärung wurde mit der fristlosen Kündigung und einer Strafanzeige gedroht, falls Mitarbeiter Wertgegenstände wie Zahngold aus den Einäscherungsrückständen für sich entnehmen.
Doch das Zahngold in der Totenasche war offenbar zu verlockend. Als im Oktober 2009 die Edelmetallrückstände aus der Asche der Verstorbenen zur Weiterverwertung an ein neues Unternehmen verkauft wurden, wurden Unstimmigkeiten bemerkt. Das Unternehmen wunderte sich, dass in anderen Krematorien mit nur rund zehn Prozent der Einäscherungen der Hamburger Anlage die zehn- bis 15-fache Menge an Edelmetalle anfallen würde.
Daraufhin verständigte der Krematoriumsbetreiber die Polizei. Mit einer versteckten Kamera wurde der Kläger überrascht, wie er aus der Totenasche etwas an sich nahm. Bei Durchsuchungen fanden sich bei dem Kläger Überweisungsgutschriften einer Scheideanstalt für geliefertes Zahngold und andere Edelmetalle. Zwischen 2003 und Ende 2009 kamen so 255.610,00 € zusammen.
Dem Mann wurde fristlos gekündigt. Außerdem forderte sein Arbeitgeber Schadenersatz.
Der Krematoriumsmitarbeiter hielt die Schadenersatzforderung für rechtswidrig. Das Krematorium sei gar nicht Eigentümer des Zahngoldes oder der anderen Wertgegenstände gewesen. Daher sei dem Krematorium auch kein Schaden entstanden.
Der Krematoriumsbetreiber meinte dagegen, dass mit der Übernahme des Verstorbenen ein Gewahrsamsverhältnis entstanden sei. Wertgegenstände wie Zahngold seien damit in ihr Eigentum übergegangen.
Das LAG ließ jedoch offen, ob der Krematoriumsbetreiber das Zahngold in sein Eigentum nehmen konnte. Das Edelmetall sei als „herrenlose Sache“ anzusehen. Einerseits könne in solch einem Fall durch „Inbesitznahme“ Eigentum erworben werden, andererseits könnten auch die Erben des Verstorbenen Ansprüche geltend machen.
In jedem Fall habe der Arbeitnehmer das Zahngold und andere Wertgegenstände der Verstorbenen nicht an sich nehmen dürfen, betonte das LAG. Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses sei es die Aufgabe des Beschäftigten gewesen, die Edelmetalle aus der Totenasche auszusortieren und an den Arbeitgeber zu übergeben. „Ein eigenes Recht zum Besitz, zur Wegnahme bestand nicht”, urteilten die Hamburger Arbeitsrichter.
Der Arbeitnehmer könne „neben der vereinbarten Arbeitsvergütung keine weiteren materiellen Vorteile aus seiner Arbeitsleistung verlangen“. Würden dennoch Vorteile erworben, müssten diese nach den gesetzlichen Bestimmungen an den Arbeitgeber herausgegeben werden. Dies gelte nicht nur für Bonusmeilen einer Fluggesellschaft oder für Schmiergelder, sondern eben auch für in der Totenasche aufgefundenes Zahngold.
Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zugelassen.
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