Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder

Kanzlei Blaufelder
71638, Ludwigsburg
22.08.2014

Arbeitslose müssen nicht mehr „stempeln gehen“

Decorative Scales of Justice in the CourtroomArbeitslose müssen nicht wie früher „stempeln gehen“, um ihr reguläres Arbeitslosengeld zu erhalten. Auch wenn ein Arbeitsloser mehrere Meldetermine versäumt hat, darf die Bundesagentur für Arbeit das Arbeitslosengeld I nicht automatisch streichen, heißt es in einem am Dienstag, 12.08.2014, veröffentlichten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel (AZ: B 11 AL 8/13 R). Danach kann die Arbeitsagentur ihre Zahlungen allerdings gegebenenfalls aussetzen.

Der Kläger war Vertriebsleiter bei einer großen Versicherung. Sein Arbeitsverhältnis wurde Ende 2007 gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Sein Arbeitslosengeld ruhte daher zunächst und wurde ab 06.07.2008 gezahlt.

Schon vor Leistungsbeginn hatte der Mann Vermittlungsvorschläge bekommen und war darüber mit der Arbeitsagentur in Streit geraten. Deshalb beharrte er darauf, Gespräche mit der Behörde per Diktiergerät aufzuzeichnen. Die Arbeitsagentur stimmte dem nicht zu, und so erschien der Arbeitslose auch nach Leistungsbeginn zu mehreren „Meldeterminen“ nicht.

Die Behörde nahm dies zum Anlass, ihre Zahlungen schon nach einem Monat wieder einzustellen. Der Mann habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil er für die Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur offenbar nicht zur Verfügung stehe.

Doch diese Schlussfolgerung ist so nicht zulässig, urteilte nun das BSG. Auch nach mehrfachem „Meldeversäumnis“ dürfe die Arbeitsagentur ihre Zahlungen nicht einfach streichen.

Ganz früher hätten Arbeitslose beim monatlichen Abholen ihres Geldes „stempeln gehen“, sprich sich persönlich melden müssen. Dieser „Stempeltermin“ sei in die neueren Gesetzesfassungen aber bewusst nicht übernommen worden, betonte das BSG.

Heute setzt die Zahlung von Arbeitslosengeld laut Gesetz voraus, dass der Arbeitslose „den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht“. Nach dem Kasseler Urteil bedeutet dies, dass er „objektiv verfügbar“, sprich erreichbar sein muss. Zudem müsse er „subjektiv verfügbar“ sein, sprich er muss für Vermittlungsvorschläge offen sein und muss zumutbare Vorschläge annehmen. Beides lasse sich aber nicht allein an den Meldeterminen festmachen.

Nach dem Kasseler Urteil ist die Arbeitsagentur in solchen Situationen allerdings nicht völlig machtlos. Wenn Arbeitslose jegliche Gesprächsbereitschaft vermissen lassen, könne sie dies durchaus als Indiz für eine fehlende Verfügbarkeit werden. Laut Gesetz könne sie die Zahlungen dann „bis zur Nachholung der Mitwirkung“ aussetzen.

Auch das endgültige Streichen des Arbeitslosengeldes sei nicht gänzlich ausgeschlossen. Dabei komme es aber „auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, so dass auch das Verhalten des Arbeitslosen außerhalb der Meldeversäumnisse zu würdigen ist“, heißt es in dem jetzt schriftlich veröffentlichten Kasseler Urteil vom 14.05.2014.

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