Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder

Kanzlei Blaufelder
71638, Ludwigsburg
20.11.2013

Arbeitnehmer in einem “heftigen Wut- und Erregungszustand”

© Fotowerk - Fotolia.comGeraten Arbeitnehmer wegen einer Arbeitsanweisung dermaßen in Wut, dass sie sich selbst verletzen, können sie trotzdem später vom Arbeitgeber Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verlangen. Nur wenn die Selbstverletzung auf grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten zurückzuführen ist, muss der Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung leisten, entschied das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) in Frankfurt am Main in einem am Montag, 18.11.2013, bekanntgegebenen Urteil (AZ: 4 Sa 617/13).

Im entschiedenen Rechtsstreit ging es um einen schmerzhaften Wutausbruch eines in Osthessen in einem Baumarkt beschäftigten Warenauffüllers. Der Mann brachte im August 2012 an seinem Gabelstapler ein provisorisches Plexiglasdach als Wetterschutz an. Doch der betriebliche Sicherheitsbeauftragte ließ dies aus Sicherheitsgründen nicht durchgehen und verlangte den Abbau des Plexiglasdachs.

Der Beschäftigte geriet daraufhin derart in Wut, dass er nicht nur mit Verpackungsmaterial um sich warf, sondern auch dreimal mit der Faust gegen ein aufgestelltes Verkaufsschild schlug. Dieses war zwar aus Hohlkammerschaumstoff, dahinter verbarg sich aber auch eine harte Holzstrebe.

Prompt traf der Arbeitnehmer diese mehrfach mit seiner Faust und brach sich dabei die Hand. Vom 09.08.2012 bis 19.09.2012 war er deshalb arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – insgesamt waren dies 2.662,52 € – wollte der Arbeitgeber jedoch nicht zahlen. Der Beschäftigte habe sich seine Verletzung vorsätzlich zugefügt. Spätestens nach dem ersten Schlag auf das Verkaufsschild hätte er die dahinter befindliche Holzstrebe spüren müssen.

Doch sowohl das Arbeitsgericht Offenbach als auch das LAG sprachen dem Arbeitnehmer die Lohnfortzahlung zu. Diese sei nur bei besonders leichtfertigem, grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Verhalten gegen sich selbst zu versagen. Bei dem Kläger liege jedoch allenfalls eine mittlere und keine grobe Fahrlässigkeit vor. Er hätte zwar bei „verständiger Betrachtung“ damit rechnen müssen, dass die Faustschläge auf das Schild zu Verletzungen führen können.

Der Mann habe sich aber in einem „heftigen Wut- und Erregungszustand“ befunden und sich in diesem Zeitpunkt nicht unter Kontrolle gehabt. Dies sei zwar leichtfertig und zu beanstanden, „aber menschlich gleichwohl nachvollziehbar“. Niemand habe sich jederzeit vollständig im Griff. Das Verhalten des Klägers sei daher nicht derart schuldhaft, „dass von besonderer Leichtfertigkeit oder grober Fahrlässigkeit die Rede“ sein könne, betonte das LAG in seinem Urteil vom 23.07.2013.

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