Kann ein Beinamputierter mit einer neuartigen mikroprozessorgesteuerten Beinprothese viel besser laufen, muss die gesetzliche Krankenkasse grundsätzlich die Kosten übernehmen. Eine Leistungspflicht besteht nur dann nicht, wenn es gleichwertige aber kostengünstigere Alternativen gibt oder wenn die Prothese lediglich bequemer und komfortabler ist, entschied das Sozialgericht München in einem am Montag, 13.10.2014, veröffentlichten Urteil (AZ.: S 29 KR 610/13).
Die Münchener Richter sprachen damit dem behinderten Kläger eine Oberschenkelprothese inklusive des mikroprozessorgesteuerten Kniegelenksystems „Genium-bionic“ zu. Der beinamputierte Mann hatte seit sieben Jahren eine sogenannte C-Leg-Prothese – ebenfalls mikroprozessorgesteuert – verwendet. Diese Beinprothese sei aber mittlerweile verschlissen, so der Kläger gegenüber seiner Krankenkasse.
Er beantragte daher eine neue Beinprothese mit dem „Genium-bionic“-Kniegelenksystem. Dieses verfüge über die neuesten Sensor-, Computer- und Regeltechniken. Damit sei es erstmals möglich, den physiologischen Gang eines Menschen naturgetreu nachzubilden. Ein natürlicheres Gehen und Stehen auf Neigungen, Steigungen und unebenem Gelände sei ebenfalls möglich. Mit der Prothese könne man sogar rückwärtsgehen.
Die Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme für die über 48.000,00 € teure Prothese ab. Die vorhandene C-Leg-Prothese sei ausreichend. Als Krankenkasse müsse sie nur für die Aufrechterhaltung eines Basisgehvermögens aufkommen.
Dem widersprach jedoch das Sozialgericht in seinem Urteil vom 21.05.2014. Die Versorgung mit der Beinprothese diene hier dem unmittelbaren Behinderungsausgleich. In solch einem Fall müsse die Krankenkasse das Ziel eines „vollständigen funktionellen Ausgleichs“ verfolgen. Ein wie auch immer zu bestimmendes Basisgehvermögen sei nicht der Maßstab.
Hier gebe es mit der neuen Prothese einen „erheblichen Gebrauchsvorteil“. Das Gehen mit dem Hilfsmittel ermögliche eine weitgehende Anpassung an das natürliche Gangbild eines Gesunden. Dies sei für die Kostenübernahme entscheidend.
Die Krankenkasse müsste nur dann nicht zahlen, wenn die Prothese keine deutlichen Gebrauchsvorteile aufweist und diese lediglich aus Bequemlichkeits- und Komfortgründen gewünscht wird. Auch bei gleichwertigen aber kostengünstigeren Alternativen bestehe keine Leistungspflicht der Kasse. Dies alles treffe bei dem Kläger aber nicht zu.
Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hatte bereits in mehreren Urteilen vom 16.09.2004 zu den C-Leg-Prothesen mit mikroprozessorgesteuertem Kniegelenk entschieden, dass diese gegenüber mechanischen Prothesen „wesentliche Gebrauchsvorteile“ aufweisen und daher von den Krankenkassen bezahlt werden müssen (AZ: B 3 KR 1/04 R, B 3 KR 67/04 R und B 3 KR 2/04 R).
Neben einer normalen Laufprothese können beinamputierte Versicherte auch eine zusätzliche süßwassergeeignete Badeprothese beanspruchen, so das BSG am 25.06.2009 in zwei weiteren Urteilen (AZ: B 3 KR 2/08 R und B 3 KR 19/08 R). Damit werde das Mobilitätsbedürfnis beispielsweise im häuslichen Bad und im Schwimmbad befriedigt.
Eine spezielle Salzwasser-Badeprothese müssen die Kassen nach einer weiteren Entscheidung jedoch nicht bezahlen; denn diese erfülle kein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens (AZ: B 3 KR 10/08 R).
Gleiches gelte für eine Sportprothese, mit der man beispielsweise besser Badminton spielen kann. Denn die Förderung des Freizeit- und Vereinssports gehöre nicht zu den Aufgaben der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung, entschied das Bundessozialgericht (BSG) am 21.03.2013 (AZ: B 3 KR 3/12 R).
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