Ein Klinikarzt darf grundsätzlich in einer privaten SMS an einen anderen Beschäftigten seinen Chef als „autistisches krankes Arschl…“ bezeichnen, ohne dass dies zur Kündigung führen muss. Denn die „vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 22.01.2015 (AZ: 3 Sa 571/14).
Konkret ging es um die ordentliche Kündigung eines in einem Krankenhaus beschäftigten Herzchirurgen. Wegen eines Personalengpasses im Mai 2014 hatte dieser mehrere SMS an eine medizinisch-technische Operationsassistentin geschickt, in der es um die Übernahme einer stundenweisen Rufbereitschaft ging.
Als die Frau zurückschrieb, dass mit dem Chef alles besprochen sei, antwortete der Herzchirurg offenbar im Glauben an eine vertrauliche Kommunikation: „Dann ist ja gut. Heute Morgen hat er nichts davon gesagt. Er ist und bleibt ein autistisches krankes Arschl… . Liebe Grüße“.
Doch die Operationsassistentin informierte den Chefarzt über die SMS-Kommunikation und die darin enthaltene Beleidigung.
Die Klinik kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2014. Die grobe Beleidigung begründe eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung. Das Argument des Herzchirurgen, dass es sich bei der beleidigenden SMS um einen „Irrläufer“ gehandelt habe und eigentlich eine andere Person gemeint sei, sei eine reine Schutzbehauptung.
Die Autorität des Chefarztes sei „massiv untergraben“ worden. Zwischen Ober- und Chefarzt sei das Vertrauensverhältnis so stark belastet, dass „eine gewisse Gefährdung der Patienten“ bei Operationen gegeben sei.
Der Kläger habe auch damit rechnen müssen, dass die Operationsassistentin – die frühere Lebensgefährtin des Herzchirurgen – die SMS an den Chefarzt weiterleitet.
Das LAG entschied, dass die Kündigung unwirksam sei und der Kläger Anspruch auf ein „qualifiziertes wohlwollendes Zwischenzeugnis“ habe. Grobe Beleidigungen des Vorgesetzten seien allerdings eine ernste Sache und könnten sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dass die beleidigende SMS ein „Irrläufer“ gewesen sein soll und eigentlich eine andere Person gemeint sei, sei hier als Schutzbehauptung des Herzchirurgen anzusehen.
Dennoch sei nach den Umständen des Einzelfalls die Kündigung hier zu Unrecht ergangen. Vertrauliche Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen unterfallen laut der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts „dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet“.
Arbeitnehmer dürften regelmäßig darauf vertrauen, dass ihre Äußerungen nicht nach außen getragen „und der Betriebsfrieden beziehungsweise das Vertrauensverhältnis nicht zerstört“ werde. Hebe der Gesprächspartner die Vertraulichkeit später auf, „geht dies rechtlich nicht zulasten des Arbeitnehmers“, urteilte das LAG.
Hier habe der Herzchirurg darauf vertrauen können, dass seine SMS tatsächlich vertraulich bleibt. Nur weil die Operationsassistentin die Vertraulichkeit missachtet und „sich in einer für den Arbeitnehmer unerwarteten Weise indiskret verhalten“ habe, sei die Störung des Betriebsfriedens eingetreten.
Doch selbst wenn man eine Pflichtverletzung des Klägers annehmen würde, hätte es im vorliegenden Fall nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch an einer Abmahnung gefehlt, so die Mainzer Richter.
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