In den Anmerkungen zum ersten Gebot habe ich hingewiesen auf die Möglichkeit, durch die Erhöhung des Absatzes anwaltlicher Dienstleistungen den wirtschaftlichen Erfolges der Kanzlei zu erhöhen. Es ist nun an der Zeit näher hierauf einzugehen. Konkret heißt das: Hier ist Gebot 9 und es lautet: Das Honorarkonzept soll die Mandantenbindung erhöhen und und die Gewinnung neuer Mandate fördern.
Die einfachste Art die Mandantenbindung zu erhöhen besteht vereinfacht ausgedrückt darin, potentielle und bereits vorhandene Mandanten der Kanzlei derart zu beeindrucken, dass sie fühlen, dass es für sie von Vorteil ist, mit der Kanzlei zusammenzuarbeiten.
Das geschieht zwar auch, aber nicht in erster Linie durch Äußerlichkeiten, wie die Lage der Kanzlei oder eine luxuriöse Kanzleieinrichtung. Weit nützlicher aus der Sicht des Mandanten sind Dr.- und Professorentitel, aber auch fachanwaltschaftliche Ausrichtung oder die Angabe von Interessen- oder Tätigkeitsschwerpunkten. Diese erwecken eine bestimmte Qualitätserwartung hinsichtlich der anwaltlichen Dienstleistung. Am wichtigsten für die Mandantenbindung aber ist die erlebte Qualität und das Gefühl des Mandanten, dass er unabhängig von der Honorarhöhe einen Gebrauchswert erhält, der größer ist als der Geldwert, den der Mandant als Honorar aufzuwenden hat. Mit anderen Worten: Der Nutzwert der anwaltlichen Leistung muss aus der Sicht des Mandanten größer sein als der aufzuwendende Geldwert. Als Unternehmer muss der Anwalt Gewinn erzielen, deshalb wäre es ein fataler Irrtum, wenn ein Anwalt/eine Anwältin glaubte er/sie müsste, um die Mandantenanbindung zu erhöhen oder um neue Mandanten zu gewinnen, den Geldwert ihrer Leistungen senken, d.h. niedrigere Honorare verlangen. Das würde über kurz oder lang zu einem finanziellen Desaster führen.
Die meisten Mandanten wissen aus Erfahrung, dass Dinge, die wenig kosten in der Regel auch weniger wert sind. Kein Mandant, der halbwegs bei Verstand ist, wird einen anwaltlich gefertigten Vertrag nach der Anzahl der Wörter oder Silben beurteilen, sondern nach den Vorteilen, die er aus der Vereinbarung zieht. Sollte der Mandant dennoch auf Erbsenzählerei beharren, tut der Anwalt/die Anwältin gut daran die Annahme des Mandates abzulehnen und seinem/ihrem Schöpfer dafür zu danken, dass dieser ihm/ihr Ärger und Streit erspart hat.