Rechtsanwalt Dr. Andreas Staufer

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13.09.2011

Rechtswegübergreifende Interventionswirkung

Das Bundessozialgericht (BSG) in KasselDer erste Senat des Bundessozialgerichts hatte heute über die rechtswegübergreifende Interventionswirkung einer Streitverkündung in einem vorausgegangenen Zivilverfahren zu entscheiden. BSG, Urteil vom 13.09.2011, Az. B 1 KR 4/11 R. 

Sachverhalt

Die Klägerin begleitete zwischen 2001 und 2003 als Ärztin qualifizierte Krankentransporte gesetzlich versicherter Patienten im Interhospitaltransfer, wenn die verlegende Klinik eine ärztliche Begleitung angeordnet hatte. Die anordnenden Krankenhäuser bezahlten der Klägerin diese Leistungen bis Ende 2001, lehnte es dann aber ab, die weiteren bis 2003 erbrachten Begleitleistungen gesondert zu vergüten. Unklar war, ob das ärztliche Honorar bereits in dem Pflegesatz der anordnenden Krankenhäuser enthalten war und damit die Krankenhäuser die Kosten der Transporte zu bezahlen hatten.

Die Klägerin befand sich daher in einer rechtlichen Grauzone, wer die Kosten der Verlegung zu tragen hat. Der bayerische Gesetzgeber nahm erst mit Inkrafttreten des neuen Rettungsdienstgesetzes (BayRDG)  im Jahr 2008 den Verlegungsarzt auf und regelte zugleich, wer die Kosten für diesen zu tragen hat.

Die Klägerin verklagte zunächst die Träger der anordnenden Kliniken vergeblich vor den Zivilgerichten auf ihr Honorar. Sie verkündete zusätzlich der Krankenkasse den Streit, die diesem Verfahren jedoch nicht beitrat. Das zuständige Oberlandesgericht wies die Berufung rechtskräftig mit der Begründung zurück, die Vergütung ärztlicher Leistungen beim Krankentransport sei von § 133, § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V mit umfasst, auf welche im BayRDG in der Fassung von 1998 verwiesen sei. Die Klage sei daher gegen die Krankenkassen zu richten.

Doch die anschließende Honorarklage vor den Sozialgerichten blieb ebenfalls erfolglos. Das LSG Bayern entschied, ein Anspruch der Klägerin ergebe sich nicht aus der Streitverkündung im zivilrechtlichen Verfahren. Die Interventionswirkungen nach §§ 74, 68 ZPO träten nicht rechtswegübergreifend ein. Es habe sich hierbei an einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1993 zu orientieren. Im Übrigen gebe es für den gegenüber der Beklagten geltend gemachten Einzelanspruch keine Rechtsgrundlage. 

Das Problem

Die Klägerin stand damit vor folgendem Problem: Die Zivilgerichte wiesen die Kosten den gesetzlichen Krankenkassen zu, die Sozialgerichte sahen die Krankenhäuser in der Pflicht. Die Entscheidungen kollidierten.

Mit ihrer Revision rügte die Klägerin dementsprechend eine Verletzung der § § 74, 68 ZPO. 

Letztlich blieb auch die Revision der Klägerin vor dem Bundessozialgericht erfolglos.

Nach Ansicht des BSG sei das LSG Bayern im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Vergütung der ärztlichen Begleitung von Verlegungsfahrten weder aufgrund der Interventionswirkung der Streitverkündung im Zivilprozess besteht noch sich aus dem Leistungserbringerrecht der GKV ergibt.

Das Besondere an dem Urteil:

Der erste Senat geht anders als der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1993 davon aus, dass die Interventionswirkung nicht nur in einem nachfolgenden Zivilrechtsstreit, sondern auch in einem nachfolgenden Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit zu beachten ist.

Dass die Revision dennoch scheiterte lag daran: Nach Ansicht des Senats erstreckte sich die Interventionswirkung in dem vorliegenden Fall nicht auf die Auffassung des OLG, Ansprüche der Klägerin seien in erster Linie gegen die gesetzlichen Krankenkassen zu richten. Insoweit handele es sich um so genannte überschießende Ausführungen, die den Wirkungen des § 68 ZPO nicht unterfallen. Das Urteil des Erstgerichts beruhte daher objektiv nicht auf der Zuweisung an die GKV.

Rechtsanwälte jedenfalls tuen gut daran, zukünftig eine Streitverkündung selbst dann zu erwägen, wenn der Folgeprozess in einem anderen Rechtsweg zu führen ist.

SG München - S 18 KR 1498/05 -
Bayerisches LSG - L 4 KR 167/08 -
Bundessozialgericht - B 1 KR 4/11 R – 

Quelle:
Bundessozialgericht

Nachtrag
Auch die Ärztezeitung berichtete hierüber am 16.09.2011:
Richter entscheiden: Niemand muss Ärztin bezahlen