Rechtsanwalt Dr. Andreas Staufer

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12.09.2013

Ärztekammern keine öffentlichen Auftraggeber

Vergaberecht: Nach einer heutigen Entscheidung des EuGH sind Ärztekammern keine öffentlichen Auftraggeber. 

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.10.2011, VII-Verg 38/11
EuGH, Urteil vom 12.09.2013 – C‑526/11, IVD GmbH & Co. KG gegen Ärztekammer Westfalen-Lippe

Sind Ärzte­kammern eine Einrichtung des öffentlichen Rechts und somit öf­fentliche Auftraggeber? Diese Frage hatte das OLG Düsseldorf in einem Vergabeverfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorgelegt. Bereits der Generalanwalt beim EuGH, Paolo Mengozzi, äußerte hierbei die Auffassung, dass Ärztekammern keine öffentlichen Auftraggeber seien. Der EuGH folgte nunmehr dieser Auffassung (Urteil).

Die Ärztekammer Westfalen-Lippe hatte Druck und Versand des eigenen Mitteilungsblatts sowie Anzeigenakquise und Abonnementsverkauf im Amtsblatt der Europäischen Union ausge­schrieben. In einem Nachprüfungsverfahren kam die Frage auf, ob die berufsständischen Kammern überhaupt hierzu verpflichtet sind. Im Wesentlichen ging es hierbei um die Auslegung des Art. 1 Abs. 9 UAbs. 2 c) VKR (Vergabekoordinierungsrichtlinie):

„Als ‚Einrichtung des öffentlichen Rechts’ gilt [demnach] jede Einrichtung, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, Rechtspersönlichkeit besitzt und überwiegend vom Staat, von Gebiets­körperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird, hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch Letztere unterliegt oder deren Verwal­tungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von den Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind.“

Nach Ansicht des EuGH ist dies dahin auszulegen, dass eine Einrichtung wie eine berufsständische Körperschaft des öffentlichen Rechts weder das Kriterium der überwiegenden Finanzierung durch die öffentlichen Stellen erfüllt, wenn sich diese Einrichtung überwiegend durch Beiträge ihrer Mitglieder finanziert, zu deren Festsetzung und Erhebung sie durch ein Gesetz ermächtigt wird, (…), noch das Kriterium der Aufsicht öffentlicher Stellen über ihre Leitung allein deshalb erfüllt, weil die Entscheidung, mit der sie die Höhe der Beiträge festsetzt, der Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde bedarf.

Die Entscheidung hat enorme Auswirkungen, betrifft sie schließlich nicht nur die Ärztekammern, sondern auch wissenschaftliche Hochschulen und verfasste Studentenschaften, berufsständische Vereinigungen (Rechtsanwalts-, Notar-, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer-, Architekten-, Ärzte- und Apothekerkammern), Wirtschaftsvereinigungen (Landwirtschafts-, Handwerks-, Industrie- und Handelskammern, Handwerksinnungen, Handwerkerschaften), Sozialversicherungen (Krankenkassen, Unfall- und Rentenversicherungsträger), Kassenärztliche Vereinigungen, Genossenschaften und Verbände.