Urteil des VG Wiesbaden vom 25.02.2008
VG Wiesbaden: vollstreckung, vorbereitende handlung, gebühr, fahrzeug, verkehr, verfügung, versicherungsschutz, einziehung, zustellung, ermessen
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Gericht:
VG Wiesbaden 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 E 1313/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Nr 254 StGebO, § 6a Abs 1 Nr
3 StVG, § 25 Abs 4 FZV
(Gebühren für Maßnahmen der Vollstreckung)
Leitsatz
Die Gebührennummer 254 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr
(GebOSt) ist auch anwendbar für Maßnahmen der Vollstreckung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung
abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Am 26.09.2007 ging dem Beklagten eine Mitteilung des früheren
Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers der Klägerin zu, wonach für das Kraftfahrzeug
der Klägerin seit 01.09.2007 der Versicherungsschutz nicht mehr bestehe.
Daraufhin forderte der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 28.09.2007 zur
Vorlage einer Deckungskarte oder aber zur Vorlage der Fahrzeugpapiere und der
Kennzeichen zur Außerbetriebsetzung des Fahrzeuges auf. Für den Fall, dass die
Klägerin dieser Aufforderung nicht bis zum 08.10.2007 folgen sollte, drohte der
Beklagte der Klägerin die zwangsweise Außerbetriebsetzung an. Nachdem die
Klägerin dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, wurde der Vollzugsdienst
des Beklagten am 10.10.2007 beauftragt, das Kraftfahrzeug der Klägerin außer
Betrieb zu setzen.
Am 19.10.2007 ging dem Beklagten eine Deckungskarte des neuen
Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers zu, wonach ab dem 19.10.2007 für das
Fahrzeug der Klägerin Versicherungsschutz bestehe.
Mit Bescheid vom 25.10.2007 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin unter
Bezugnahme auf die Gebührennummer 254 der Gebührenordnung für
Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) eine Gebühr in Höhe von 76,70 € fest.
Darüber hinaus setzte der Beklagte als Kosten für die Zustellung 5,60 € fest. Zur
Begründung berief sich der Beklagte auf eine Verfügung des Dienststellenleiters,
nach der für die Vollstreckung, gestuft nach dem jeweiligen Stand der
Vollstreckung, Gebühren von 76,70 € bis 281,-- € erhoben werden.
Auf den am 26.10.2007 zugestellten Bescheid hat die Klägerin am 23.11.2007
Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, eine Vollstreckung habe nicht vorgenommen werden
dürfen, da dem Beklagten bereits vor dem 25.10.2007 eine Deckungskarte
vorgelegen habe. Im Übrigen sei auch am 10.10.2007 niemand bei der Klägerin
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vorgelegen habe. Im Übrigen sei auch am 10.10.2007 niemand bei der Klägerin
erschienen, um Vollstreckungsmaßnahmen vorzunehmen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 25.10.2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, sein Bescheid vom 25.10.2007 sei rechtmäßig. Die
gegenüber der Klägerin festgesetzte Gebühr sei bereits durch den Auftrag zur
Vollstreckung verursacht worden. Im Übrigen habe am 10.10.2007 auch ein
Vollstreckungsversuch stattgefunden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 25.10.2007 ist rechtmäßig.
Der Beklagte ist befugt gewesen, unter Bezugnahme auf die Gebührennummer
254 der GebOSt eine Gebühr in Höhe von 76,70 € festzusetzen. Nach dieser
Gebührennummer können für sonstige Anordnungen u. a. auch nach der
Fahrzeug-Zulassungsverordnung Gebühren von 14,30 € bis 286,-- € festgesetzt
werden. Satz 2 der Gebührennummer 254 schreibt weiter vor, dass die Gebühr
auch fällig ist, wenn die Voraussetzungen für die Anordnung erst nach Einleiten der
Zwangsmaßnahme beseitigt sowie nachgewiesen worden sind. Das erkennende
Gericht hatte bislang aus diesem Satz den Schluss gezogen, dass der genannte
Gebührentatbestand erst dann erfüllt ist, wenn Zwangsmaßnahmen eingeleitet
worden sind. Zur Begründung hatte das Gericht u. a. ausgeführt, dass Satz 2 der
Ziffer 254 überflüssig wäre, wenn man bereits im Falle einer Anordnung nach § 25
Abs. 4 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (dies ist vorliegend die gesetzliche
Grundlage, nach der die Klägerin aufgefordert werden durfte, ihr Fahrzeug außer
Betrieb zu setzen) davon ausgehen würde, die Voraussetzungen des
Gebührentatbestandes wären erfüllt. Das Gericht hatte in diesem Zusammenhang
weiter ausgeführt, es könne grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass
der Normgeber überflüssige Regelungen erlasse, es sei denn, andernfalls
entstünde eine nicht hinnehmbare Wertungslücke die vom Normgeber so nicht
gewollt sein würde. Eine solche Lücke hatte das Gericht nicht erkennen können
(VG Wiesbaden, Urteil vom 08.05.2007, 7 E 325/07(1)). Der Hessische
Verwaltungsgerichthof hat dieses Urteil am 24.10.2007 aufgehoben (5 UE
1071/07). Zur Begründung hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof u. a.
ausgeführt, der 2. Absatz der Gebührennummer 254 enthalte allein eine
Klarstellung.
Das erkennende Gericht folgt nunmehr aus prozessökonomischen Gründen dieser
Ansicht des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs. Darüber hinaus geht das
erkennende Gericht aber auch davon aus, dass die Gebührennummer 254 der
GebOSt auch eine Grundlage für die Gebührenfestsetzung für
Vollstreckungsmaßnahmen enthält, die im Zusammenhang mit einer
Fahrzeugstilllegung stehen (a. A. OVG Koblenz, Beschluss vom 19.03.2007, 7 A
11632/06.OVG und VG Stuttgart, Urteil vom 23.10.2007, 10 K 2765/06). Vor
diesem Hintergrund kann vorliegend offen bleiben, ob der an die Vollziehungsstelle
gerichtete Auftrag zur Vollstreckung bereits als Vollstreckungsmaßnahme
anzusehen ist oder lediglich als eine die Vollstreckung vorbereitende Handlung.
Maßnahmen, die (noch) keinen Vollstreckungscharakter haben und im
Zusammenhang mit der Stilllegung eines Kraftfahrzeugs stehen, fallen nach der
Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (a. a. O.) ohne weiteres
in den Anwendungsbereich der Gebührennummer 254.
Die GebOSt beruht u. a. auf § 6 a Abs. 1 Nr. 3 StVG. Hiernach werden Kosten
(Gebühren und Auslagen) für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Stilllegung
von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern erhoben. Gemäß § 6 a Abs. 2
Satz 1 StVG wird das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
ermächtigt, die gebührenpflichtigen Amtshandlungen sowie die Gebührensätze für
die einzelnen Amtshandlungen durch Rechtsverordnung zu bestimmen und dabei
feste Sätze oder Rahmensätze vorzusehen.
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In der ursprünglichen Fassung des Gebührentatbestandes (vgl. Ziffer 245 der Ge-
bührenordnung vom 26.06.1970 (BGBl. I Seite 865)) war zwar noch ausdrücklich
von der zwangsweisen Einziehung des Kraftfahrzeugbriefs und des
Kraftfahrzeugscheins und der Entstempelung des amtlichen Kennzeichens die
Rede. Auch in der Fassung des Jahres 1993 (BGBl. I Seite 1683) wurde in der
Gebührennummer 254 noch die zwangsweise Einziehung des Führerscheins in
Bezug genommen. Seit der Neufassung aus dem Jahre 1998 fehlt es allerdings in
Satz 1 der Gebührennummer 254 an einer ausdrücklichen Bezugnahme auf
Zwangsmaßnahmen.
Wie bereits oben festgestellt, enthält aber Satz 2 der Gebührennummer 254
weiterhin eine Bezugnahme auf die Zwangsmaßnahme, so dass - da sich aus der
geschilderten
Entstehungsgeschichte der nunmehrigen Gebührennummer 254 nichts anderes
ergibt - auch weiterhin davon auszugehen ist, dass die Gebührennummer 254
(auch) für Vollstreckungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Stilllegung von
Kraftfahrzeugen zur Anwendung kommt. Dem kann nicht mit Erfolg
entgegengehalten werden, der Bundesgesetzgeber sei nicht befugt gewesen, eine
Regelung betreffend Verwaltungsgebühren vorzunehmen (so OVG Koblenz, a. a.
O.). Artikel 84 Abs. 1 GG a. F. ermächtigte den Bundesgesetzgeber mit
Zustimmung des Bundesrates auch das Verwaltungsverfahren und
dementsprechend auch die Verwaltungsgebühren zu regeln (vgl. Jarass/Pieroth,
GG, 9. A., 2007, Art. 84 Rn. 5). Ausweislich des Gesetzes zur Änderung von
Kostenermächtigungen, sozialversicherungsrechtlichen und anderen Vorschriften
vom 23.06.1970 (BGBl. I Seite 805) hat der Bundesrat der Schaffung des § 6 a
StVG zugestimmt, so dass der Bundesgesetzgeber auch befugt gewesen ist,
hinsichtlich der Vollstreckungsmaßnahmen Regelungen zu den
Verwaltungsgebühren zu erlassen.
Die von dem Beklagten erhobene Gebühr von 76,70 € ist auch in der Höhe nicht
zu beanstanden. Die Gebührennummer 254 räumt der Behörde einen
Gebührenrahmen von 14,30 € bis 286,-- € ein. Der Beklagte hat offensichtlich
unter Bezugnahme auf den Erlass des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft,
Verkehr und Landesentwicklung vom 29.03.1999 das ihm zustehende Ermessen
durch Beschreibung mehrerer Stufen des Vollstreckungsverfahrens konkretisiert.
Laut der Verfügung des Dienststellenleiters, die dem Bescheid vom 25.10.2007
beigefügt ist, wird für einen erteilten Auftrag zur Außerbetriebsetzung ohne
Tätigwerdung der Vollstreckungsstelle eine Gebühr von 76,70 € erhoben.
Anhaltspunkte dafür, dass diese Konkretisierung des Ermessens unangemessen
wäre, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Ein solcher Auftrag wurde erteilt mit
der Folge, dass die Gebühr in Höhe von 76,70 € entstanden ist. Vor diesem
Hintergrund ist es auch unerheblich, ob am 10.10.2007 tatsächlich
Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen wurden.
Die Geltendmachung der Postzustellungskosten ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 1
GebOSt.
Als unterlegene Beteiligte hat die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten
des
Verfahrens zu tragen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO in Verbindung mit § 167 VwGO.
Das Gericht lässt die Berufung im Hinblick auf § 124 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit
§ 124a Abs. 1 VwGO zu. Wie bereits oben mitgeteilt, gehen das OVG Koblenz und
das VG Stuttgart davon aus, dass die Gebührennummer 254 der GebOSt
bezüglich Vollstreckungsmaßnahmen nicht zur Anwendung kommen kann. Der
Hessische Verwaltungsgerichtshof hat zwar im Beschluss vom 07.03.2002 (5 TZ
3277/01) die Gebührennummer 254 auch für solche Maßnahmen zur Anwendung
gebracht. Allerdings enthält diese Entscheidung keine nähere Begründung, warum
auch für Vollstreckungsmaßnahmen die Voraussetzungen des
Gebührentatbestandes gegeben sind. Da vorliegend die Ansicht vertreten wird,
dass die Gebührennummer 254 auch für solche Maßnahmen herangezogen
werden kann und im Hinblick darauf hier offen gelassen worden ist, ob die
Beauftragung des Vollzugsdienstes bereits als Vollstreckungsmaßnahme
anzusehen ist, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.