Urteil des VG Wiesbaden vom 20.03.2007
VG Wiesbaden: hessen, in ungerechtfertigter weise, eugh, europäisches recht, lizenz, anbieter, europarecht, beschränkung, dienstleistungsfreiheit, ausschluss
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Gericht:
VG Wiesbaden 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 E 1329/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 43 EGVtr, Art 49 EGVtr, Art
12 Abs 1 GG, § 1 SportWettG
HE 1998, § 5 SportWettG HE
1998
(Derzeit keine Genehmigung für ausländische Wettanbieter
mit Lizenz eines anderen EU-Staates für Wettangebote in
Hessen)
Leitsatz
Nach der derzeit geltenden Rechtslage in Hessen können ausländische Anbieter, die
über eine Lizenz eines anderen EU-Staates verfügen, keine Genehmigung erhalten, die
ihnen ein Wettangebot in Hessen ermöglicht.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine nach britischem Recht organisierte Gesellschaft mit Firmensitz
in C.. Sie ist im Besitz einer Buchmacherlizenz aus Großbritannien.
Die Klägerin möchte auf dem Gebiet des Bundeslandes Hessen Online-
Sportwetten anbieten, die sie in Großbritannien organisiert. Dort betreibt sie
Internetserver, über die die Sportwetten online zugänglich sind. Kunden können
sich entweder auf der Website anmelden und weltweit über das Internet auf das
Angebot zugreifen oder über Terminals in Wettannahmestellen die
entsprechenden Wetten platzieren, die dann an die Klägerin in Großbritannien
übermittelt werden.
Mit Schreiben vom 24.03.2006, eingegangen am 27.03.2006, beantragte die
Klägerin beim Beklagten die Feststellung, dass ihre britische Genehmigung auch
im Bundesland Hessen gelte und ihr die Veranstaltung von Online-Sportwetten in
Hessen gestattet sei, insbesondere dass ihre Lizenz eine Erlaubnis i.S.d. § 284
StGB darstelle.
Hilfsweise beantragte die Klägerin die Erteilung einer Genehmigung bzw. die
vorläufige Duldung ihrer Tätigkeit.
Ein Genehmigungsverfahren für das spezielle Geschäftsfeld der Klägerin existiere
in Deutschland derzeit nicht. Die das Angebot der Klägerin verbietenden Normen
in Deutschland hielten einer europarechtlichen Kontrolle nicht Stand. Das
Lizensierungsverfahren sei nach dem Recht des Geschäftssitzes der Klägerin
erfolgreich durchgeführt und abgeschlossen worden. Gewerberechtliche Bedenken
stünden einer Genehmigung nicht entgegen. Dies gelte auch für die hilfsweise
beantragte Duldung.
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Mit Schreiben vom 03.04.2006 teilte der Beklagte unter Berufung auf das Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 mit, dass der Antrag nur
abgelehnt werden könne. Allein das Land Hessen sei befugt, innerhalb seines
Staatsgebietes Sportwetten zu veranstalten. Da mit der sachlichen Bearbeitung
des Antrags noch nicht begonnen worden sei, könne das Verfahren gebührenfrei
durch Rücknahme des Antrags beendet werden.
Dazu ließ die Klägerin vortragen, die Rechtslage sei durch die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts nicht abschließend geklärt. Es bestünden nach wie vor
europarechtliche Bedenken. Übergangsregelungen - wie sie das
Bundesverfassungsgericht vorgegeben habe - seien dem Europarecht im Bereich
der Grundfreiheiten fremd. Die Anwendung des § 284 StGB verstoße gegen
Gemeinschaftsrecht und sei damit ausgeschlossen. Im Übrigen habe Lotto-
Hessen bislang die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts noch nicht
ausreichend umgesetzt.
Die geforderten Unterlagen zum Antrag vom 24.03.2006, der weiterverfolgt werde,
würden nachgereicht.
Zur Klarstellung sei darauf hinzuweisen, dass hier nur die Vermittlung von online
abgewickelten Sportwetten beantragt sei. Darunter verstehe die Klägerin sowohl
das Angebot von Sportwetten über eine allgemein zugängliche Website als auch
die online durchgeführte Übermittlung von Sportwetten an Wettterminals in
Wettbüros der Klägerin in Deutschland zum eigenen Angebot in Großbritannien.
Eine Durchführung von Sportwetten in Deutschland sei nicht beabsichtigt.
Am 12.10.2006 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie ist der
Auffassung, die Rechtslage in Hessen widerspreche dem Europarecht. Aufgrund
des gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs stünden die Regelungen des
EG-Vertrages den nationalen Regelungen entgegen, in Hessen sei die
Durchführung von Online-Sportwetten zumindest dann zulässig, wenn der Anbieter
- wie die Klägerin - eine entsprechende ausländische Genehmigung besitze.
Ansonsten werde die in Art. 43 und 49 EG-Vertrag statuierte Dienstleistungs- und
Niederlassungsfreiheit in ungerechtfertigter Weise eingeschränkt. Außerdem stelle
die Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols den Missbrauch einer
marktbeherrschenden Stellung dar und verletze damit EU-Kartell- und
Wettbewerbsrecht.
Seit Ergehen der Sportwettenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde
von deutschen Politikern vordergründig zunehmend auf die Suchtprävention als
angebliches Hauptmotiv der Aufrechterhaltung des Staatsmonopols verwiesen.
Bei genauerer Betrachtung sei jedoch unübersehbar, dass nach wie vor fiskalische
Interessen absolut im Vordergrund stünden. Diese dürften aber gerade nicht als
Rechtfertigung der Beschränkung des Glücksspiels angeführt werden.
Im Übrigen würden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht erfüllt.
Das Auftreten der staatlichen Lotteriegesellschaften in verschiedenen
Werbeträgern und im Internet widerspreche dem proklamierten Ziel der
Suchtprävention und -bekämpfung. Im Oddset-Magazin, dem Flagschiff aller
Werbeträger, finde sich zur Suchtprävention kein Wort. Die Reduzierung der Zahl
der Lottoannahmestellen um knapp 3% sei keine maßgebliche Einschränkung der
Vertriebs- und Marketingmaßnahmen. Das Internet-Spiel sei nur wegen der
Zwangsgeldandrohung des Bundeskartellamtes eingestellt worden.
Die Strafnorm des § 284 StGB könne auf die Klägerin nicht angewandt werden, da
sie im Besitz einer ausländischen Genehmigung sei, die auch in Hessen Geltung
beanspruchen müsse. Im Übrigen könne eine verfassungswidrige und
europarechtswidrige Grundrechtsverletzung nicht auch noch strafrechtlich
durchgesetzt werden.
Durch die Placanica-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 06.03.2007
sei die bisherige Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
überholt.
Eine abschließende Entscheidung über den Fortbestand des staatlichen Monopols
habe der Gesetzgeber noch nicht getroffen. Der Entwurf des neuen
Lotteriestaatsvertrages sei noch nicht unterzeichnet und erfülle im Übrigen die
verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht. Er verstoße gegen geltendes deutsches
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verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht. Er verstoße gegen geltendes deutsches
und europäisches Recht.
Aufgrund der unklaren Rechtslage und angesichts der divergierenden
Rechtsprechung werde eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof angeregt,
insbesondere zu der Frage, ob es mit dem EG-Vertrag vereinbar sei, dass ein
Mitgliedsstaat seinen Markt für Sportwetten abschotte und behördlich zugelassene
Anbieter aus anderen Mitgliedsstaaten mittels strafbewehrter Verbote und
verwaltungsrechtlicher Untersagungsverfügungen am grenzüberschreitenden
Angebot in diesem Mitgliedsstaat hindere.
Soweit der Beklagte der Klägerin Unzuverlässigkeit wegen Überschreitens der in
Großbritannien erteilten Genehmigung vorwerfe, werde dem entgegen getreten.
Der Beklagte verkenne den Inhalt der Lizenz.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die britische Genehmigung der Klägerin für das Bundesland
Hessen gilt und der Klägerin das Anbieten von Online-Sportwetten an Bürger des
Bundeslandes Hessen gestattet, insbesondere dass die Genehmigung eine
Erlaubnis i.S.d. § 284 StGB darstellt,
hilfsweise,
a) die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Genehmigung zur Durchführung
von Online-Sportwetten für das Bundesland Hessen zu erteilen,
b) die Beklagte zu verpflichten, die Durchführung und Bewerbung von Online-
Sportwetten durch die Klägerin vorläufig - bis zur endgültigen Entscheidung über
eine entsprechende Genehmigung in einem einzurichtenden
Genehmigungsverfahren - zu dulden und die Beklagte zu verpflichten
sicherzustellen, dass die zuständigen Ordnungsbehörden bis zu diesem Zeitpunkt
keine Untersagungsverfügung gegen die Klägerin erlassen,
höchst hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin
vom 24.04.2006 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts
innerhalb einer vom Gericht festzusetzenden Frist zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine abschließende Verwaltungsentscheidung sei wegen der gegenwärtig
offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Antrags bislang noch nicht ergangen. Die in
Großbritannien erteilte Erlaubnis berechtige gegenwärtig nicht dazu, in Hessen
Sportwetten online anzubieten. Seit der Grundsatzentscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 stehe die Sach- und Rechtslage in
Deutschland mit Verfassungsrecht, insbesondere mit dem Recht der
Berufsfreiheit, in Übereinstimmung. Unter Beachtung der Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts für die Übergangszeit stelle das Sportwettenmonopol
des Landes Hessen ebenso eine europarechtlich zulässige Beschränkung der
Dienstleistungsfreiheit dar. Nach der Rechtsprechung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs, zuletzt in der Leitsatzentscheidung vom 05.01.2007, sei
eine in einem anderen Mitgliedsstaat erteilte Erlaubnis zur Vermittlung von
Sportwetten nicht geeignet, eine nach nationalem Recht erforderliche Erlaubnis zu
ersetzen. Eine Harmonisierung habe bislang nicht stattgefunden. Es werde nach
wie vor die eigenständige Regelungskompetenz der Mitgliedsstaaten auf diesem
Sektor bejaht. Zudem beschränke sich die Wirkung der der Klägerin in England
erteilten Erlaubnis genau auf den in dieser genannten örtlichen Geltungsbereich.
Außerdem gebe das in Großbritannien für Buchmacher geltende Recht nicht die
Berechtigung, Wetten über das Internet interaktiv anzubieten. Vielmehr habe die
Klägerin nur die Zulassung, Wetten von Kunden, die bereits über ein Wettkonto
verfügten, auch per E-Mail entgegenzunehmen. Die Klägerin biete unter ihrer
Internetadresse nicht nur Sportwetten, sondern auch jede Art von Casinospielen
an, was auch nach dem Recht von Großbritannien illegal sei. Eine Legalisierung der
Betätigung der Klägerin durch Erlaubnis scheide nicht nur aus objektiven Gründen
des deutschen Rechts, sondern auch wegen erwiesener Unzuverlässigkeit der
Klägerin aus, da sie sich schon jetzt auch nach ihrem Heimatrecht illegal verhalte.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Es gibt keine Rechtsgrundlage für das Begehren der
Klägerin.
Die Klägerin hat trotz der festgestellten Verfassungswidrigkeit des Gesetzes über
staatliche Sportwetten, Zahlenlotterien und Zusatzlotterien in Hessen -
Spw/LottoG - (vgl. HessVGH, B.v.25.07.2006, Az.: 11 TG 1465/06, unter
Bezugnahme auf BVerfG, U.v. 28.03.2006, Az.: 1 BvR 1054/01) nach dessen noch
geltenden Vorschriften derzeit keinen Anspruch auf Genehmigung oder auf
genehmigungsfreies Tätigwerden in Hessen. Denn das Gesetz darf zunächst weiter
angewandt werden, die Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols ist - nach
Maßgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom
28.03.2006 - in der Übergangszeit bis zum 31.12.2007 zulässig.
§ 1 SpW/LottoG bestimmt, dass allein das Land Hessen befugt ist, innerhalb seines
Staatsgebietes Sportwetten zu veranstalten; die Durchführung und Vermittlung
darf nur durch zugelassene juristische Personen des öffentlichen oder privaten
Rechts (an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder
maßgeblich beteiligt sind, § 5 Abs. 2 des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in
Deutschland, in Kraft seit 01.07.2004) bzw. durch zugelassene Annahmestellen
erfolgen.
Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin nicht.
Aus § 5 SpW/LottoG erschließt sich, dass das Veranstaltungsmonopol des § 1 Abs.
1 SpW/LottoG auch für die Werbung, die Vermittlung und den Abschluss von
Spielverträgen anderer - in Hessen nicht zugelassener - Anbieter gilt.
Nach diesen Vorschriften ist ein legales Tätigwerden der Klägerin in Hessen nicht
möglich.
Der Ausschluss der Klägerin von der Möglichkeit der Teilnahme am Sportwetten-
Markt in Hessen (sei es über Angebote im Internet oder in Wettannahmestellen,
sei es durch Bereitstellen von Tipomaten oder einer Online-Verbindung, sei es
durch Zurverfügungstellung oder Weiterleitung von Wettscheinen) verletzt weder
deren Rechte aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG noch die aus Art. 43 und 49 EG-
Vertrag.
Da das unerlaubte Anbieten, Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten nach
wie vor als unzulässig angesehen werden darf, stellt dessen Untersagung bzw.
Nichtgenehmigung keinen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht der
Berufsfreiheit dar (so BVerfG, B.v. 19.10.2006, Az.: 2 BvR 2023/06).
In seiner Entscheidung vom 28.03.2006 (a.a.O.; vgl. auch B.v. 04.07.2006, Az.: 1
BvR 138/05) leitet das BVerfG die Verfassungswidrigkeit der das staatliche
Monopol begründenden Landesgesetze aus dem legislatorischen Regelungsdefizit
ab ("...ohne zugleich hinreichende gesetzliche Regelungen zur materiellen und
strukturellen Sicherung der - mit dem staatlichen Monopol - verfolgten Ziele zu
schaffen ...") und sieht dessen Auswirkungen (im Zeitpunkt seiner Entscheidung)
durch das tatsächliche Auftreten von ODDSET, das dem Bild der effektiven
Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung
entspreche, bestätigt. Es gibt dem Gesetzgeber deshalb eine Neuregelung auf
und verlangt für die Übergangszeit bis zum 31.12.2007 von der Exekutiven, ein
"Mindestmaß an Konsistenz" herzustellen zwischen dem Ziel der Begrenzung der
Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der
tatsächlichen Ausübung des Monopols andererseits.
Damit hat das BVerfG nicht nur die weitere Anwendung verfassungswidrigen
Rechts erlaubt, sondern gleichzeitig wegen des festgestellten legislatorischen
Defizits an der Verfassung orientiertes Übergangsrecht unter Verwendung eines
unbestimmten Rechtsbegriffs geschaffen, das nach § 31 BVerfGG verbindlich ist.
Das Verfassungsgericht hat insoweit die unzureichende Gesetzeslage
(übergangsweise) ergänzt und den unbestimmten Rechtsbegriff "Mindestmaß an
Konsistenz" gewählt, um das Verwaltungshandeln zu lenken. Bei der korrekten
Ausfüllung des Begriffs und der Beachtung der Vorgaben im Tatsächlichen sieht
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Ausfüllung des Begriffs und der Beachtung der Vorgaben im Tatsächlichen sieht
das BVerfG bis zum 31.12.2007 Art. 12 Abs. 1 GG nicht als verletzt an, wenn -
unter Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols - Privaten Wettangebot und -
vermittlung aus ordnungsrechtlichen Gründen untersagt bzw. nicht erlaubt wird
(vgl. auch B.v. 19.10.2006, Az.: 2 BvR 2023/06).
Dem steht Europarecht nicht entgegen, insbesondere sind die sich aus Art. 43 und
49 EG-Vertrag ergebende Niederlassungsfreiheit und die Freiheit des
Dienstleistungsverkehrs nicht verletzt.
Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hält eine Monopolisierung nicht
grundsätzlich für unzulässig und stellt bei der Entscheidung der Vorlagefragen in
den Verfahren Zanetti (U.v. 21.10.1999, Rs. C-67/98) und Gambelli (U.v.
06.11.2003, Rs. C-243/01) auf die nationalen Rechtsvorschriften "angesichts ihrer
konkreten Anwendungsmodalitäten" ab. Beschränkungen der Niederlassungs- und
Dienstleistungsfreiheit seien nur aus zwingenden Gründen des
Allgemeininteresses zulässig und müssten notwendig und verhältnismäßig sein
sowie wirklich dem Ziel dienen, die Gelegenheit zum Spiel zu vermindern.
Behördliches Verhalten müsse geeignet sein, die Verwirklichung dieses Ziels zu
gewährleisten.
Als schützenswert ist nach der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) das
Allgemeininteresse an der "Bekämpfung der Wettsucht" und der "Begrenzung der
Spielleidenschaft" anzusehen.
Will der Staat - zur Wahrung des so definierten allgemeinen Wohls - das
Sportwettangebot monopolisieren, ist dies nach der Gambelli-Entscheidung des
EuGH nur zulässig, wenn er die Verwirklichung der genannten Ziele durch
Maßnahmen gewährleistet, die "kohärent und systematisch zur Begrenzung der
Wetttätigkeiten beitragen". Das vom BVerfG geschaffene Übergangsrecht mit dem
Verlangen nach einem "Mindestmaß an Konsistenz" bleibt nicht hinter den
Anforderungen des EuGH zurück. Da das BVerfG eine Entsprechung der Vorgaben
des Grundgesetzes und des Gemeinschaftsrechts festgestellt hat, ist der von ihm
verwendete Begriff der "Konsistenz" so zu verstehen wie die vom EuGH geforderte
"Kohärenz", also im Sinne von Zusammenhang/Übereinstimmung.Inwieweit die
bisherige Praxis dieser Zielsetzung nicht gerecht wurde, hat das BVerfG in seiner
Entscheidung unter den Rdnrn. 132-141 analysiert und unter den Rdnrn. 150-154
die Inhalte der aus seiner Sicht notwendigen Regelungen, die der Gesetzgeber -
falls er an dem staatlichen Monopol festhalten will - bis zum 31.12.2007 zu
erlassen hat, aufgezeigt. Weder der EuGH noch das BVerfG verlangen umgehend
eine vollständige Zielerreichung, aber es werden erforderliche und geeignete
Schritte auf dem Weg dorthin gefordert (vgl. dazu BayVGH, GewArch 2006, S.
419).Damit, dass im Urteil zunächst nur einige Maßnahmen in die richtige Richtung
(vgl. Rdnr. 160) vorgegeben werden, setzt das BVerfG nicht etwa
europarechtswidrig die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit außer Kraft,
sondern es leitet den notwendigen Regelungsprozess ein und erfüllt durch die
übergangsweise Ergänzung der vorhandenen Sportwett- und Lotteriegesetze der
Länder die verfassungs- und europarechtlichen Mindestvorgaben. Von daher
besteht keine weitere Klärungsbedürftigkeit über die Auslegung von
Bestimmungen des EG-Vertrages, so dass eine Vorlage an den EuGH nicht
geboten ist.
Werden unter Beachtung des vom BVerfG gesetzten Übergangsrechts von Lotto
Hessen nunmehr wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht
eingeleitet und wird (etwa durch Zurückfahren der Werbung und Verminderung des
Spielangebots) die Wettleidenschaft tatsächlich eingedämmt und gebremst, so
liegt auch in der Übergangszeit kein Verstoß gegen Art. 43, 49 EG-Vertrag (mehr)
vor (so BayVGH, GewArch 2006, S. 419; VGH Mannheim, GewArch 2006, S. 418;
vgl. auch HessVGH, B.v. 21.12.2006, Az.: 11 TG 1977/06), weil dann die
Monopolisierung und das damit verbundene Verbot privaten Wettangebots nicht
im Missverhältnis zum erstrebten Schutz der Bevölkerung steht. Auf die Frage, ob
Europarecht übergangsweise unbeachtet gelassen werden kann, kommt es nicht
mehr entscheidend an.
Die Auswertung der neueren Rechtsprechung des EuGH führt zu keinem anderen
Ergebnis.
In der aktuellen Entscheidung vom 06.03.2007 (Rs. C-338/04 u.a.) im Verfahren
Placanica hat der EuGH zunächst erneut betont, dass es den Mitgliedsstaaten in
jeder Hinsicht freistehe, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele
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jeder Hinsicht freistehe, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele
festzulegen und das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen. Für jede
durch nationale Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkung sei jedoch zu prüfen,
ob diese geeignet sei, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu
gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgehe, was zur Erreichung des Ziels
erforderlich sei. Die Anwendung der in dieser Entscheidung weiter aufgestellten
Grundsätze führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Der EuGH hatte hier die
Vorlagefrage zu entscheiden, ob das Ziel, die Glücksspieltätigkeit in geordnete
Bahnen zu lenken, um ihrer Ausbeutung zu kriminellen Zwecken vorzubeugen,
durch ein Konzessionierungssystem wie das in Italien bestehende ohne Verstoß
gegen Gemeinschaftsrecht erreicht werden kann. In diesem Zusammenhang hat
der Gerichtshof den Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern in der Form von
Kapitalgesellschaften als Art. 43 und 49 EG-Vertrag entgegenstehend beurteilt.
Im Gegensatz zur deutschen Rechtslage hatte für Italien zuvor der dortige Corte
suprema di cassazione (verbindlich) festgestellt, dass der italienische Gesetzgeber
im Bereich der Glücksspiele eine expansive Politik mit dem Ziel betreibe, die
Staatseinnahmen zu erhöhen, und dass die italienischen Rechtsvorschriften weder
mit dem Ziel der Beschränkung der Spielleidenschaft der Verbraucher noch mit
dem einer Eindämmung des Spielangebots gerechtfertigt werden könnten (vgl.
Rdnr. 54). Die Vorlagefrage bezog sich (nur) auf den Ausschluss einzelner
Wirtschaftsteilnehmer aus Gründen der Kontrollierbarkeit.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG geht es aber bei der bis 31.12.2007 aufrecht
erhaltenen Monopolisierung in erster Linie darum, zum Schutz der Allgemeinheit
die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern und das Glücksspielangebot zu
begrenzen (was nach der Rechtsprechung des EuGH in der Placanica-
Entscheidung zur "erstgenannten Art von Zielen" gehört).
Wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof (HessVGH) zuletzt in den
Entscheidungen vom 21.12.2006 (Az.: 11 TG 1977/06, 2362/06, 2276/06,
2338/06,2335/06, 2336/06, 2360/06, 2279/06) und 05.01.2007 ( Az.: 2 TG 2911/06
und 2872/06) festgestellt hat, hat der staatliche Anbieter von Oddset-Sportwetten
in Hessen nunmehr die ihm gegenwärtig möglichen Schritte eingeleitet, um das
fortbestehende staatliche Wettmonopol an den Erfordernissen einer effektiven
Vermeidung problematischen Spielverhaltens und der Suchtprävention
auszurichten. Damit werde den Forderungen des BVerfG genügt und zugleich eine
zulässige Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit
vorgenommen. Das Land Hessen habe das Angebot und die Verfügbarkeit von
Sportwetten ebenso wie die Werbung dafür deutlich reduziert. 68
Lottoverkaufsstellen sei die Kündigung ausgesprochen worden, in den
verbleibenden Verkaufsstellen würden keine Halbzeitwetten mehr angeboten. Die
Planungen für die Online-Wetten seien gestoppt, es seien keine "SMS" oder "Mobile
Gaming"-Wetten mehr im Angebot. Die Teilnahme an Sportwetten sei an eine
Kundenkarte geknüpft, die den Ausschluss Minderjähriger und die Eintragung eines
persönlichen Spieleinsatzlimits ermögliche. Es werde Aufklärung im Hinblick auf die
Gefahren von Wettspielen betrieben und ein Sozialkonzept zur Suchtprävention
erarbeitet. Bandenwerbung und Lautsprecher-Durchsagen in den Stadien seien
eingestellt worden, auf Rundfunk- und Fernsehwerbung werde verzichtet, bei
Werbemaßnahmen würden informative Aussagen in den Vordergrund gestellt.
Von diesen Wertungen abzuweichen erscheint dem erkennenden Gericht nicht
geboten, zumal Oddset/Lotto Hessen mittlerweile auch die Wettmöglichkeiten im
Internet suspendiert hat.
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die tatsächliche Sachlage. Ob diese
nur aus Gründen des Kartellrechts herbeigeführt wurde oder ob sie von dem
politischen Willen getragen ist, die Spielsucht nachhaltig zu bekämpfen - was die
Klägerin bestreitet -, muss das Gericht nicht bewerten. Das gilt auch für die Frage,
ob hinter dem Festhalten an den bisherigen Regelungen in Verbindung mit den
mittlerweile ergriffenen Maßnahmen tatsächlich das behauptete besondere
Allgemeininteresse steht oder ob die Sicherung der Einnahmen aus den
Sportwetten der Beweggrund für die Monopolisierung ist. Soweit die ergriffenen
Maßnahmen und das tatsächliche Auftreten der staatlichen Anbieter auf dem
Markt geeignet sind, einerseits legale Spielmöglichkeiten anzubieten und
andererseits die Spielleidenschaft einzudämmen sowie die Spielsucht zu
bekämpfen, sind etwaige weitere Motive nicht entscheidend.
Auf die Frage der Strafbarkeit nach § 284 StGB kommt es nach Auffassung der
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Auf die Frage der Strafbarkeit nach § 284 StGB kommt es nach Auffassung der
erkennenden Kammer nicht entscheidend an, weil es vorliegend um die
ordnungsrechtliche Beurteilung der gewünschten Tätigkeit bzw. des gewünschten
Angebots der Klägerin in Hessen geht. Ob ein Verstoß gegen Ordnungsrecht auch
Strafbarkeit nach sich zieht, haben die Strafgerichte zu beurteilen. Ob die Sanktion
selbst und die Sanktionshöhe europarechtskonform sind, muss von diesen, ggf.
nach einer entsprechenden Vorlage an den EuGH, entschieden werden (vgl. dazu
BVerfG, B.v. 27.04.2005, Az.: 1 BvR 223/05; vgl. auch B.v. 04.07.2006, Az.: 1 BvR
138/05 und B.v. 19.10.2006, Az.: 2 BvR 2023/06).
Die der Klägerin in Großbritannien erteilte Konzession kann keine Geltung in
Hessen beanspruchen. Die in einem Mitgliedsstaat der EU erteilte Erlaubnis gilt
nicht ohne weiteres in jedem anderen Mitgliedsstaat der Gemeinschaft. Eine
entsprechende gemeinschaftsrechtliche Regelung fehlt (vgl. HessVGH, a.a.O.).Als
Erlaubnis i.S. des Spw/LottoG kann nur eine solche der dafür zuständigen Behörde
des Bundeslandes Hessen in Betracht kommen (vgl. dazu BVerwG, U.v.
21.06.2006, Az.: 6 C 19/06).
Auf die Frage der Zuverlässigkeit der Klägerin und der eventuellen Überschreitung
der in Großbritannien erteilten Konzession kommt es dementsprechend nicht
mehr an.
Auch ein Anspruch auf übergangsweise Duldung des Tätigwerdens der Klägerin in
Hessen besteht nicht. Mittlerweile wurden landesweit gegen private
Wettveranstalter und -vermittler Untersagungsverfügungen ausgesprochen und
Wettbüros geschlossen. Die konsequente Durchsetzung des Wettmonopols und
die erklärte Absicht der Landesregierung, dieses unter Beachtung der
verfassungsrechtlichen Vorgaben auch nach dem 31.12.2007 aufrecht erhalten zu
wollen, lassen auf absehbare Zeit keine Anspruchsgrundlage auf Zulassung
Privater erkennen und gebieten es nicht, die Klägerin besser zu stellen als
diejenigen, die bereits auf dem deutschen Sportwetten-Markt tätig waren und
nunmehr ihre Tätigkeit einstellen mussten (vgl. dazu Hess.VGH, B.v. 29.08.2005,
Az.: 11 TG 1460/05).
Die Klage ist in vollem Umfang mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO
abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung gegen dieses Urteil ist nach § 124 Abs. 1 i.V.m. Abs.2 Nr. 3 VwGO
zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Der Hessische
Verwaltungsgerichtshof hat bislang - soweit ersichtlich - noch kein
Hauptsacheverfahren eines ausländischen Wettanbieters aus der EU entschieden,
der über eine Lizenz seines Heimatstaates verfügt und in Hessen den Abschluss
von Sportwetten anbieten möchte. Die maßgeblichen Rechtsfragen bedürfen i.S.d.
Rechtseinheit und Rechtssicherheit einer obergerichtlichen Klärung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.