Urteil des VG Wiesbaden vom 15.08.2007

VG Wiesbaden: verbrennung, abfall, heizöl, ausnahme, stand der technik, messung, neue anlage, abgrenzung, eugh, verfahrenskosten

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Gericht:
VG Wiesbaden 4.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 E 815/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 KrW-/AbfG, BImSchV
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(Abgrenzung Abfall/Nebenprodukt)
Leitsatz
Zur Abgrenzung von Abfall und Nebenprodukten
Tenor
1. Die Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 24. Mai 2006 wird
bezüglich Nr. 1.2, 1.3.3 und 2.5 aufgehoben.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu 9/10 und das beklagte Land zu
1/10 zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt im Industriepark D in E eine Anlage mit zwei
Hochtemperaturöfen (HT-Öfen). Die letzte wesentliche Änderung der Anlage wurde
mit Bescheid vom 15.02.2001 (Az.: ...) des Beklagten nach § 16 BImSchG
genehmigt. Die Anlage ist eine Nebenanlage des Betriebs der Klägerin, in dem
verschiedene Kunstharze hergestellt werden. Die HT-Öfen dienen der Erhitzung
des Wärmeträgeröls (G-Öl). Neben Heizöl EL werden als Brennstoff weitere flüssige
Stoffe, die in den Produktionsbereichen des als F-Betriebs der Klägerin anfallen, als
Ersatzbrennstoffe eingesetzt.
Mit der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Verfügung vom 24. Mai 2006
legte der Beklagte die Maßnahmen zur Immissionsbegrenzung der Anlage neu fest
(Nr. 1.1 bis 1.6) und er verfügte neue Regelungen zur Messung und Überwachung
(Nr. 2.1 bis 2.9). Darüber hinaus wurden die Verfahrenskosten auf 4.685,60 €
festgesetzt.
Nach der Begründung der Anordnung geht der Beklagte davon aus, dass die
Anlage der novellierten 17. BImSchV unterfällt. Bei den eingesetzten Stoffen
handele es sich um Abfälle im Sinne der 17. BImSchV. Die Verordnung könne
insoweit nicht anders verstanden werden als die ihr zugrunde liegende Richtlinie
2000/76/EG, die in Art. 3 Abs. 1 den Begriff "Abfall" unter Rückgriff auf Art. 1 lit. a)
der Richtlinie 75/442/EWG definiere. Danach seien "alle Stoffe oder Gegenstände,
deren sich der Besitzer entledigt oder gemäß den geltenden einzelstaatlichen
Vorschriften zu entledigen hat" als Abfall zu qualifizieren, so dass Abfall jedenfalls
dann vorliege, wenn eine Entledigung gemäß § 3 Abs. 2 des KrW-/AbfG vorliege.
Bei den im HT-Ofen eingesetzten Stoffen handele es sich nach den Kriterien des
EuGH um Produktionsrückstände. Der EuGH definiere diese als Erzeugnisse, die im
Produktionsprozess nicht als solche angestrebt würden, die vielmehr zwangsläufig
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Produktionsprozess nicht als solche angestrebt würden, die vielmehr zwangsläufig
entstünden und nicht als Ergebnis einer bewussten, technischen Entscheidung
betrachtet werden könnten. Die vorliegend eingesetzten Stoffe würden hingegen
zwangsläufig erzeugt und seien gerade nicht Zweck des Produktionswillens.
Offensichtlich sei das Entstehen dieser Stoffe vielmehr unerwünscht, da die
eingesetzten Lösemittel bei geringeren Verunreinigungen länger im eigentlichen
Produktionskreislauf gehalten werden könnten. Für die Klassifizierung als
Produktionsrückstand spreche auch, dass eine andere Verwendung als die
Beseitigung des Stoffes nicht möglich erscheine und diese zudem - auch nach der
bisherigen Rechtslage - unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen für die Umwelt zu
erfolgen habe.
Die Klägerin hat am 19.06.2006 Klage erhoben.
Sie ist zunächst der Auffassung, dass die Verfügung mangels
Ermächtigungsgrundlage insgesamt rechtswidrig sei. Sie verletze dadurch die
Klägerin in ihren Rechten. Als Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung komme
nur § 17 Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 i.V.m. §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 7, 48 BImSchG, 17. BImSchV
in Betracht. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG könnten zur Erfüllung einer Pflicht,
die sich aus dem BImSchG oder aus einer aufgrund des BImSchG erlassenen
Rechtsverordnung ergebe, nach Erteilung der Genehmigung Anordnungen
getroffen werden. Diese Voraussetzungen seien hier für die Anordnung von
Pflichten nach der 17. BImSchV nicht erfüllt, da schon der Anwendungsbereich der
17. BImSchV nicht eröffnet sei. Die Anwendung des § 17 BImSchV setze voraus,
dass - erstens - ein Stoff im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 17. BImSchV vorliege,
der nicht privilegiert sei, und dass - zweitens - eine Verbrennungs- oder
Mitverbrennungsanlage im Sinne des § 2 Nr. 6 bzw. Nr. 7 17. BImSchV betroffen
und diese Anlage genehmigungspflichtig sei.Die Anordnung des Beklagten sei
schon deshalb rechtswidrig, weil es an einem den Anwendungsbereich eröffnenden
Stoff im Sinne des § 1 Abs. 1 17. BImSchV fehle, denn weder die gasförmigen zu
verbrennenden Abgase noch das Harzöl stellten einen solchen Stoff dar. Die
gasförmigen Abgase stellten keinen Stoff im Sinne des § 1 Abs. 1 der 17. BImSchV
dar, da dies voraussetze, dass gasförmige Abfälle in Behälter gefasst seien, was
nicht der Fall sei. Auch das in den HT-Öfen eingesetzte Harzöl stelle keinen den
Anwendungsbereich der 17. BImSchV eröffnenden Stoff dar. Dies ergebe sich
bereits daraus, dass es sich bei dem Harzöl um einen privilegierten,
abfallähnlichen Stoff handele. Zudem erfülle das Harzöl die Abfalleigenschaften
gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 17. BImSchV nicht.
Bei den HT-Öfen handele es sich zudem nicht um Verbrennungsanlagen im Sinne
des § 2 Nr. 6 17. BImSchV oder Mitverbrennungsanlagen im Sinne des § 2 Nr. 7,
17. BImSchV. Dies ergebe sich schon daraus, dass weder die verbrannten Abgase
noch das Harzöl den Anwendungsbereich der 17. BImSchV eröffneten.
Hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht diese Ausführungen zum
Anwendungsbereich der 17. BImSchV nicht teilt, werden die Anordnungen Nr. 1.2,
1.3 Abs. 3. 2.5 Abs. 1, 2.5 Abs. 2, Abs. 3, II 2 inhaltlich angegriffen. Die pauschalen
Begründungen zu den Anordnungen unter 1 und 2 - soweit sie angegriffen werden
- wonach es sich um eine Vorgabe zur Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen
handele, seien unzutreffend. Damit seien die Anordnungen insoweit von der
Ermächtigungsgrundlage des § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. der jeweils
einschlägigen Vorschriften der 17. BImSchV nicht gedeckt.
Im Einzelnen macht die Klägerin geltend:
1. Teilrechtswidrigkeit der Nr. 1.2 der Anordnungsgemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 17.
BImSchV dürften die Brenner während des Anfahrens und bei drohender
Unterschreitung der Mindesttemperatur mit Erdgas, Flüssiggas, Wasserstoff,
gasförmigen Brennstoffen oder Heizöl sowie auch mit flüssigen Stoffen im Sinne
des § 1 Abs. 1 17. BImSchV betrieben werden, soweit aufgrund ihrer
Zusammensetzung keine anderen oder höhere Immissionen als bei der
Verbrennung von Heizöl EL auftreten könnten. Demgegenüber verbiete die
Beklagte der Klägerin mit Nr. 1.2 der Anordnung, die Brenner während des
Anfahrens und bei drohender Unterschreitung mit Abfallstoffen - zu denen nach
der Einordnung der Beklagten auch das Harzöl gehöre - zu betreiben, unabhängig
davon, ob es sich bei diesen um flüssige Stoffe handele, bei denen aufgrund ihrer
Zusammensetzung keine anderen oder höhere Immissionen als bei der
Verbrennung von Heizöl EL auftreten könnten. Die Klägerin werde durch diese
Anordnung in ihrem Recht auf freie Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG
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Anordnung in ihrem Recht auf freie Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG
verletzt.
2. Teilrechtswidrigkeit der Nr. 1.3 Abs. 3 der Anordnung der Beklagten Nr. 1.3 Abs.
3 der Anordnung der Beklagten sei insoweit rechtswidrig, als die Klägerin
verpflichtet werde, durch automatische Vorrichtungen sicherzustellen, dass beim
Abfahren der einzelnen Verbrennungslinien zur Aufrechterhaltung der
Verbrennungsbedingungen die Brenner so lange betrieben werden müssten, bis
sich keine Ersatzbrennstoffe/Abfälle mehr im Feuerraum befänden, und sich diese
Pflicht auch auf Stoffe im Sinne des § 4 Abs. 8 Satz 2 17. BImSchV erstrecke, die
zur Aufrechterhaltung der Verbrennungsbedingungen eingesetzt würden. § 4 Abs.
8 Satz 1 17. BImSchV sehe vor, dass beim Abfahren von Verbrennungsanlagen
oder einzelnen Verbrennungslinien die Brenner zur Aufrechterhaltung der
Verbrennungsbedingungen so lange betrieben werden müssten, bis sich keine
Abfälle oder Stoffe im Sinne des § 1 Abs. 1 17. BImSchV mehr im Feuerraum
befänden. Dies gelte gemäß § 4 Abs. 8 Satz 2 17. BImSchV aber nicht für Stoffe
im Sinne des § 1 Abs. 1 17. BImSchV, soweit aufgrund ihrer Zusammensetzung
keine anderen oder höheren Immissionen als bei der Verbrennung von Heizöl EL
auftreten könnten. Demgegenüber habe die Beklagte in Nr. 1.3 Abs. 3 die Klägerin
verpflichtet, die Brenner beim Abfahren von Verbrennungsanlagen oder einzelnen
Verbrennungslinien zur Aufrechterhaltung der Verbrennungsbedingungen so lange
zu betreiben, bis sich keine Abfälle oder Stoffe im Sinne des § 1 Abs. 1 17.
BImSchV mehr im Feuerraum befänden, unabhängig davon, ob es sich bei diesen
um sonstige flüssige Stoffe im Sinne des § 1 Abs. 1 17. BImSchV handele, bei
denen aufgrund ihrer Zusammensetzung keine anderen oder höheren
Immissionen als bei der Verbrennung von Heizöl EL auftreten könnten. Die
Klägerin werde durch diese Anordnung in ihrem Recht auf freie Berufsausübung
gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.
3. Rechtswidrigkeit der Nr. 2.5 Abs. 1 der Anordnung der Beklagten § 13 Abs. 1 17.
BImSchV sehe vor, dass der Betreiber nach Errichtung oder wesentlicher Änderung
der Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlage bei der Inbetriebnahme durch
Messungen überprüfen zu lassen habe, ob die Verbrennungsbedingungen nach § 4
Abs. 2 oder Abs. 3 oder nach § 4 Abs. 6 oder Abs. 7 17. BImSchV erfüllt würden.
Hier fehle es schon an einer Errichtung oder wesentlichen Änderung im Sinne des
§ 13 Abs. 1 17. BImSchV in Bezug auf die HT-Öfen der Klägerin. Die Änderungen,
auf die sich die antragsgemäß ergangene Änderungsgenehmigung der Beklagten
vom 9. Dezember 2005 beziehe, beträfen nicht die HT-Öfen der Klägerin. Die mit
Änderungsgenehmigungsbescheid vom 15. Februar 2001 genehmigten
Änderungen hätten zwar eine wesentliche Änderung hinsichtlich des Betriebs der
HT-Öfen betroffen. Allerdings könne auf diese Änderung nicht mehr abgestellt
werden, da diese bereits durch die genannte Änderungsgenehmigung
abschließend behandelt worden sei. Zudem spreche die inzwischen vergangene
Zeit dagegen, diese Änderung noch als Änderung im Sinne des § 13 Abs. 1 17.
BImSchV aufzufassen. Ferner fehle es an einer Inbetriebnahme im Sinne des § 13
17. BImSchV, aufgrund derer die Messungen durchgeführt werden sollten. Denn
die HT-Öfen seien zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung vom Mai 2006
bereits über fünf Jahre nach der Änderung im Jahr 2001 betrieben worden. Anlass
der nunmehr angeordneten Messungen sei vielmehr die Änderung der
Rechtsauffassung der Beklagten, die aber für die Anordnung einer Messung nach §
13 Abs. 1 17. BImSchV nicht ausreiche. Selbst wenn man das Vorliegen dieser
beiden Tatbestandsmerkmale bejahe, sei Abs. 1 der Nr. 2.5 rechtswidrig. Denn
gemäß § 13 Abs. 2 a 17. BImSchV müssten die in § 13 Abs. 1 17. BImSchV
vorgeschriebenen Messungen nicht erfolgen, wenn der Betreiber einer
bestehenden Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlage gegenüber der
zuständigen Behörde belege, dass die durchgeführten Maßnahme keine oder
offensichtlich geringe Auswirkungen auf die Verbrennungsbedingungen und die
Immissionen hätten. Die Klägerin habe anhand des Gutachtens der H-GmbH
(siehe Verfahrensakten) sowie mit dem Gutachten der I-GmbH (siehe
Verfahrensakten) nachgewiesen, dass die Verbrennung des Harzöls zu keinen
anderen oder höheren Immissionen als bei Verbrennung von Heizöl EL führe. Aus
diesem Gutachten ergebe sich auch, dass der Einsatz des Harzöls in den HT-Öfen
keine Auswirkungen auf die Verbrennungsbedingungen habe. Die Klägerin werde
durch diese Anordnung auch in ihrem Recht auf freie Berufsausübung gemäß Art.
12 Abs. 1 GG verletzt.
4. Teilrechtswidrigkeit der Nr. 2.5 Abs. 2, Abs. 3 der Anordnung der Beklagten Wie
bereits dargelegt, fehle es auch hier an einer wesentlichen Änderung, die von § 13
Abs. 2 17. BImSchV ebenfalls vorausgesetzt werde. Selbst bei Annahme einer
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Abs. 2 17. BImSchV ebenfalls vorausgesetzt werde. Selbst bei Annahme einer
wesentlichen Änderung im Sinne des § 13 Abs. 2 17. BImSchV sei die Anordnung
rechtswidrig, da die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 13 Abs. 2 a
17. BImSchV vorlägen. Auch hier habe die Klägerin durch Gutachten
nachgewiesen, dass die Verbrennung des Harzöls zu keinen anderen oder höheren
Immissionen als bei der Verbrennung von Heizöl EL führe und der Einsatz des
Harzöls in den HT-Öfen keine Auswirkungen auf die Verbrennungsbedingungen
hätte. Die Klägerin werde durch diese Anordnung auch in ihrem Recht auf freie
Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.
5. Rechtswidrigkeit der Festsetzung der Verfahrenskosten in Nr. II.2 der Anordnung
der Beklagten Die Festsetzung der Verfahrenskosten sei, soweit diese den Betrag
von 1.805,60 € übersteige, rechtswidrig. Gemäß Nr. 152 Abs. 2 HessVerwKostVerz
MULV sei der Zeitaufwand für die Berechnung der Verwaltungsgebühr bei einer
Anordnung nach Nr. 15 201 HessVerwKostVerz MULV erst ab Beginn des
Anhörungsverfahrens gemäß § 28 HessVwVfG zu berücksichtigen. Hiergegen
verstoße die Festsetzung der Verwaltungsgebühren von 4.680,-- € durch die
Anordnung der Beklagten vom Mai 2006 in Höhe von 2.880,-- €. Denn die in dieser
Anordnung angegebene Gebühr ergebe sich in Höhe von 2.880,-- € aus Arbeitszeit
(160 1/4 Stunden), die bereits vor der Anhörung angefallen sei. So habe die
Beklagte in dem Anhörungsschreiben vom 23. Mai 2005 eine bereits zu diesem
Zeitpunkt entstandene Gebühr in Höhe von 2.880,-- € aufgrund eines
Zeitaufwandes von 160 1/4 Stunden angegeben. Die Zustellung des
Anhörungsschreibens stelle aber erst den Beginn des Verfahrens zur Anhörung
der Klägerin dar. Die Klägerin werde durch diese Festsetzung in ihrem Recht aus
Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
Auch die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage sei begründet. Die in der
Anordnung des Beklagten vom Mai 2006 enthaltene Ablehnung des Antrags der
Klägerin auf Erteilung einer Ausnahme für die Immissionen von Gesamtstaub,
Gesamtkohlenstoff, Kohlenmonoxyd, Stickstoffoxyd und Schwefeldioxyd bezüglich
der in Nr. 2.3 der Anordnung festgelegten Messpflicht und Ausrüstung der Anlage
mit entsprechenden Messinstrumenten sei rechtswidrig, da die Klägerin einen
Anspruch auf Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung habe. Nach § 11
Abs. 1 Satz 3 17. BImSchV sei eine solche Ausnahme zu erteilen, soweit
Immissionen einzelner Stoffe nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 17. BImSchV nachweislich
auszuschließen oder allenfalls in geringen Konzentrationen zu erwarten seien. Eine
geringe Konzentration liege vor, wenn der vorgegebene Grenzwert erheblich
unterschritten werde. Diese Voraussetzung läge sowohl für die Immissionen von
Gesamtstaub als auch von Gesamtkohlenstoff als auch von Kohlenmonoxyd,
Stickstoffoxyd und Schwefeldioxyd vor, was im Einzelnen dargelegt wird.
Zur Begründung des zweiten Hilfsantrages führt die Klägerin aus, dass die Klage
auf Erlass eines Bescheidungsurteils begründet sei, weil die Ablehnung der
Anträge auf Erteilung von Ausnahmen rechtswidrig gewesen sei, und zwar
bezüglich der Verpflichtungen der Klägerin
- zur Messung der Einhaltung der Mindesttemperatur und der Mindestverweilzeit
gemäß Nr. 1.1 der Anordnung der Beklagten,- gemäß Nr. 1.3 der Anordnung durch
automatische Vorrichtungen die Einhaltung der Vorgaben der Nr. 1.3 Abs. 1 - 3 der
Anordnung sicherzustellen,- die Anlage mit Registrierungseinrichtungen nach Nr.
1.4 der Anordnung auszurüsten,- kontinuierliche Messungen gemäß Nr. 2.3 der
Anordnung durchzuführen und- Einzelmessungen gemäß Nr. 2.5 der Anordnung
durchzuführen.
Die Beklagte habe das ihr in § 19 Abs. 1 17. BImSchV eingeräumte Ermessen für
die Gewährung der Ausnahmen für die genannten Verpflichtungen nicht
entsprechend den gesetzlichen Vorgaben ausgeübt. Die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Abs. 1 17. BImSchV lägen vor. Erste
Voraussetzung hierfür sei, dass die Anforderungen der Verordnung hinsichtlich der
Messungen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erfüllbar seien.
Hier bedürfe es einer an den Einzelumständen orientierten
Verhältnismäßigkeitsprüfung. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht darauf
berufen, dass mit der 17. BImSchV eine Verhältnismäßigkeitsprüfung bereits
vorweggenommen sei. Denn die Anwendung von Öffnungsklauseln wie der des §
19 17. BImSchV erfordere gerade eine einzelfallbezogene
Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die an den Einzelfallumständen orientiert
Verhältnismäßigkeitsprüfung ergebe für den hier zugrunde liegenden Sachverhalt
entgegen der Auffassung der Beklagten eine Unverhältnismäßigkeit der
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entgegen der Auffassung der Beklagten eine Unverhältnismäßigkeit der
Anordnung vom Mai 2006. Allgemein liege eine Unverhältnismäßigkeit vor, wenn
die erforderlichen Mittel dem angestrebten Zweck gegenüber unangemessen
seien. Zweck der Anordnung der Beklagten hinsichtlich der Messung der
Immissionen sei die Überwachung der Einhaltung der Immissionswerte. Zweck der
Maßnahmen nach Nr. 1.1 bis 1.4 der Anordnung sei durch Kontroll- und
Sicherungseinrichtungen für die Verbrennungsbedingungen und
Verbrennungstemperaturen sicherzustellen, dass die Immissionswerte nicht durch
eine temporäre Veränderung dieser Parameter erhöht würden. Mittel seien die von
der Klägerin für die Durchführung der Messungen und Absicherung der
Verbrennungsbedingungen vorzunehmenden Maßnahmen insbesondere der dabei
anfallenden Kosten. Insbesondere komme hinsichtlich der Messpflichten eine
unangemessene Relation zwischen Zweck und Mittel in Betracht, wenn die
Immissionsgrenzwerte nachweislich so erheblich unterschritten würden, dass sich
die Maßnahmen zur Überwachung der Einhaltung der Grenzwerte als überflüssig
oder zumindest im Verhältnis zu den anfallenden Kosten als unangebracht
darstellten. Das sei hier der Fall. Eine Umsetzung der Nr. 2.3 der Anordnung würde
die Klägerin etwa 300.000,-- € für die Installation der Messgeräte für die
kontinuierliche Messung kosten. Hinzu kämen Kosten für die nach Nr. 2.5 der
Anordnung durchzuführenden Einzelmessungen in Höhe von etwa 5.000,-- € je
Einzelmessung. Die für die Stoffe Schwefeldioxyd und Benzo(A)pyren alle zwei
Monate durchzuführenden Einzelmessungen würden damit im ersten Jahr
insgesamt etwa 60.000,-- € kosten. Gegenüber diesen, die Klägerin in hohem
Maße belastenden Kosten, hätten die der Beklagten vorgelegten Messergebnisse,
wie bereits dargelegt, ergeben, dass alle Immissionsgrenzwerte für alle Stoffe nicht
nur eindeutig eingehalten würden. Die Immissionswerte der Stoffe Gesamtstaub,
Gesamtkohlenstoff, Kohlenmonoxyd sowie Schwefeldioxyd lägen vielmehr so
erheblich unterhalb der vorgesehenen Grenzwerte (teilweise sogar unter 10 % der
Gesamtwertangabe), dass die Maßnahmen zur Überwachung der Immissionswerte
dieser Stoffe gemäß Nr. 2.3 der Anordnung unzweifelhaft nicht erforderlich und in
Anbetracht der für die Klägerin anfallenden Kosten in jedem Fall unangemessen
seien. Auch die für Stickstoffdioxyd zunächst angeordneten kontinuierlichen
Messungen gemäß Nr. 2.3 der Anordnung seien - trotz der möglichen
Erleichterung nach Nr. 2.7.1 der Anordnung - unangemessen, da auch hier die
Grenzwerte nachweislich eindeutig eingehalten würden und die demgegenüber
anfallenden Kosten beträchtlich seien. Die Beklagte sei bereits im
Verwaltungsverfahren jede plausible Erklärung dafür schuldig geblieben, warum die
Klägerin mit erheblichem Aufwand durch kontinuierliche Messungen immer wieder
belegen solle, was angesichts der der Beklagten bekannten Messungen
offensichtlich sei: Dass die Klägerin nicht einmal in die Nähe eines Grenzwertes zu
geraten drohe.
Ferner seien die Vorgaben zur Sicherung der Verbrennungsbedingungen nach Nr.
1.1 bis 1.4 der Anordnung unverhältnismäßig. Dies ergebe sich schon daraus, dass
der Zweck dieser Vorgaben, die Einhaltung der Verbrennungsbedingungen
sicherzustellen, um erhöhte Immissionen durch ein Abweichen von diesen
Bedingungen zu vermeiden, bereits durch den von den Klägerin verwendeten
Einsatzstoff Harzöl erreicht werde. Denn, wie gegenüber der Beklagten
nachgewiesen, fielen bei der Verbrennung des Harzöls gerade keine anderen oder
höheren Immissionen als bei der Verbrennung von Heizöl EL an. Bei einer
isolierten Verbrennung von Heizöl gälten die besonderen Vorgaben zur Sicherung
der Verbrennungsbedingungen der 17. BImSchV aber gerade nicht. Das bei dem
Einsatz von Harzöl aufgrund der Heizöl EL-vergleichbaren Immissionswerte nicht
die Gefahr bestehe, dass bei einer Abweichung von den vorgegebenen
Verbrennungsbedingungen besondere Immissionen auftreten, ergebe sich aus
den Regelungen nach Abs. 4 Satz 2 und Abs. 8 des § 4 17. BImSchV. Diese sähen
Ausnahmen von den Verbrennungsvorgaben für die Stoffe, deren Immissionen
Heizöl EL vergleichbar seien, vor. Demgegenüber würden erhebliche Kosten in
Höhe von ca. 150.000,-- € für die Nachrüstung der Anlage der Klägerin
entsprechend den Vorgaben der Nr. 1.1, 1.3 und 1.4 der Anordnung anfallen.
Die Betreiberin halte im Übrigen die dem Stand der Technik entsprechenden
Maßnahmen zur Immissionsbegrenzung (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 der 17. BImSchV) ein
und habe die Einhaltung der Grenzwerte nach § 5 Abs. 1 17. BImSchV im
vorliegenden Verfahren der Beklagten hinreichend nachgewiesen. Damit werde
insbesondere auch den Anforderungen der Richtlinie 2000/76/EG hinsichtlich der
Grenzwerte entsprochen. Dass in der Richtlinie auch für den Fall der
Unverhältnismäßigkeit eine Anordnung keine Ausnahme von bestimmten
Vorgaben vorgesehen seien, sei unerheblich. Auch in diesem Fall sei die
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Vorgaben vorgesehen seien, sei unerheblich. Auch in diesem Fall sei die
Tatbestandsvoraussetzung des § 19 Abs. 1 Nr. 4 c 17. BImSchV erfüllt. Denn der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebe sich hier bereits aus primärem
Gemeinschaftsrecht (vgl. Art. 5 Abs. 3 EG), dem wiederum alle
Sekundärrechtsakte genügen müssten - und damit auch die Richtlinie 2000/76/EG.
Diese sei aufgrund dieser Vorgabe dahingehend auszulegen, dass eine Ausnahme
von den Anforderungen der Richtlinie 2000/76/EG zuzulassen sei, wenn die
Anordnung sonst unverhältnismäßig sei.
Die Beklagte habe das ihr durch § 19 Abs. 1 17. BImSchV auf Rechtsfolgenseite
eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Sie habe zur Begründung der
Ablehnung der Anträge auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung lediglich
ausgeführt: "Im Übrigen wurden die Ausnahmeanträge zurückgewiesen, da die
bislang für die Anlage per Genehmigungsbescheid festgeschriebenen
Immissionsbegrenzungen den Anforderungen der 17. BImSchV nicht gerecht
werden". Diese Begründung zeige eindeutig auf, dass die Beklagte das ihr
eingeräumte Ermessen nicht entsprechend des Zwecks dieser Vorschrift ausgeübt
habe. Denn die Beklagte hätte - statt nur lapidar festzustellen, dass die bislang
geltende Genehmigung nicht die Vorgaben der 17. BImSchV gegenüber der
Klägerin festsetze - hier gerade der Frage nachgehen müssen, ob und welche
Festsetzungen der Vorgaben der 17. BImSchV der Klägerin gegenüber überhaupt
verhältnismäßig sei und dem zugrunde liegenden Sachverhalt gerecht werde.
Insbesondere habe die Beklagte nicht die auf die Klägerin zukommenden
finanziellen Belastungen einbezogen. Auch bleibe unberücksichtigt, dass die
umweltschonende Verwertung des Harzöls aufgrund der mit der Anordnung für die
Klägerin verbundenen Kosten wirtschaftlich in Frage gestellt würde. Ebenso fehle
die Berücksichtigung des Aspekts, dass die eindeutige Einhaltung aller Grenzwerte
durch die Klägerin der Beklagten gegenüber nachgewiesen worden sei. Die
Begründung, eine Ausnahme komme nicht in Betracht, da die bisherige
Genehmigung die grundsätzlichen Vorgaben der 17. BImSchV nicht erfülle, sei
demgegenüber unhaltbar.
Die Klägerin beantragt,
die Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt - Abteilung Umwelt
Wiesbaden - vom Mai 2006, Az.: ..., aufzuheben,
hilfsweise,
1. a) Nr. 1.2 der Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai
2006 - Az. ... - insoweit aufzuheben, als der Klägerin untersagt wird, während des
Anfahrens und bei drohender Unterschreitung der Mindesttemperatur die Brenner
mit flüssigen Stoffen nach § 1 Abs. 1 17. BImSchV zu betreiben, bei denen
aufgrund ihrer Zusammensetzung keine anderen oder höheren Immissionen als
bei der Verbrennung von Heilöl EL auftreten können,
b) Nr. 1.3 Ziffer 3 der Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom
Mai 2006 - Az. ... - insoweit aufzuheben, als die Klägerin verpflichtet wird, durch
automatische Vorrichtungen sicherzustellen, dass beim Abfahren der einzelnen
Verbrennungslinien zur Aufrechterhaltung der Verbrennungsbedingungen die
Brenner so lange betrieben werden, bis sich keine Ersatzbrennstoffe/Abfälle mehr
im Feuerraum befinden, und sich diese Pflicht auch auf Stoffe im Sinne des § 4
Abs. 8 Satz 2 17. BImSchV erstreckt, die zur Aufrechterhaltung der
Verbrennungsbedingungen eingesetzt werden,
c) Nr. 2.5 Abs. 1der Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai
2006 - Az. ... -aufzuheben,
d) Nr. 2.5 Abs. 2 und 3 der Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt
vom Mai 2006 - Az... - insoweit aufzuheben, als die Klägerin verpflichtet wird,
anhand von Einzelmessungen nach § 26 BImSchG überprüfen zu lassen, ob der in
Nr. 1.5.3 der Anordnung festgelegte Immissionsgrenzwert für Benzo(a)pyren
überschritten wird,
e) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Pflicht zur kontinuierlichen
Messung der Massekonzentration der Immission von Gesamtstaub und der
Ausrüstung der Anlage mit entsprechenden Messinstrumenten gemäß Nr. 2.3 der
Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. ... - zu
verpflichten, der Klägerin für die Immission von Gesamtstaub eine Ausnahme
gemäß § 11 Abs.1 Satz 3 17. BImSchV von der Messpflicht und der Pflicht zur
entsprechenden Ausrüstung der Anlage nach Nr. 2.3 der Anordnung zu erteilen,
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f) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Pflicht zur kontinuierlichen
Messung der Massekonzentration der Immission von organischen Stoffen,
angegeben als Gesamtkohlenstoff, und der Ausrüstung der Anlage mit
entsprechenden Messinstrumenten gemäß Nr. 2.3 der Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. ... - zu verpflichten, der
Klägerin für die Immission von Gesamtkohlenstoff eine Ausnahme gemäß § 11
Abs.1 Satz 3 17. BImSchV von der Messpflicht und der Pflicht zur entsprechenden
Ausrüstung der Anlage nach Nr. 2.3 der Anordnung zu erteilen,
g) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Pflicht zur kontinuierlichen
Messung der Massekonzentration der Immission von Kohlenmonoxid und der
Ausrüstung der Anlage mit entsprechenden Messinstrumenten gemäß Nr. 2.3 der
Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. ... - zu
verpflichten, der Klägerin für die Immission von Kohlenmonoxid eine Ausnahme
gemäß § 11 Abs.1 Satz 3 17. BImSchV von der Messpflicht und der Pflicht zur
entsprechenden Ausrüstung der Anlage nach Nr. 2.3 der Anordnung zu erteilen,
h) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Pflicht zur kontinuierlichen
Messung der Massekonzentration der Immission von Stickstoffmonoxid und
Stickstoffdioxid, angegeben als Stickstoffdioxid, und der Ausrüstung der Anlage
mit entsprechenden Messinstrumenten gemäß Nr. 2.3 der Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. ... - zu verpflichten, der
Klägerin für die Immission von Stickstoffdioxid eine Ausnahme gemäß § 11 Abs.1
Satz 3 17. BImSchV von der Messpflicht und der Pflicht zur entsprechenden
Ausrüstung der Anlage nach Nr. 2.3 der Anordnung zu erteilen,
i) die Beklagte unter Aufhebung der Nr. 2.7.2 der Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az.: ... - zu verpflichten, der
Klägerin für Schwefeldioxid und Schwefeltrioxid, angegeben als Schwefeldioxid,
eine Ausnahme gemäß § 11 Abs.1 Satz 3 17. BImSchV von der Messpflicht und
der Pflicht zur entsprechenden Ausrüstung der Anlage nach Nr. 2.3 der Anordnung
zu erteilen,
j) die Festsetzung der Verfahrenskosten nach Nr. II.2 der Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az.: ... - insoweit aufzuheben,
als die Verfahrenskosten den Betrag von Euro 1.805,60 übersteigen,
höchst hilfsweise,
1. a) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Verpflichtung der
Klägerin zur Messung der Einhaltung der Mindesttemperatur und der
Mindestverweilzeit gemäß Nr. 1.1 der Anordnung des Regierungspräsidiums
Darmstadt vom Mai 2006 - Az. ... - und
b) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Verpflichtung der Klägerin,
gemäß Nr. 1.3 der Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai
2006 - Az. ... - durch automatische Vorrichtungen die Einhaltung der Vorgaben der
Nr. 1.3 Ziffer 1 - 3 der Anordnung sicherzustellen und
c) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Verpflichtung der Klägerin,
die Anlage mit Registrierungseinrichtungen nach Nr. 1.4 der Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. ... - auszurüsten und
d) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Verpflichtung der Klägerin,
kontinuierliche Messungen gemäß Nr. 2.3 der Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. ... - durchzuführen und
e) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Verpflichtung der Klägerin,
Einzelmessungen gemäß Nr. 2.5 der Anordnung des Regierungspräsidiums
Darmstadt vom Mai 2006 - Az. ... - durchzuführen
zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts gemäß § 19 Abs. 1 17. BImSchV neu zu bescheiden.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird im Einzelnen ausgeführt, dass die Klägerin in ihren HT-Öfen
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Zur Begründung wird im Einzelnen ausgeführt, dass die Klägerin in ihren HT-Öfen
seit jeher und auch nach den zuletzt in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien
Abfall verbrenne und die novellierte 17. BImSchV für diesen Fall neue klare
Vorgaben enthalte, die mit der angefochtenen Verfügung umgesetzt worden
seien.Die Anordnung sei auch in kostenrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
Sie umfasse den gesamten mit der streitgegenständlichen Anordnung
verbundenen Aufwand, insbesondere die Vorbereitung (Ermittlung) und
Anhörung.Weiterer Vortrag - insbesondere zu den hilfsweise und höchst hilfsweise
gestellten Anträgen der Klägerin - werde vorbehalten. Im Übrigen belege der
vorgelegte Verwaltungsvorgang, dass der Entscheidung eine fast zwölf Monate
währende Anhörungsphase vorausgegangen sei, in der man sich intensiv mit den
Argumenten der Klägerin auseinandergesetzt habe und den Standpunkt in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wiederholt überprüft habe.
Für weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt,
auch den der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur insoweit begründet als hilfsweise die Aufhebung der Nr. 1.2, 1.3.3
und 2.5 der Anordnung vom 24. Mai 2006 beantragt wird, denn für diese Teile der
Anordnung gibt es keine Ermächtigungsgrundlage. Im Übrigen ist die Klage
unbegründet, weil die Anordnung ansonsten rechts- und ermessensfehlerfrei ist
und deshalb die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
Der Hauptantrag, die Anordnung insgesamt aufzuheben, wäre nur dann
begründet, wenn die Anlage der Klägerin nicht von der 17. BImSchV erfasst würde.
Das ist aber nicht der Fall. Das beklagte Land geht zu Recht davon aus, dass
aufgrund der letzten Änderung der 17. BImschV aufgrund des Einsatzes des
Harzöls in den HT-Öfen als Ersatzbrennstoff der Anwendungsbereich der 17.
BImschV eröffnet ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 17. BImschV). Das Harzöl ist als Abfall zu
qualifizieren. Es ist kein abfallähnlicher flüssiger brennbarer Stoff, für den die
Ausnahme des § 17 Abs. 1 Nr. 2 17. BImSchV gilt, weil bei der Verbrennung keine
anderen oder höheren Emissionen als bei der Verbrennung von Heizöl EL auftreten
können.
Dieser Einordnung des Einsatzstoffes Harzöl als Abfall steht zunächst nicht die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden ... entgegen. Mit dieser
Entscheidung wurde nach dem klägerischen Vortrag, eine Klage mit dem Ziel,
auch Phenolwasser der Anlage zuführen zu dürfen, abgewiesen. Streitgegenstand
dieses Verfahrens war nach dem Vortrag der Klägerin, die das Urteil, auf das sie
sich bezieht nicht einmal vorgelegt hat, also der Einsatz von Phenolwasser in den
HT-Öfen, nicht der von Harzöl, so dass selbst wenn in den Entscheidungsgründen
dieses Urteils das Harzöl nicht als Abfall bewertet worden sein sollte, eine
Bindungswirkung bezüglich der Erwägungen zur Qualität des Harzöls nicht
eingetreten sein kann (§ 121 VwGO).
Das beklagte Land stuft das eingesetzte Harzöl zutreffend als Abfall ein. Die
Argumentation der Klägerin, es handele sich um ein Nebenerzeugnis und nicht um
einen als Abfall zu bewertenden Produktionsrückstand überzeugt dagegen nicht.
Abfälle sind nach § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG, der dem Abfallbegriff nach Art. 1 a) der
Richtlinie 75/442/EWG entspricht, alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang
I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will
oder entledigen muss. Dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz liegt damit in
Übereinstimmung mit den europarechtlichen Vorgaben ein weiter Abfallbegriff zu
Grunde, um ein hohes Umweltschutzniveau zu gewährleisten (Herbert, Zehn Jahre
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, NVwZ 2007, 617 ff.).
Kennzeichnend für diesen Abfallbegriff ist der Begriff der Entledigung. Ein Wille zur
Entledigung ist nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 KrW-/AbfG hinsichtlich solcher beweglicher
Sachen anzunehmen, die anfallen, ohne dass der Zweck der jeweiligen Handlung
hierauf gerichtet ist. Danach ist die Zweckbestimmung des Harzöls das
entscheidende Kriterium für die Abgrenzung zwischen (Neben)Produkt und Abfall.
Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Abgrenzung von Abfall und
Nebenerzeugnissen (beginnend mit den Entscheidungen C-418/97 und C-419/97
"LUWA-Bottoms" und "Holzspäne", über die Entscheidung in der Rechtssache C-9-
00 "Bruchgestein", das Urteil C-114/01 "Sandrückstände" und "Nebengestein" bis
zum Beschluss C-235/02 "Petrolkoks") sind Produktionsrückstände grundsätzlich
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zum Beschluss C-235/02 "Petrolkoks") sind Produktionsrückstände grundsätzlich
als Abfall zu qualifizieren. Ein Produktionsrückstand ist ein Erzeugnis, das nicht als
solches zum Zweck der Verwendung angestrebt wird (Sobotta, Die Abgrenzung
von Nebenprodukten und Produktionsabfällen in der Rechtsprechung des EuGH,
ZUR 2007, 188 ff.). Demgegenüber ist ein Stoff jedenfalls dann als Nebenprodukt
einzustufen, wenn er zielgerichtet hergestellt wird. Auszugehen ist bei der
Abgrenzung im Einzelfall von der konkret zu beurteilenden Anlage, vorliegend also
von dem F-Betrieb der Klägerin, zu dem die zwei HT-Öfen gehören. Nach dem
Vortrag der Klägerin dienen die HT-Öfen der Erhitzung des Wärmeträgeröls (G-Öl)
zur Beheizung der Kesselanlage des F-Betriebes. Das Harzöl fällt in den
Produktionsbereichen an und besteht aus mehrfach verwendeten Lösemitteln, die
auf Grund ihres Verunreinigungsgrades nicht weiter im Produktionsprozess
verwendbar sind. Es wird dann in den HT-Öfen neben Heizöl EL als Ersatzbrennstoff
eingesetzt. Die erste immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die HT-Öfen
wurde am 27.05.1982 auf Antrag der J-AG für eine "HT-Anlage mit
Rückstandsverwertung für den K-Betrieb)"erteilt. In dem Antrag heißt es unter
anderem: "...die neue Anlage soll gleichzeitig die Möglichkeit einer Verwertung von
aus dem Produktionsprozess anfallenden Rückständen schaffen". Der weitere
Genehmigungsbescheid vom 15.08.2001 geht zurück auf einen Antrag vom
15.08.2000 der L, der lautete auf "Energetische Verwertung von Abfällen als
Ersatzbrennstoff für Heizöl im HT-Ofen Geb. ...." Schon diese eigenen Angaben
machen deutlich, dass der F-Betrieb der Klägerin nicht den Zweck hat, Harzöl zu
produzieren und dass das Harzöl auch nicht zur Weiterverwertung als
Wirtschaftsgut hergestellt wird. Das Harzöl ist vielmehr unerwünscht. Eine
Einstufung als Nebenprodukt scheidet danach grundsätzlich aus.
Nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH gilt diese Einstufung eines
Produktionsrückstandes als Abfall ausnahmsweise dann nicht, wenn unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ein Verbrauch der gesamten
Menge gesichert ist und im Wesentlichen die gleiche Verwendung erfolgt wie bei
den Haupterzeugnissen, so jedenfalls das obiter dictum der
"Petrolkoksentscheidung" des EuGH, auf die sich beide Parteien beziehen (vgl. zu
dieser Entscheidung und ihrer Bewertung Jacoby, Trendwende in der
abfallrechtlichen Judikatur des EuGH: Petrolkoks als Nebenerzeugnis). Diese
Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da gerade nicht die gleiche
Verwendung erfolgt wie bei den Haupterzeugnissen, den hergestellten Harzen. Es
gibt keinen Grund dafür, den Produktionsrückstand Harzöl allein deshalb, weil die
Klägerin eine wirtschaftlich sinnvolle kostensenkende Möglichkeit der Verbrennung
in den betrieblichen HT-Öfen gefunden hat, als Nebenprodukt einzustufen. Diese
typisch abfallrechtliche energetische Verwertung des Harzöls durch die Klägerin
macht den Produktionsrückstand nicht zum Nebenprodukt (a.A. das Urteil des
OVG Münster, UPR 2006, 77 ff., auf das die Klägerin sich beruft).
Nach alledem ist die Klage im Hauptantrag unbegründet und deshalb
zurückzuweisen.
Der Hilfsantrag ist nur zum Teil begründet. Die Anordnungen zu Nr. 1.2, 1.3.3 und
2.5 sind von den Ermächtigungsgrundlagen nicht gedeckt und deshalb
rechtswidrig, so dass sie aufzuheben sind, da sie die Klägerin in ihren Rechten
verletzen.
Die Anordnungen Nr. 1.2 und1.3.3. berücksichtigen nicht, dass bei der
Verbrennung des Harzöls, was unstreitig ist, keine anderen oder höheren
Immissionen als bei der Verbrennung von Heizöl EL auftreten können (§§ 4 Abs. 4
Satz 2, 4 Abs. 8 Satz 1 17. BImSchV).
Einzelmessungen durften nicht, wie aber mit Nr. 2.5 der Anordnung geschehen,
angeordnet werden, da die Ermächtigungsgrundlage des § 13 17. BImSchV für die
Anordnung von Einzelmessungen voraussetzt, dass die Anlage nach
Neuerrichtung oder wesentlicher Änderung erstmals in Betrieb genommen wird,
was nicht der Fall ist. Mit der Aufhebung von Nr. 2.5 der Anordnung insgesamt wird
auch dem Hilfsantrag zu d), der sich auf Abs. 2 und 3 der Nr. 2.5 beschränkt,
entsprochen. Eines zusätzlichen Ausspruchs bedurfte es nicht.
Im Übrigen dagegen ist die angefochtene Verfügung rechts- und
ermessensfehlerfrei und die Klägerin hat über die gewährten Ausnahmen hinaus
keinen Anspruch auf weitere Ausnahmen.
Was die begehrten Ausnahmen angeht, so hat die Klägerin nicht substantiiert
dargelegt, dass die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 19 17.
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dargelegt, dass die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 19 17.
BImSchV für die Zulassung von Ausnahmen vorliegen. Diese Vorschrift findet auch
Anwendung bei Ausnahmen von aufgrund § 11 17. BImSchV angeordneten
Messungen. § 11 Abs. 1 Satz 3 BImSchV stellt nämlich keine eigenständige und
abschließende Ausnahmevorschrift für kontinuierliche Messungen dar. Er
bestimmt lediglich zusätzliche Anforderungen, die im Rahmen der Entscheidung
über Ausnahmen gemäß § 19 17. BImSchV bei angeordneten kontinuierlichen
Messungen zu beachten sind. Erste tatbestandliche Voraussetzung für die
Gewährung von Ausnahmen ist nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 17. BImSchV, dass die
einzelne Anordnung ... nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erfüllbar ist.
Hierfür trifft die Klägerin, die die Ausnahme begehrt, die Darlegungslast. Es ist
aber nach dem Vortrag der Klägerin nicht zu überprüfen, ob die jeweilige
Anordnung von der eine Ausnahme begehrt wird, unverhältnismäßig sein könnte.
Die Klägerin hat lediglich die Gesamtkosten angegeben, die einmalig und
wiederkehrend entstehen würden, wenn sie der Anordnung insgesamt Folge
leistete. Sie konnte auch auf Befragen in der mündlichen Verhandlung die Kosten
nicht bezogen auf die einzelnen Anordnungsteile spezifizieren. Ein Rückschluss auf
die Kosten der einzelnen angeordneten Maßnahmen ist danach genauso wenig
möglich wie darauf aufbauend der Schluss auf eine Unverhältnismäßigkeit.
Deshalb ist die Verpflichtungsklage bezüglich der Hilfsanträge zu e) bis i) sowie
bezüglich der insoweit höchst hilfsweise gestellten Bescheidungsanträge
zurückzuweisen.
Auch die teilweise Anfechtung der auf 4.685,60 € festgesetzten Verfahrenskosten,
die sich auf Nr. 152 des Kostenverzeichnisses beruft, bleibt ohne Erfolg. Diese Nr.
des Kostenverzeichnisses nimmt den Zeitaufwand, der im Rahmen der
Überwachung nach § 52 Abs. 1 BImSchG entsteht, vom Ermittlungsaufwand aus. §
52 BImSchG regelt die allgemeine Überwachung genehmigungspflichtiger Anlagen
durch die zuständigen Behörden. Hiervon zu trennen ist das konkrete
kostenpflichtige Verwaltungsverfahren, das mit der Einleitung beginnt (§ 22
HVwVfG) und das die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den
Erlass des Verwaltungsakts beinhaltet (§ 10 HVwVfG). Die Anhörung (§ 28 HVwVfG)
ist Teil dieses Verfahrens. Sie erfolgt nach Einleitung des Verfahrens, wenn die
Prüfung durch die zuständige Behörde ergibt, dass Handlungsbedarf besteht, der
in Rechte des Beteiligten eingreift, bevor der das Verfahren abschließende
Verwaltungsakt erlassen wird. Kostenpflichtig ist der gesamte Aufwand des
Verwaltungsverfahrens, das nicht erst mit der Anhörung beginnt und das mit den
allgemeinen Überwachungspflichten der zuständigen Behörden nicht
gleichzusetzen ist, auch nicht teilweise.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO nach Obsiegen und
Unterliegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der
Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung ist, zumal das Gericht mit der Abweisung des Hauptantrages von
einer Entscheidung des OVG Münster abweicht, wegen grundsätzlicher Bedeutung
(§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen (vgl. BVerfG, NVwZ 1993, 465 f.)
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.