Urteil des VG Trier vom 03.09.2008

VG Trier: politische verfolgung, asylverfahren, nigeria, neue beweismittel, grobes verschulden, anerkennung, bundesamt, ausreise, staat, abschiebung

Asylrecht
Aufenthaltsrecht
Ausländerrecht
VG
Trier
03.09.2008
5 K 384/08.TR
Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG liegt nur vor, wenn die für den
Verwaltungsakt maßgeblichen Rechtsnormen, also seine entscheidungserheblichen rechtlichen
Grundlagen, nachträglich geändert wurden.
Ein Asylbewerber ist verpflichtet, in seinem ersten Asylantrag umfassend alle Tatsachen vorzutragen, die
Rückschlüsse auf eine ihm drohende Verfolgungsgefahr zulassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die
drohenden Verfolgungsgefahren asylrechtsrelevant sind oder ein Abschiebunsgverbot begründen.
Trägt er im ersten Asylverfahren nicht alle Tatsachen vor, so kann er mit einem Asylfolgeantrag nicht
geltend machen, erst durch einen nunmehr beauftragten anderen Rechtsanwalt davon Kenntnis erlangt
zu haben, dass die seinerzeit nicht genannten Tatsachen - auch im Lichte der zwischenzeitlichen
Neufassung/Änderung des § 60 AufenthG - nunmehr ein Abschiebungsverbot begründeten.
Verwaltungsgericht Trier
5 K 384/08.TR
Urteil
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Asylrechts (Nigeria)
hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3.
September 2008 durch
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägerinnen wird nachgelassen, die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages
abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerinnen - Mutter und Tochter - erstreben ihre Asylanerkennung, die Feststellung der
Flüchtlingseigenschaft sowie von Abschiebungsverboten.
Am 9. September 2004 stellte die Klägerin zu 1) bei der Außenstelle des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Trier erstmals einen Asylantrag, nachdem sie sich am 3.
September 2004 bei der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende Trier als Asylsuchende gemeldet hatte.
Bei der Asylbeantragung gab sie an, nigerianische Staatsangehörige und am *** in *** geboren zu sein;
sie gehöre der Volksgruppe der Ibo an und sei christlicher Religionszugehörigkeit. Bei ihrer persönlichen
Anhörung vor dem Bundesamt am 15. September 2004 trug die seinerzeit hochschwangere Klägerin zu 1)
vor, dass sie verheiratet sei und ein Kind in Nigeria bei einer Freundin zurückgelassen habe. Der Vater
ihres Ehemannes sei der Chief ihres Dorfes gewesen. Er habe drei Gehilfen für den Schrein gehabt, die
reiche Leute ausgesucht und behauptet hätten, sie schuldeten ihnen Geld. Der angebliche Schuldner sei
dann zum Orakel gebracht worden und habe ein Glas vergiftetes Wasser trinken müssen. Anschließend
habe der Schwiegervater das Geld der Getöteten an sich genommen. Deswegen habe sie Albträume, in
denen das Orakel sie töte. Ein Dorfbewohner namens Robert habe sich bei der Regierung in Abijan über
die Ereignisse beschwert. Darauf hätten Regierungstruppen viele Leute festgenommen und das Dorf
zerstört. Dies sei vor ungefähr zwei Monaten gewesen. Sie selbst sei ins nächste Dorf gegangen; wo sich
ihr Ehemann aufhalte, wisse sie nicht. Gleichwohl hätte sie weiterhin Albträume gehabt. Sie befürchte, von
den Leuten des Orakels getötet zu werden. An staatliche Stellen habe sie sich nicht gewandt, um dort Hilfe
zu erhalten. Eine weiße Frau habe ihr dann geholfen, Nigeria zu verlassen; sie sei am 2. September 2004
mit einem Flugzeug nach Frankfurt geflogen.
Dieser Asylantrag der Klägerin zu 1) blieb erfolglos; er wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23. September 2004 sowohl hinsichtlich der Anerkennung
als asylberechtigt als auch hinsichtlich § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - als offensichtlich
unbegründet abgelehnt. Außerdem wurde das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG
verneint. Ferner wurde die Klägerin zu 1) aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer
Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise
wurde ihr die Abschiebung nach Nigeria oder in jeden anderen Staat, in den sie einreisen darf und der zu
seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Zur Begründung des Bescheids ist ausgeführt, dass
eine Asylanerkennung bereits deshalb ausscheide, weil die Klägerin zu 1) nicht glaubhaft dargelegt habe,
dass sie als hochschwangere Frau auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist sei.
Abschiebungshindernisse könnten nicht festgestellt werden, weil das - im Übrigen völlig unglaubhafte -
Vorbringen der Klägerin zu 1) noch nicht einmal ansatzweise eine drohende politische Verfolgung
erkennen lasse. Es sei anzunehmen, dass sie sich schon länger illegal in Deutschland aufhalte und den
Asylantrag lediglich wegen der unmittelbar bevorstehenden Geburt ihres Kindes und der damit bei einem
illegalen Aufenthalt verbundenen Schwierigkeiten gestellt habe.
Am 4. Oktober 2004 hat die seinerzeit anwaltlich vertretene Klägerin zu 1) sodann Klage erhoben, die mit
seit dem 10. Februar 2005 rechtskräftigem Urteil der erkennenden Kammer vom 17. Januar 2005 - 5 K
1374/04.TR - abgewiesen wurde.
Mit Schriftsatz vom 3. Mai 2005 stellte die zu diesem Zeitpunkt nicht anwaltlich vertretene Klägerin zu 1)
sodann für die am *** in *** geborene Klägerin zu 2), ihre Tochter, einen ersten Asylantrag, ohne diesen in
der Sache zu begründen.
Auch dieser Asylantrag blieb erfolglos; er wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 4. Juli 2005, der am
8. Juli 2005 zugestellt wurde, sowohl hinsichtlich der Anerkennung als asylberechtigt als auch hinsichtlich
§ 60 Abs. 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Außerdem wurde das Vorliegen von
Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG verneint. Ferner wurde die Klägerin zu 2)
aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der
Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihr die Abschiebung nach
Nigeria oder in jeden anderen Staat, in den sie einreisen darf und der zu seiner Rückübernahme
verpflichtet ist, angedroht. Zur Begründung des Bescheids ist ausgeführt, dass nichts für eine der Klägerin
zu 2) in ihrem Heimatland drohende Verfolgung ersichtlich sei.
Am 12. Juli 2005 hat die Klägerin zu 2) sodann - ohne anwaltliche Vertretung - Klage erhoben, die mit seit
dem 28. Dezember 2005 rechtskräftigem Urteil der erkennenden Kammer vom 23. November 2005 - 5 K
683/05.TR - abgewiesen wurde.
Mit Anwaltsschriftsatz der jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 9. August 2007 haben beide Klägerinnen
sodann Asylfolgeanträge gestellt und geltend gemacht, dass der Klägerin zu 2) in Nigeria eine
Zwangsbeschneidung drohe. Persönlich wurden die Anträge am 4. Oktober 2007 bei der Außenstelle des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in Trier gestellt. Dabei machten die Klägerinnen
geltend, dass die frauenspezifischen Asylgründe in den bisherigen Asylverfahren nicht berücksichtigt
worden seien.
Bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 27. Februar 2008 trug die Klägerin zu 1) vor,
dass bei der Volksgruppe der Ibo, der sie angehöre, eine zwangsweise Beschneidung vom Mädchen
verpflichtend sei. Die Kinder würden den Eltern weggenommen und - auch gegen den Willen der Eltern -
vom Stammesältesten beschnitten. Sie selbst sei im Alter von drei Monaten ebenfalls beschnitten worden.
In einem von der Klägerin zu 1) vorgelegten ärztlichen Attest vom 11. Januar 2008 ist allerdings
ausgeführt, dass bei ihr keine Anzeichen für eine Beschneidung erkennbar seien.
Mit Bescheid vom 8. Mai 2008, der am 16. Mai 2008 zur Post gegeben wurde, lehnte das Bundesamt die
Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und eine Abänderung de Bescheide vom 23. September
2004 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG bzw. vom 4. Juli 2005 bezüglich der Feststellungen zu § 60
Abs. 2 bis 7 AufenthG ab. Die Voraussetzungen der §§ 71 AsylVfG, 51 Abs. 1 bis 3 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes lägen nicht vor; das jetzige Vorbringen, das sich ausschließlich auf die
Klägerin zu 2) beziehe, hätte bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht werden können. Im Übrigen
stehe zwischenzeitlich fest, dass das ursprüngliche Vorbringen der Klägerin zu 1) bereits deshalb nicht
glaubhaft sei, weil sie ausweislich der Eintragungen in ihrem Pass bereits am 13. Dezember 2003 - und
damit vor den sie angeblich zur Ausreise aus Nigeria veranlassenden Ereignissen - mit einem Schengen-
Visum nach Griechenland geflogen sei. Auch bestehe keine Veranlassung, die ergangene Entscheidung
nach pflichtgemäßem Ermessen wieder aufzugreifen.
Am 27. Mai 2008 haben die Klägerinnen Klage erhoben, mit der sie auf das bisherige Vorbringen
verweisen. Des Weiteren trägt die Klägerin zu 1) vor, dass sie aus armen Verhältnissen stamme und
befürchte, bei einer Rückkehr nach Nigeria mit dem Mann, der ihr die Ausreise finanziert habe und dem
sie seinerzeit bereits versprochen gewesen sei, zwangsweise verheiratet zu werden. Bei einer Weigerung
habe sie Lebensbedrohungen zu befürchten. Außerdem betont sie erneut, im jüngsten Babyalter
beschnitten worden sei; das gleiche Schicksal drohe der Klägerin zu 2). Derartiges sei im ersten
Asylverfahren nicht vorgetragen worden, weil seinerzeit nicht bekannt gewesen sei, dass ein Asylantrag
auf frauenspezifische Gründe gestützt werden könne. Hiervon hätten sie - die Klägerinnen - erst nach der
Mandatierung des jetzigen Prozessbevollmächtigten Ende Juli 2007 erfahren, so dass die
Asylfolgeanträge fristgerecht gestellt worden seien. Aufgrund der der Klägerin zu 2) drohenden
Zwangsbeschneidung lägen bei der Klägerin zu 1) die Voraussetzungen des § 26 AsylVfG für die
Gewährung von Familienasyl vor.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zu 1) vorgetragen, dass sie im Dezember 2003 nicht
nach Griechenland geflogen sei, weil sie dort hätte verheiratet werden sollen; sie sei im September 2004
nach Deutschland geflogen.
Die Klägerinnen beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als
Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass im Hinblick auf ihre Person in Bezug auf eine
Abschiebung nach Nigeria die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1, Abs. 2 bis Abs. 5 bzw. Abs. 7 des
Aufenthaltsgesetzes vorliegen.
Die in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung ebenfalls nicht vertretene Beklagte ist
dem Vorbringen der Klägerin unter Bezugnahme auf die Gründe ihrer Entscheidung schriftsätzlich
entgegengetreten und bittet,
die Klage abzuweisen.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 5. Juni 2008 den Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze
der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 3. September 2008. Die
sämtliche Asylverfahren der Klägerinnen betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die auf Blatt
52 ff. der Prozessakte aufgelisteten Unterlagen zu den Verhältnissen in Nigeria lagen vor und waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet, den Klägerinnen steht weder ein Anspruch
auf Anerkennung als asylberechtigt noch ein solcher auf Feststellung von Abschiebungsverboten zur
Seite, denn bei ihnen ist gemäß § 71 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG - kein weiteres Asylverfahren
durchzuführen.
Dabei ist das Gericht durch das Ausbleiben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht gehindert,
diese Entscheidung zu treffen, denn die Beklagte wurde zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß
geladen und mit der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen, dass auch im Falle ihres
Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.
Maßgebend für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens sind in Bezug auf die Klägerin zu 1) nicht
mehr die der Entscheidung der Beklagten vom 23. September 2004 zugrunde liegenden Bestimmungen
des Asylverfahrensgesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993
- AsylVfG'1993 - (BGBl. I. S. 1361) und des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990 - AuslG -, denn gemäß §
77 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen
Änderungen durch das Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 - AsylVfG - (BGBl. I. S. 1950, 1989 ff.) ist
auf die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebende Rechtslage abzustellen, so dass im
Hinblick auf das Bestehen von Abschiebungsverboten grundsätzlich auf § 60 des Aufenthaltsgesetzes -
AufenthG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162) abzustellen ist.
Das Begehren der Klägerinnen kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben, weil in ihrem Fall gemäß §
71 Abs. 1 AsylVfG kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, da die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - nicht vorliegen und die Beklagte rechtsfehlerfrei ein
Wiederaufgreifen des Verfahrens abgelehnt hat.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist, wenn ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer
Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, ein weiteres
Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes(VwVfG) vorliegen. Nach § 51 VwVfG ist ein Antrag auf Wiederaufgreifen
des Verfahrens nur dann zulässig, wenn eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist, neue
Beweismittel vorliegen oder Wiederaufnahme gründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung - ZPO
- gegeben sind, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das
Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen und wenn die Geeignetheit der neuen
Umstände für eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung schlüssig dargelegt und der Antrag binnen
3 Monaten nach Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt wurde (vgl. zu alledem, BVerwG,
Urteile vom 15. Dezember 1987 - 9 C 285/86 -, vom 30. August 1988 - 9 C 47/87 -, NVwZ 1989 S. 161 und
vom 13. Mai 1993 - 9 C 49/92 -, BVerwGE 92 S. 278). Dabei genügt es nicht, dass der Asylbewerber eine
nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage lediglich behauptet; vielmehr ist es erforderlich, dass
sich aus dem glaubhaften, substantiierten Vortrag des Asylbewerbers eine nachträgliche Änderung im
Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage tatsächlich
ergibt.
Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5
VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige
frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch des
Antragstellers auf fehlerfreie Ermessensausübung. Hat das Bundesamt auf einen derartigen
Wiederaufgreifensantrag eine Abänderung der ergangenen Entscheidung mit der Begründung abgelehnt,
das neue Vorbringen ermögliche keine abweichende Entscheidung, hat es ungeachtet der Frage des
Wiederaufgreifens eine neue Sachentscheidung getroffen, deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfbar
ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 - 9 C 41/99 -, BVerwGE 111, S. 77 ff.).
Vorliegend sind die Voraussetzungen der §§ 71 Abs. 1 AsylVfG, 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die
Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht erfüllt, denn die Verhältnisse, insbesondere die
Rechtslage, haben sich seit Abschluss der ersten Klageverfahren der Klägerinnen nicht
entscheidungserheblich geändert. Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG
liegt nämlich nur vor, wenn die für den Verwaltungsakt maßgeblichen Rechtsnormen, also seine
entscheidungserheblichen rechtlichen Grundlagen, nachträglich geändert wurden (vgl. BVerwG, Urteil
vom 4. September 2007 - 1 C 21.07 - BVerwGE 129, S. 243 ff). Daran fehlt es indessen, denn in Bezug auf
den von den Klägerinnen in ihren ersten Asylverfahren vorgetragenen Sachverhalt, der auch den
Entscheidungen der Beklagten über die beiden ersten Asylanträge zugrunde gelegt wurde, haben sich
die einschlägigen Bestimmungen nicht entscheidungserheblich geändert.
Zwar wurde durch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der seit Januar 2005 geltenden Fassung zunächst klar
gestellt, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch wegen
einer geschlechtsspezifischen Verfolgung vorliegen kann. Durch § 60 Abs. 1 Satz 4 c AufenthG wurde
außerdem der bisher durch § 51 Abs. 1 AuslG gewährte Abschiebungsschutz auf die Verfolgung durch
nichtstaatliche Akteure erstreckt, sofern der Staat oder Parteien und Organisationen, die den Staat oder
wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens
sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
Schließlich stellte die zum 28. August 2007 in Kraft getretene Neuregelung des § 60 Abs. 1 Satz 5
AufenthG in Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die
Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als
Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden
Schutzes (Qualifikationsrichtlinie) nunmehr klar, dass für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1
vorliegt, die Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der Qualifikationsrichtlinie ergänzend anzuwenden
sind.
Diese Rechtsänderungen stellen indessen keine Änderung der Rechtslage in Bezug auf die
Entscheidungen der Beklagten im jeweils ersten Asylverfahren der Klägerinnen dar, weil die Klägerinnen
in ihren ersten Asylverfahren keine Tatsachen vorgetragen haben, die im Lichte der geänderten
Bestimmung des § 60 AufenthG Einfluss auf die Entscheidungen über
Abschiebungshindernisse/Abschiebungsverbote hätten haben können. Dies gilt insbesondere hinsichtlich
der nunmehr von den Klägerinnen im Rahmen der Klagebegründung vorgetragenen frauenspezifischen
Gesichtspunkte. Soweit die Klägerinnen vortragen, von deren Asylrelevanz erst infolge der Beauftragung
ihrer nunmehrigen Prozessbevollmächtigten erfahren zu haben, ändert dies nichts daran, dass die von
ihnen behaupteten Tatsachen, sollten sie denn überhaupt vorliegen, keine nachträgliche Änderung der
Sach- oder Rechtslage betreffen. Im Hinblick auf die die Klägerinnen gemäß §§ 15 AsylVfG, 86 Abs. 1
Satz 1 Halbsatz 2 VwGO treffenden Mitwirkungspflichten war es nämlich zunächst ihre Aufgabe, in ihren
ersten Asylverfahren als Asylsuchende alle ihre guten Gründe für eine politische Verfolgung in schlüssiger
Form vorzutragen. Sie hätten also unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen
Sachverhalt schildern müssen, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger
Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihnen nicht
zuzumuten ist, im Herkunftsland zu bleiben oder nach dort zurückzukehren/erstmals einzureisen. Dabei
braucht der Asylsuchende zwar nur in Bezug auf die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse und
persönlichen Erlebnisse eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu
tragen, während es hinsichtlich der allgemeinen politischen Verhältnisse ausreicht, wenn er Tatsachen
vorträgt, aus denen sich - ihre Wahrheit unterstellt - hinreichende Anhaltspunkte für eine nicht entfernt
liegende Möglichkeit politischer Verfolgung für den Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland ergeben
kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. März 1987 - 9 B 266/86 -). Demnach muss er alle Umständen
vortragen, aus denen sich zumindest Anhaltspunkte für eine politischen Verfolgung bzw. das Bestehen
von Abschiebungshindernissen/Abschiebungsverboten ergeben. Nicht verlangt wird von ihm hingegen
eine Bewertung, ob die behauptete Verfolgungsgefahr tatsächlich asylrechts- oder abschiebungsrelevant
ist oder nicht. Demnach ist er gehalten, alle Tatsachen, die Rückschlüsse auf eine irgendwie geartete
Verfolgungsgefahr zulassen können, umfassend vorzutragen.
Dieser ihrer Verpflichtung sind die Klägerinnen indessen in ihren ersten Asylverfahren nicht
nachgekommen, denn sie haben keine Tatsachen vorgetragen, die Rückschlüsse auf
geschlechtsspezifische Verfolgungsgefahren zulassen könnten. Dabei können sie auch nicht geltend
machen, dass ein diesbezüglicher Vortrag seinerzeit von vornherein entscheidungsunerheblich gewesen
und deshalb unterblieben sei, zumal sie nicht vorgetragen haben, dass ihnen in den ersten Asylverfahren
abgeraten worden sei, derartiges vorzutragen. Vielmehr ist den die beiden ersten Asylverfahren
betreffenden Verwaltungsvorgängen zu entnehmen, dass die Klägerinnen Gelegenheit hatten, alle
Gründe darzulegen, die einer Rückkehr in ihr Heimatland entgegenstehen könnten (vgl. Blatt 8 der
Verwaltungsakte 5120121-232 und Blatt 24 der Verwaltungsakte 5162940-232). Im Übrigen stellte sich
die Frage, ob eine drohende Zwangsbeschneidung asylrechts-/abschiebungsrelevant sein kann, nicht erst
seit der seit 2005 geänderten Rechtslage, sondern konnte auch vorher bereits von Bedeutung sein (vgl.
insoweit BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 - 9 C 118/90 -, BVerwGE 89, S. 162 ff.).
Von daher hätten die Klägerinnen die frauenspezifischen Gesichtspunkte bereits in ihren ersten
Asylverfahren vortragen können und müssen. Wenn dies deshalb unterblieben sein sollte, weil der frühere
Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1) diese nicht hinreichend informiert hätte, müsste sich die
Klägerin zu 1) insoweit gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO ein eventuelles Verschulden ihres
früheren Prozessbevollmächtigten zuzurechnen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2002 -
1 B 429/02 -, NVwZ 2003, S. 868).
Da es aber - wie bereits ausgeführt - Aufgabe eines Asylbewerbers ist, umfassend alle Tatsachen
vorzutragen, die Rückschlüsse auf eventuelle mit einer Rückkehr ins Heimatland verbundenen Gefahren
zulassen, und die Klägerinnen seinerzeit durch die Beklagte auch zur Abgabe aller Gründe, die einer
Rückkehr in ihr Heimatland entgegenstehen könnten, aufgefordert wurden, ist das Gericht der
Überzeugung, dass der Verschuldensgrad des groben Verschuldens im Sinne des § 51 Abs. 2 VwVfG
gegeben ist, so dass für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens kein Raum ist.
Im Übrigen steht - ohne dass dies allerdings noch entscheidungserheblich wäre - das jetzige Vorbringen
der Klägerin zu 1) über ihre Lebensumstände in Nigeria in krassem Widerspruch zu den von ihr im ersten
Asylverfahren gemachten Angaben.
Demzufolge kann die Klage mit der auf § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -
beruhenden Kostenentscheidung keinen Erfolg haben; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG
nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre
Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.