Urteil des VG Stuttgart vom 28.11.2012

VG Stuttgart: öffentlichkeit, ablauf der frist, beschleunigtes verfahren, bebauungsplan, öffentliche bekanntmachung, gemeinderat, artenschutz, apotheke, zeitung, verkehr

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 28.11.2012, 3 S 2313/10
Leitsätze
Eine Fristverkürzung nach § 4a Abs. 3 Satz 3 BauGB ist auch im beschleunigten Verfahren nur
dann angemessen, wenn sich ein interessierter Bürger innerhalb der gewählten Frist über die
Änderungen und Ergänzungen des Planentwurfs und den Inhalt der ausgelegten Unterlagen
informieren und anschließend substantiiert dazu Stellung nehmen kann. Das ist unter Würdigung
aller Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Komplexität der
Änderungen und Ergänzungen und ihrer Bedeutung für die Planungskonzeption insgesamt,
festzustellen.
Tenor
Der Bebauungsplan "Bahnhofstraße/Güterstraße" der Stadt Wiesloch vom 21. Juli 2010 wird für
unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan "Bahnhofstraße/Güterstraße"
der Antragsgegnerin.
2 Der Plan umfasst ein Gebiet von 31.535 m² um den ehemaligen Stadtbahnhof in Wiesloch
zwischen der Bahnhofstraße im Norden, der Hauptstraße im Osten und der Güterstraße im
Südwesten. Im Norden des Plangebiets ist ein Mischgebiet festgesetzt, im Südwesten ein
allgemeines Wohngebiet und im Südosten ein Sondergebiet „Fachmarktzentrum“, das in
die Flächen SO 1 im Osten und SO 2 im Westen untergliedert ist. Dazu heißt es in den
textlichen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung:
3
„Im SO 1 ist ein Fachmarktzentrum mit einer Gesamtverkaufsfläche von max. 5.850 m²
gemäß den folgenden Nutzungs-/Sortimentsvorgaben zulässig:
4
- Nahrungs- und Genussmittel mit einer Verkaufsfläche von max. 3.500 m², davon max.
3.000 m² Verkaufsfläche für Nahrungs- und Genussmittel und max. 500 m²
Verkaufsfläche für branchentypische Randsortimente,
5
- Elektrowaren, Medien, Fotoartikel mit einer Verkaufsfläche von max. 3.000 m²,
6
- Drogeriewaren, Parfümerie, Kosmetik mit einer Verkaufsfläche von max. 650 m²,
7
- eine Apotheke mit einer Verkaufsfläche von max. 100 m²,
8
- insgesamt maximal 2.800 m² Verkaufsfläche mit den Sortimenten und den max.
Verkaufsflächen der folgenden Sortimentsliste:
9
- Bekleidung maximal 650 m²,
- Schuhe, Lederwaren max. 650 m²,
- Tiernahrung, zoologischer Bedarf max. 800 m²,
- Spielwaren, Bastelartikel max. 700 m²,
- größerteilige Baby- und Kinderartikel max. 950 m², davon für Baby-/Kinderbekleidung
max. 200 m²,
- Teppiche, Bodenbeläge max. 950 m²,
- Autozubehör max. 950 m²,
- Sportbekleidung, -schuhe -geräte max. 1.200 m² Verkaufsfläche, und mit jeweils nur
einem Geschäft je Sortiment, welches dieses Sortiment als Hauptsortiment führt,
- Haushaltswaren, Einrichtung, Möbel mit einer Verkaufsfläche von 3.000 m², davon
max. 300 m² Haushaltswaren.
10 Im Fachmarktzentrum sind nur Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von mindestens 450
m² zulässig, davon ausgenommen ist die Apotheke. Geschäfte für Nahrungs- und
Genussmittel sind nur mit einer Verkaufsfläche von mindestens 1.500 m² und Geschäfte
für Elektrowaren, Medien, Fotoartikel nur mit einer Verkaufsfläche von mindestens 1.000
m² zulässig.
11 Zulässig ist im SO 2 ein Parkhaus. Insgesamt sind im SO 1 und SO 2 max. 180
Stellplätze im Parkhaus und 40 weitere Stellplätze zulässig.“
12 Außerdem setzt der Plan Straßenverkehrsflächen im Plangebiet fest, insbesondere einen
Verkehrskreisel in der Mitte des östlichen Randes des Plangebiets im Bereich der
Kreuzung der Hauptstraße mit der Straße „Zur Tuchbleiche“, die vom Osten her in den
Kreisel einmündet und westlich des Kreisels als Güterstraße ihre Fortsetzung findet.
Südöstlich an diesen Kreisel grenzt das nicht überplante Grundstück Flst.-Nr. ... an, das
mit einem Wohnhaus bebaut ist und im Miteigentum der Antragstellerin steht.
13 Zum Artenschutz bestimmt der Plan:
14 „Vor Baumfällarbeiten sind die betroffenen Bäume auf Lebensstätten von Fledermäusen
zu untersuchen.
15 Der Zugriff auf Fledermäuse, Zauneidechsen, Schlingnattern oder ihre Lebensstätten
oder eine erhebliche Störung von Fledermäusen, Zauneidechsen, Schlingnattern oder
ihrer Lebensstätten ist höchstens nach Abstimmung mit der zuständigen
Verwaltungsbehörde gestattet.“
16 Anlass der Planung war laut Planbegründung die Errichtung eines großflächigen
Fachmarktzentrums zur Verbesserung der Versorgung mit Lebensmitteln im Stadtzentrum
und zur Ermöglichung der Ansiedlung eines großflächigen Elektromarkts, weil es hier ein
erhebliches Angebotsdefizit mit der Folge von Kaufkraftabfluss und fehlender
Magnetwirkung gebe. Seit Beginn des Verfahrens war ein Investor für das
Fachmarktzentrum vorhanden, der dieses inzwischen errichtet hat. Gegen die ihm am
29.07.2010 nach § 33 BauGB erteilte Baugenehmigung hat die Antragstellerin
Widerspruch erhoben und außerdem beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Diesen Antrag hat das
Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 30.11.2010 - 5 K 2320/10 - abgelehnt;
dagegen hat die Antragstellerin keine Beschwerde eingelegt.
17 Das Bebauungsplanverfahren verlief wie folgt:
18 Am 25.03.2009 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin, den Bebauungsplan
aufzustellen und das Verfahren als beschleunigtes Verfahren nach § 13a BauGB
durchzuführen; am 24.06.2009 beschloss er die Einleitung des Verfahrens und die
Durchführung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Beschlüsse wurden in der
Rhein-Neckar-Zeitung vom 25.03.2009 bzw. 07.07.2009 öffentlich bekannt gemacht. Nach
der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit in der Zeit vom 15.07.2009 bis einschließlich
14.08.2009 befasste sich der Gemeinderat am 18.11.2009 mit den eingegangenen
Stellungnahmen. Er beschloss die öffentliche Auslegung eines Planentwurfs, der
entgegen einer Empfehlung in einer „Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung mehrerer
Fachmärkte in Wiesloch“ der ... - im Folgenden: Einzelhandelsgutachen - keine
sortimentsspezifischen Obergrenzen, sondern betriebsbezogene Verkaufsflächen
festlegen sollte. Der Oberbürgermeister widersprach dem Beschluss, weil es an dem für
die Abweichung vom Gutachten erforderlichen Abwägungsprozess gefehlt habe. Am
05.12.2009 beschloss der Gemeinderat erneut, den Planentwurf auszulegen. Der Entwurf
sah vor, dass im Sondergebiet (Bereich SO 1) ein Fachmarktzentrum mit einer
Gesamtverkaufsfläche von maximal 5.850 m² gemäß folgender Festsetzung zu
„Betriebstypen-/Sortimentsbegrenzungen“ zulässig war:
19
- ein Lebensmittelvollsortimenter mit einer Verkaufsfläche von mindestens 1.500 m² und
eine Bäckerei. Beide zusammen dürfen eine Verkaufsfläche von 3.500m² nicht
überschreiten,
- ein Elektro- und Elektronikfachmarkt mit einer Verkaufsfläche von mindestens 1.500 m²
und maximal 3.000 m²,
- ein Drogeriemarkt mit einer Verkaufsfläche von mindestens 600 m² und maximal 650
m²,
- eine Apotheke mit einer Verkaufsfläche von mindestens 100 m².
20 Weitere Handelsnutzungen mit einer Gesamtverkaufsfläche von insgesamt maximal 2.150
m² und mit einer Verkaufsfläche der einzelnen Branchen von mindestens 450 m² bis
maximal 1.200 m² Verkaufsfläche, jedoch je Branche nur ein Geschäft, sind zulässig.
21 Zulässig ohne Flächenbegrenzung sind Betriebe mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten
und den Sortimenten Getränke und Schnittblumen sowie Nutzungen, die nicht dem
Einzelhandel zugeordnet sind.
22 Im Protokoll der Sitzung des Gemeinderats wurde festgehalten, dass der Rat den Schutz
des Versorgungskerns nicht durch den Ausschluss einzelner Sortimente gewährleistet
sehe, sondern dadurch, dass durch Beschränkung auf großflächige Nutzungen die
Kleinteiligkeit und die Vielfalt des Angebots im Versorgungskern erhalten bleibe. Dies
halte er auch deshalb für gerechtfertigt, weil der Geltungsbereich des Bebauungsplans
nach dem Regionalplan im zentralörtlichen Standortbereich liege und der Abschnitt der
Hauptstraße zwischen der Fußgängerzone und dem Bebauungsplangebiet in den
Versorgungsschwerpunkt mit eingebunden werden solle.
23 Die Auslegung wurde am 10.12.2009 in der Rhein-Neckar-Zeitung öffentlich bekannt
gemacht; sie erfolgte vom 18.12.2009 bis zum 18.01.2010. Ausgelegt wurden der
Planentwurf mit Begründung, das Einzelhandelsgutachten der ... vom Juni 2009 mit
Ergänzungen vom Oktober 2009 und Dezember 2009, das Verkehrsgutachten vom
Oktober 2009 und das schalltechnische Gutachten vom Oktober 2009.
24 Gleichzeitig wurden die Träger öffentlicher Belange beteiligt. Es erfolgten eine Vielzahl
von Stellungnahmen sowohl von Seiten der Träger öffentlicher Belange - etwa des
Verbandes Region Rhein-Neckar, der höheren Raumordnungsbehörde, des
Einzelhandelsverbands und der IHK - als auch von Seiten Privater, vor allem von Seiten
verschiedener Einzelhändler, mit detaillierten Einwendungen insbesondere zu der
befürchteten Beeinträchtigung des bestehenden Versorgungskerns in der Innenstadt und
damit zusammenhängend zu der Abweichung von der regionalplanerischen Liste
zentrenrelevanter Sortimente in der Planbegründung und der fehlenden Anbindung des
Standorts an die Innenstadt. Mit Schreiben vom 16.01.2010 nahm auch die Antragstellerin
Stellung und trug im Wesentlichen die mit dem jetzigen Normenkontrollantrag verfolgten
Einwendungen vor.
25 Nach Einholung eines weiteren Einzelhandelsgutachtens und verschiedener
Fachbeiträge zum Artenschutz befasste sich der Gemeinderat der Antragsgegnerin am
19.05.2010 mit den eingegangenen Stellungnahmen. Er beschloss einen geänderten
Entwurf, der der endgültigen Fassung des Plans bis auf das erst am 21.07.2010
aufgenommene Sortiment „Tiernahrung, zoologischer Bedarf“ entspricht. Zugleich
bestimmte er, dass das Beteiligungsverfahren erneut durchgeführt, bei der Beteiligung der
Öffentlichkeit der Auslegungszeitraum und die Frist zur Stellungnahme auf zwei Wochen
verkürzt und die Möglichkeit zur Stellungnahme auf die Änderungen beschränkt werden
solle. Eine entsprechende öffentliche Bekanntmachung erfolgte am 22.05.2010 in der
Rhein-Neckar-Zeitung, allerdings wurden als Zeitraum der öffentlichen Auslegung,
währenddessen Gelegenheit zur Stellungnahme bestehe, nur die 12 Tage vom
31.05.2010 bis einschließlich 11.06.2010 genannt. In diesem Zeitraum wurde der Entwurf
des Bebauungsplans mit Begründung und Anlagen ausgelegt, die Änderungen in den
textlichen und zeichnerischen Festsetzungen sowie in der Begründung wurden farbig
markiert. Als Anlagen zur Begründung wurden ausgelegt ein Einzelhandelsgutachten vom
Mai 2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 20.05.2010 sowie zum Artenschutz
Gutachten vom 03.02.2010 („Faunistische Wintererfassung der Artengruppe
Fledermäuse“), vom 05.03.2010 („Artenschutzrechtliche Übersichtsbegehung“), vom
27.05.2010 („Planungen und Untersuchungen zur CEF-Maßnahme zum Schutz der
Zauneidechse“) nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 20.04.2010 zur
„Zauneidechsensituation Fachmarktzentrum Wiesloch“, vom 05.05.2010 zum „Stand der
artenschutzrechtlichen Erhebung der Zauneidechsen“ und vom 21.05.2010 zum
„bisherigen und empfohlenen Vorgehen CEF-Maßnahme“. Ebenfalls ausgelegt als
ergänzende Informationen zum Artenschutz wurden zwei Stellungnahmen des
Naturschutzbundes vom 18.01.2010 und vom 18.05.2010 sowie ein Schreiben der
Unteren Naturschutzbehörde vom 21.01.2010.
26 Erneut gingen eine Reihe von Stellungnahmen Privater als auch von Trägern öffentlicher
Belange ein, teilweise erst nach Ablauf der Stellungnahmefrist. Die Antragstellerin nahm
am 11.06.2010 Stellung.
27 Am 21.07.2010 befasste sich der Gemeinderat der Antragsgegnerin mit den
eingegangenen Stellungnahmen und beschloss anschließend den Bebauungsplan und
die örtlichen Bauvorschriften als Satzung. Diese wurde am 14.09.2010 vom
Oberbürgermeister ausgefertigt und am 16.09.2010 in der Rhein-Neckar-Zeitung öffentlich
bekannt gemacht.
28 Die Antragstellerin hat am 30.09.2010 das Normenkontrollverfahren eingeleitet und ihren
Antrag am 09.02.2011 begründet. Sie ist der Auffassung, der Bebauungsplan sei sowohl
wegen formeller als auch wegen materieller Mängel unwirksam. Als Verfahrensfehler
macht sie unter anderem geltend, die Antragsgegnerin habe die Öffentlichkeitsbeteiligung
unzulässig verkürzt, indem sie die erste öffentliche Auslegung in die Weihnachtsferienzeit
und die erneute öffentliche Auslegung in die Zeit der Pfingstferien gelegt habe. Die
Verkürzung des Zeitraums der erneuten Auslegung sei nicht mehr angemessen gewesen.
Zudem hätten im Rahmen der erneuten Auslegung nicht alle vorhandenen Unterlagen
ausgelegen. Ausschließlich mit Hilfe der erneut ausgelegten Unterlagen sei kein
Planbetroffener in der Lage gewesen, die Tragweite der vorgesehenen Änderungen des
Bebauungsplans zu erfassen, die zentrale Festsetzungen insbesondere im
Zusammenhang mit den zentrenrelevanten Sortimenten betroffen hätten.
29 Die Antragstellerin beantragt,
30 den Bebauungsplan „Bahnhofstraße/Güterstraße“ der Antragsgegnerin vom 21.07.2010
für unwirksam zu erklären.
31 Die Antragsgegnerin beantragt,
32 den Antrag abzuweisen.
33 Sie vertritt die Auffassung, der Plan sei wirksam. Auch die Vorgaben für die
Öffentlichkeitsbeteiligung seien eingehalten worden. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts sei geklärt, dass in den Auslegungszeitraum mehrere
Feiertage, gerade auch die Weihnachtszeit, fallen könne. Der Gesetzgeber habe sich für
eine pauschalierende Betrachtungsweise entschieden. Dies gelte auch hinsichtlich des
Zeitraums der erneuten Auslegung. Nach Ablauf der Schulpfingstferien seien noch fünf
Tage verblieben, um Einwendungen zu erheben. Schon im vorangegangenen Verfahren
sei das wesentliche Abwägungsmaterial vermittelt worden. Die in dem ausgelegten
Lageplan durch eingezeichnete Kreisel ersichtlichen Änderungen seien gegenüber dem
Gesamtlageplan marginal. Die Änderungen bei den planungsrechtlichen Festsetzungen
seien in dem Auslegungsexemplar farblich gekennzeichnet gewesen und hätten im
Wesentlichen den Wechsel von bisher festgesetzten Betriebstypen-
/Sortimentsbegrenzungen zu Nutzungs-/Sortimentsvorgaben betroffen. Die Änderungen
zum Artenschutz hätten Untersuchungs- und Abstimmungspflichten betroffen. Sonstige
Änderungen hätten Teilaspekten der Begrünung und des Sammelns und Verwendens von
Niederschlagswasser gegolten. Bezogen auf diese Änderungen habe der eingeräumte
Zeitraum ausgereicht, um die gesetzeskonforme Beteiligung der Öffentlichkeit
sicherzustellen.
34 Dem Senat liegen die Verfahrensakten zum Bebauungsplan vor. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Unterlagen sowie den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
35 Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Die Antragstellerin hat ihn am 30.09.2010 und
damit binnen der Jahresfrist nach Bekanntmachung des Plans am 16.09.2010 gestellt (§
47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Sie hat im Rahmen der ersten wie auch der erneuten öffentlichen
Auslegung des Plans Einwendungen gegen die Planung erhoben, so dass § 47 Abs. 2a
VwGO der Zulässigkeit ihres Antrags nicht entgegensteht.
36 Die Antragstellerin ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch antragsbefugt. Zwar ist sie
nicht Eigentümerin eines Grundstücks im Plangebiet. Sie kann sich aber als
Miteigentümerin eines unmittelbar an das Plangebiet angrenzenden Grundstücks auf eine
mögliche Verletzung des bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebots berufen, dem
drittschützender Charakter hinsichtlich abwägungserheblicher privater Belange zukommt.
Die Antragstellerin hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass der Plan, insbesondere
auch durch den dort festgesetzten Verkehrskreisel, zu einer mehr als geringfügig
verstärkten Lärmbeeinträchtigung für ihr Grundstück führen kann. Die Begründung des
Bebauungsplans geht auf der Grundlage des schalltechnische Gutachtens vom Oktober
2009 von einer Erhöhung der Verkehrslärmbelastung für das Grundstück der
Antragstellerin um rund 3 bis 4 dB(A) aus, weshalb ihr „dem Grunde nach ein Anspruch
auf passiven Schallschutz“ zustehe.
37 Der Antragstellerin fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Zwar ist die
Planung im Gebiet inzwischen vollzogen; insbesondere sind das Fachmarktzentrum und
der Verkehrskreisel errichtet. Dies bedeutet aber nicht, dass die Antragstellerin deshalb
keine reale Chance mehr hätte, ihre rechtliche oder tatsächliche Stellung zu verbessern
(vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23.04.2002 - 4 CN 3.01 -, NVwZ 2002, 1126). Dies folgt hier
schon daraus, dass die Beeinträchtigung der Antragstellerin im Wesentlichen auf den
Verkehr auf den festgesetzten Straßenflächen zurückzuführen ist, und zwar - ausgehend
von der vom Verwaltungsgericht Karlsruhe angeführten Stellungnahme des
schallschutztechnischen Gutachters (Beschluss des VG Karlsruhe vom 30.11.2010, S. 22)
- überwiegend auf solchen Verkehr, der nicht dem Fachmarktzentrum zuzurechnen ist.
Aber auch hinsichtlich des anlagebezogenen Verkehrs steht dem Rechtsschutzinteresse
der Antragstellerin nicht die Bestandskraft einer Baugenehmigung entgegen; sie hat
gegen die Baugenehmigung für das Fachmarktzentrum Widerspruch eingelegt, über den
bislang nicht entschieden ist.
II.
38 Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Plan leidet an einem beachtlichen
Verfahrensfehler, weil die Dauer der Auslegung und die Frist für Stellungnahmen bei der
erneuten Offenlage entgegen § 4a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 und § 4 Abs. 3
Satz 3 BauGB unangemessen verkürzt worden sind. Dieser Verfahrensfehler ist nach §
214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtlich und von der Antragstellerin fristgerecht geltend
gemacht worden (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB).
39 1. Auch wenn der Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB
aufgestellt worden ist, ist die Durchführung der öffentlichen Auslegung an § 3 Abs. 2, § 4a
Abs. 3 BauGB zu messen. Zwar hat die Gemeinde gemäß § 13a Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 13
Abs. 2 Nr. 2 BauGB die Möglichkeit, anstelle der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2
BauGB nur der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb
angemessener Frist zu geben. Davon hat die Antragsgegnerin hier aber keinen Gebrauch
gemacht. Vielmehr hat sie sich für die Durchführung der öffentlichen Auslegung nach § 3
Abs. 2 BauGB entschieden; dann aber gelten auch die Vorgaben dieser Norm mit den bei
erneuter Auslegung eingeräumten Möglichkeiten des § 4a Abs. 3 BauGB (vgl.
Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Juni 2012, § 13
Rn. 38a, 39; Spannowsky, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: Juni 2012, § 13 Rn.
33).
40 2. Nach § 4a Abs. 3 Satz 3 BauGB kann die Gemeinde bei der erneuten Offenlage des
Planentwurfs nach seiner Änderung oder Ergänzung die gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 i. V. m.
§ 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauGB einmonatige Dauer der Auslegung und die entsprechende
Frist zur Stellungnahme angemessen verkürzen. Die hier vorgenommene Verkürzung auf
den Zeitraum von zwölf Tagen war jedoch nicht mehr angemessen.
41 a) Eine Definition dessen, was angemessen ist, enthält das Gesetz nicht. Es bestimmt,
anders als seine Vorläuferregelung in § 3 Abs. 3 Satz 2 BauGB 1998, auch keine
Untergrenze für die Verkürzung. Den Gesetzgebungsmaterialien ist zu entnehmen, dass
der Gesetzgeber sich bewusst gegen eine solche Mindestfrist entschieden hat. Denn die
in den ursprünglichen Gesetzentwurf in Anlehnung an § 3 Abs. 3 Satz 2 BauGB 1998
aufgenommene Formulierung „bis auf zwei Wochen“ (vgl. Gesetzentwurf der
Bundesregierung, BT-Drs. 15/2250, S. 13, 45) wurde entsprechend der
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ersetzt
durch den Begriff „angemessen“ (vgl. BT-Drs. 15/2996, S. 21). In der Literatur wird zwar
vertreten, dass eine Zwei-Wochen-Frist regelmäßig nicht unterschritten werden sollte,
auch wenn sie nicht die Untergrenze für eine Fristverkürzung darstelle (vgl. Krautzberger,
in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Juni 2012, § 13 Rn. 38; Stüer, in
Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Stand: Mai 2012, B 735). Eine
echte Regel in diesem Sinne ist aber mit der Weite des gesetzlichen Begriffs
„angemessen“ und der Entstehungsgeschichte der Norm nicht zu vereinbaren. Der von der
Antragsgegnerin für die Auslegung und Stellungnahme gewählte Zeitraum ist daher nicht
schon deshalb unangemessen kurz, weil er zwei Wochen unterschreitet und kein
atypischer Fall einer Änderung oder Ergänzung eines Planentwurfs vorliegt.
42 b) Die unangemessene Kürze des gewählten Zeitraums ergibt sich vielmehr daraus, dass
er nach Würdigung aller Umstände nicht ausreichend war, um den Zweck der
Öffentlichkeitsbeteiligung zu erfüllen.
43 aa) Ziel der Regelung in § 4a Abs. 3 Satz 3 BauGB ist nach der Intention des
Gesetzgebers zwar die Verfahrensbeschleunigung. Darauf weist die Begründung der
Beschlussempfehlung zu der Regelung - wenn auch nur mit Blick auf die
Behördenbeteiligung - ausdrücklich hin (BT-Drs. 15/2996, S. 64). Die Gemeinde darf das
Verfahren jedoch, da sie eine Öffentlichkeitsbeteiligung nicht ganz entfallen lassen darf,
nur in dem Maße beschleunigen, in dem der Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung noch
gewahrt bleibt. Nach dem „programmatischen Hinweis“ des Gesetzgebers in § 4a Abs. 1
BauGB (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 15/2250, S. 45) dient die
Öffentlichkeitsbeteiligung ebenso wie die Behördenbeteiligung insbesondere der
vollständigen Ermittlung und zutreffenden Bewertung der von der Planung berührten
Belange.
44 Dieser Ansatz der Stärkung des Verfahrensrechts geht auf das Europarecht zurück. Anlass
für das Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau -, mit dem u.a. die Regelung des §
4a in das BauGB eingefügt wurde, waren die Vorgaben der Plan-UP-Richtlinie - Richtlinie
2001/42/EG - sowie der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie - Richtlinie 2003/35/EG -. Das
Ziel dieser Richtlinien ist u.a. die Sicherstellung einer frühzeitigen und effektiven
Öffentlichkeitsbeteiligung (vgl. etwa Art. 2 Abs. 2 der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie).
Art. 6 Abs. 2 der Plan-UP-Richtlinie bestimmt sogar ausdrücklich, dass der Öffentlichkeit
innerhalb ausreichend bemessener Fristen frühzeitig und effektiv Gelegenheit zu geben
ist, zum Planentwurf Stellung zu nehmen. In Erwägungsgrund Nr. 15 wird die
Notwendigkeit betont, die Öffentlichkeit während der Prüfung von Plänen zu konsultieren
und angemessene Fristen festzulegen, die genügend Zeit für Konsultationen
einschließlich der Abgabe von Stellungnahmen lassen. Die Stellungnahmen sollen bei
der Ausarbeitung des Plans Berücksichtigung finden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 17 zur
Plan-UP-Richtlinie). Die Öffentlichkeitsbeteiligung wird damit als ein Baustein zur
Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus im Hinblick auf die Förderung einer
nachhaltigen Entwicklung verstanden (vgl. Art. 1 der Plan-UP-Richtlinie).
45 Mit den Neuregelungen in § 4a BauGB wollte der Gesetzgeber diesen europarechtlichen
Ansatz, „die angestrebte inhaltliche Qualität von Entscheidungen - insbesondere im
Hinblick auf ein hohes Umweltschutzniveau - durch die Ausgestaltung des Verfahrens mit
umfangreicher Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zu gewährleisten“, für die
Bauleitplanung nutzbar machen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 15/2250,
S. 45). Bebauungspläne der Innenentwicklung wie den hier vorliegenden nach § 13a
BauGB wollte er davon nicht ausnehmen. Sie fallen zwar, wenn sie nur die Nutzung
kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen und voraussichtlich keine erheblichen
Umweltauswirkungen haben, nicht unter die Plan-UP-Richtlinie (vgl. Art. 3 Abs. 3 bis 5 der
Richtlinie) und führen - sofern die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 13a BauGB für
die Durchführung des beschleunigten Verfahrens vorliegen - demzufolge auch nicht zu
einer Umweltprüfung (§ 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
Dennoch sieht das BauGB auch für diese Bebauungspläne vor, dass der Öffentlichkeit
Gelegenheit zur Information über und zur Äußerung zur Planung zu geben ist (§ 13a Abs.
3 Nr. 2 BauGB) und entweder die Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB durchgeführt oder
der betroffenen Öffentlichkeit (vgl. dazu die Definition in Art. 2 Nr. 5 des Aarhus-
Übereinkommens) Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist
gegeben wird (§ 13a Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 BauGB). Auch im beschleunigten
Verfahren markiert daher der Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung, „eine materiell richtige
Entscheidung durch sorgfältige Ermittlung und Bewertung der von der Planung berührten
Belange“ zu gewährleisten (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 15/2250, S. 32),
die Grenze für eine zulässige Fristverkürzung.
46 Eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung setzt voraus, dass die Öffentlichkeit zunächst die
Möglichkeit erhält, sich ausreichend zu informieren, und anschließend noch genügend
Zeit verbleibt, um substantiiert Stellung zu nehmen. Ausgangspunkt ist dabei die
gesetzliche Wertung, dass bei der erstmaligen öffentlichen Auslegung eines
Bebauungsplanentwurfs der Zeitraum von einem Monat für die Auslegung und die
Möglichkeit zur Stellungnahme ausreicht, um dem Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung
Rechnung zu tragen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Satz 2, 2. Halbsatz BauGB), und diese Frist
auch bei der erneuten Auslegung gilt (§ 4a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 BauGB), wenn
die Gemeinde nicht von der Möglichkeit der Fristverkürzung nach § 4a Abs. 3 Satz 3
Gebrauch macht. Um wie viele Tage die einmonatige Frist verkürzt werden kann, ohne die
qualitätssichernde Funktion der Öffentlichkeitsbeteiligung zu beeinträchtigen, kann nur
unter Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls festgestellt werden. Dabei ist
zu berücksichtigen, wie weit das vorangegangene Verfahren bereits das wesentliche
Abwägungsmaterial vermittelt hat(vgl. BayVGH, Urteil vom 05.02.2009 - 1 N 07.2713 -,
juris). Davon kann umso mehr ausgegangen werden, je geringfügiger die Änderungen und
Ergänzungen des zunächst ausgelegten Entwurfs sind und umso weniger, je
umfangreicher und komplexer sie sind. Hat die Gemeinde, wie hier, von der
Beschleunigungsmöglichkeit des § 4a Abs. 3 Satz 2 BauGB Gebrauch gemacht, dass
Stellungnahmen nur zu den geänderten oder ergänzten Teilen abgegeben werden
können, kann neues Abwägungsmaterial ohnehin nur hinsichtlich der Änderungen und
Ergänzungen entstehen.
47 Entscheidend für die Bemessung der Frist sind daher vor allem der Umfang und die
Komplexität der Änderungen und Ergänzungen. Aber auch ihre Bedeutung für die
Planungskonzeption insgesamt ist in den Blick zu nehmen. Zwar hat der Gesetzgeber die
Möglichkeit der Fristverkürzung anders als die Möglichkeit der beschränkten Einholung
von Stellungnahmen nach § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB nicht davon abhängig gemacht, dass
die Änderungen oder Ergänzungen die Grundzüge der Planung nicht berühren. Dennoch
belegt die Wertung in § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB (ähnlich auch § 13 Abs. 1 und 2 BauGB),
dass ein Zusammenhang zwischen dem erforderlichen Maß an Öffentlichkeitsbeteiligung
und der Bedeutung der Änderungen und Ergänzungen für die Planungskonzeption
insgesamt besteht.
48 Nicht zuletzt setzt eine ausreichende Informations- und Stellungnahmemöglichkeit auch
voraus, dass der Öffentlichkeit genügend Zeit bleibt, sich mit den ausgelegten Unterlagen,
also nicht nur dem Planentwurf, sondern auch seiner Begründung sowie den nach § 4a
Abs. 3 Satz 1 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB auszulegenden, nach Einschätzung
der Gemeinde wesentlichen umweltbezogenen Stellungnahmen zu befassen. Maßstab ist
dabei, nachdem es um die Beteiligung der nicht weiter eingeschränkten Öffentlichkeit geht
(vgl. dazu auch Art. 2 Nr. 4 des Aarhus-Übereinkommens), der interessierte, mündige
Bürger (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29.01.2009 - 4 C 16.07 -, BVerwGE 133, 98; zu
diesem Maßstab siehe auch Urteil des Senats vom 01.03.2007 - 3 S 129/06 -, BWGZ
2007, 509 ff.).
49 bb) Nach diesen Kriterien waren die Auslegungsdauer und die Stellungnahmefrist hier
unangemessen kurz; sie haben weder eine ausreichende Informationsmöglichkeit noch
eine genügende Möglichkeit zur Stellungnahme gewährleistet.
50 (1) Der Zeitraum der erneuten öffentlichen Auslegung begann am Montag, den
31.05.2010, und endete am Freitag, den 11.06.2010. Er umfasste neun Werktage, da am
Donnerstag, den 07.06.2010 Fronleichnam und damit gesetzlicher Feiertag in Baden-
Württemberg war (§ 1 Feiertagsgesetz Bad.-Württ.). Zudem lag die erste Woche des
Auslegungszeitraums - vom 31.05.2010 bis 06.06.2010 - noch in den Schulpfingstferien.
Der Feiertag und die Schulferien sind hier für die Frage der Angemessenheit der
Fristverkürzung nicht etwa unbeachtlich. Bei der gesetzlichen Monatsfrist ist es zwar
grundsätzlich unschädlich, wenn ein oder mehrere Feiertage in den Zeitraum der
öffentlichen Auslegung fallen, weil das Gesetz hier eine pauschalierende
Betrachtungsweise vorsieht und keine Mindestzahl von Werktagen bestimmt, an denen die
ausgelegten Unterlagen tatsächlich eingesehen werden können (vgl. zur Weihnachtszeit
BVerwG, Urteil vom 13.09.1985 - 4 C 64.80 -, BauR 1986, 59; Nds.OVG, Beschluss vom
29.01.2009 - 1 MN 229/08 -, BauR 2009, 1103). Für eine solche pauschalierende
Betrachtungsweise ist aber bei einer individuell gesetzten und verkürzten Frist kein Raum.
51 (2) Die öffentliche Auslegung an neun Werktagen genügte angesichts des Umfangs, der
Komplexität und der Bedeutung der Änderungen und Ergänzungen des Planentwurfs für
die Planungskonzeption insgesamt nicht zur ausreichenden Information der Öffentlichkeit.
52 Die Änderungen und Ergänzungen im Planentwurf waren zwar farblich hervorgehoben
und damit übersichtlich dargestellt. Sie waren jedoch gerade im Hinblick auf die neu
eingefügten Nutzungs-/Sortimentsvorgaben schon nach ihrem Umfang beachtlich und vor
allem inhaltlich komplex. Es wurden nicht etwa nur, wie die Antragsgegnerin in der
Antragserwiderung angeführt hat, Betriebstypen durch Sortimentsvorgaben ersetzt wie
etwa „ein Lebensmittelvollsortimenter“ durch das Sortiment „Nahrungs- und Genussmittel“.
Vielmehr wurden darüber hinaus auch andere sowie neue Verkaufsflächenbegrenzungen
eingeführt, so etwa bei Nahrungs- und Genussmitteln die Begrenzung auf max. 500 m²
Verkaufsfläche für branchentypische Randsortimente oder etwa als weitere Verkaufsfläche
2.800 m² an Stelle der vorher vorgesehenen 2.150 m². Mindestverkaufsflächen wurden
geändert - so etwa bei Elektrowaren von 1.500 m² auf 1.000 m² reduziert oder bei
Drogeriewaren von 600 m² auf 450 m² - oder sie entfielen ganz - so etwa bei der
zulässigen Apotheke, deren Verkaufsfläche nach dem alten Entwurf mindestens 100 m²
und nach dem geänderten Entwurf maximal 100 m² betragen soll. Darüber hinaus wurde
eine Liste von acht zulässigen Sortimenten mit jeweils zugeordneten
Verkaufsflächenbegrenzungen neu eingeführt. Gerade die Frage der zulässigen
Einzelhandelsnutzung im Sondergebiet und insbesondere der zulässigen Sortimente war
bei der Planung indessen von besonderer Bedeutung. Sie stand im Hinblick auf den
Schutz des innerstädtischen Versorgungskerns im Zentrum der Erörterung im
Gemeinderat und der Stellungnahmen sowohl von Seiten der Träger öffentlicher Belange
als auch von Seiten Privater. Dementsprechend erstrecken sich auch die Ausführungen in
der geänderten Begründung des Planentwurfs zu dieser Frage über immerhin acht Seiten
(vgl. Ziffern 5.2 und 5.3 sowie 6.1 der Begründung des geänderten Planentwurfs). Zudem
waren die Änderungen und Ergänzungen in ihrer Tragweite nur im Zusammenhang mit
dem als Anlage zur Begründung ausgelegten Einzelhandelsgutachten - einer
Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung mehrerer Fachmärkte in Wiesloch vom Mai 2010 -
nebst Ergänzung vom 20.05.2010 zu verstehen, die zusammen schon 49 Seiten
umfassten.
53 Hinzu kommt hier noch, dass in den geänderten Planentwurf auch Festsetzungen zum
Artenschutz aufgenommen worden sind. Diese sind zwar sehr überschaubar, sie sind
jedoch nur zu verstehen und zu würdigen, wenn auch die zugrunde liegenden Gutachten
und Stellungnahmen - die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB ausgelegt werden mussten und
ausgelegt worden sind - zur Kenntnis genommen werden konnten. Hier handelt es sich
immerhin um drei Gutachten mit einem Umfang von jeweils zwischen fünf und zwölf Seiten
nebst drei Ergänzungen sowie zwei mehrseitige Stellungnahmen des Naturschutzbundes
und ein Schreiben der Unteren Naturschutzbehörde.
54 Der Unangemessenheit der Dauer der Auslegung kann die Antragsgegnerin nicht
entgegenhalten, sie sei mit den Änderungen und Ergänzungen des Planentwurfs nur den
Einwendungen aus der ersten Offenlage entgegengekommen. Allein wenn Änderungen
oder Ergänzungen auf dem ausdrücklichen Vorschlag Betroffener beruhen, kann ein
erneutes Beteiligungsverfahren entbehrlich sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.1987
- 4 BN 2.87 -, NVwZ 1988, 822). Nimmt dagegen die Gemeinde wie hier Einwendungen
während der ersten Auslegung nur zum Anlass, weitere Ermittlungen anzustellen - hier ein
neues Einzelhandelsgutachten auf der Grundlage einer anderen Untersuchungsmethodik
einzuholen (vgl. Einzelhandelsgutachten vom Mai 2010, Vorbemerkung und S. 1 ff.) - und
auf dieser Grundlage einen geänderten Plan zu entwerfen, ist die
Öffentlichkeitsbeteiligung erneut durchzuführen und kann die Auslegungsdauer nicht
allein wegen der früheren Einwendungen mehr als angemessen verkürzt werden.
55 (3) Aus alldem ergibt sich, dass auch die Frist zur Stellungnahme unangemessen kurz
war. Zur Abfassung von Stellungnahmen konnte zwar der gesamte Zeitraum vom
31.05.2010 bis zum 11.06.2010 genutzt werden, weil hier die Unterscheidung zwischen
Werk- und Feiertrag, anders als bei der Auslegung, keine Rolle spielt. Auch zwölf Tage
waren aber angesichts der Komplexität und des Umfangs der Änderungen und
Ergänzungen des Planentwurfs und ihrer Bedeutung für die gesamte Planung zu kurz, um
die Abgabe substantiierter Stellungnahmen durch die Öffentlichkeit zu gewährleisten. Dem
steht nicht entgegen, dass zum Teil sehr ausführliche, auch anwaltlich verfasste
Stellungnahmen von 18 Privaten fristgerecht eingegangen sind (vgl. Synopse vom
06.07.2010). Zum einen richtet sich die Angemessenheit der Stellungnahmefrist nach den
Möglichkeiten eines mündigen interessierten Bürgers und nicht nach dem Maßstab
derjenigen, die durch Experten vertreten oder beraten sind. Zum anderen haben hier nicht
nur etwa die Hälfte der Privaten die Kürze der Frist gerügt, sondern sind Stellungnahmen
teilweise auch erst nach Ablauf der Frist eingegangen, so diejenigen von ...... am
14.06.2010 oder von Dr. ...... am 14.06.2010. Bezeichnend erscheint zudem, dass sogar
die Stellungnahme des Regierungspräsidiums Karlsruhe als höhere
Raumordnungsordnungsbehörde erst am 28.06.2010, also mehr als zwei Wochen nach
Fristablauf, einging, obwohl es nach dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 27.05.2010
als Träger öffentlicher Belange wie die Öffentlichkeit bis zum 11.06.2010 hätte Stellung
nehmen sollen. Diese Umstände bestätigen die Beurteilung des Senats, dass die
gewählte Frist unangemessen kurz war. Die Berücksichtigung der verspäteten
Stellungnahmen in der Abwägung vermag den Verstoß gegen § 4a Abs. 3 Satz 3 BauGB
nicht zu heilen.
III.
56 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
57 Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO vorliegt.
58
Beschluss vom 28. November 2012
59 Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Streitwertkatalog 2004, NVwZ 2004,
1327) endgültig auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
60 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.