Urteil des VG Stuttgart vom 01.04.2014

VG Stuttgart: pflicht zur dienstleistung, neue beweismittel, disziplinarverfahren, beamtenverhältnis, genehmigung, ärztliche untersuchung, vorläufige dienstenthebung, schuldfähigkeit, behandlung

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 1.4.2014, DL 13 S 2383/13
Leitsätze
1. Nicht nur rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Urteile, durch die über den Verlust der
Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst entschieden wird, sondern auch
entsprechende bestandskräftige Verwaltungsentscheidungen entfalten Bindungswirkung nach §
14 Abs. 1 Satz 1 LDG.
2. Das vorsätzliche unerlaubte Fernbleiben vom Dienst über einen längeren Zeitraum ist ein
Dienstvergehen, das seiner Eigenart nach geeignet ist, die in § 31 Abs. 1 Satz 1 LDG genannten
Voraussetzungen für die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erfüllen.
3. Die Erheblichkeitsschwelle des § 21 StGB wird bei einem Verstoß gegen die einfach zu
befolgende und sofort einsehbare Pflicht zur Dienstleistung nur in seltenen Ausnahmefällen
erreicht sein.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart -
Disziplinarkammer - vom 20. Juni 2013 - DL 20 K 4235/12 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
2 Der am ... geborene Kläger absolvierte nach Erlangung der Fachschulreife eine
Ausbildung zum Mechaniker, die er am ... mit der bestandenen Gesellenprüfung
abschloss. Nach Tätigkeiten bei mehreren Arbeitgebern wurde er am ... unter Berufung in
das Beamtenverhältnis auf Widerruf in den Polizeidienst des beklagten Landes eingestellt.
Am ... wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Probe, am ... die Eigenschaft eines
Beamten auf Lebenszeit verliehen. Der Kläger ist seit dem ... Polizeihauptwachtmeister.
Zuletzt war er als Sachbearbeiter beim Polizeirevier ... eingesetzt. In seiner letzten
dienstlichen Beurteilung vom 05.03.2007 erlangte er für den Beurteilungszeitraum vom
01.03.2004 bis zum 28.02.2007 das Beurteilungsergebnis 3,25.
3 Der Kläger ist ... verheiratet und hat einen im Jahr ... geborenen Sohn. Seine Ehefrau ist
nach den Angaben des Klägers in der Berufungsverhandlung zu 75 % teilzeitbeschäftigt.
4 Vom 25.03.2008 bis zum 30.09.2008 war der Kläger dienstunfähig erkrankt. In der Zeit
vom 04.08.2008 bis zum 30.09.2008 übte der Kläger seinen Dienst mit eingeschränkter
Stundenzahl (04.08. - 31.08.2008: 3 Stunden täglich; 01.09. - 30.09.2008: 6 Stunden
täglich) im Rahmen eines Wiedereingliederungsplans aus. Nach Mitteilung des
polizeiärztlichen Dienstes vom 05.11.2008 litt der Kläger in den vorangegangenen
Monaten an einer depressiven Episode, die durch fachärztliche Behandlung habe
überwunden werden können.
5 Ab dem 17.06.2009 hat der Kläger keinen Dienst mehr verrichtet. Dabei wurde ihm für die
Zeit bis zum 08.09.2009 ärztlicherseits Dienstunfähigkeit bescheinigt. Für die Folgezeit
legte der Kläger keine weiteren Atteste vor. Bereits im Mai 2009 bat das Polizeipräsidium
... den polizeiärztlichen Dienst um eine Stellungnahme zur Verwendungsfähigkeit des
Klägers. Daraufhin vereinbarte Untersuchungstermine am 02.06., 17.06., 08.07. und
15.07.2009 sagte der Kläger ab oder nahm sie nicht wahr. Auf Aufforderungen des
Polizeipräsidiums ... vom 22.07.2009, 18.08.2009 und 16.09.2009 zur Stellungnahme bzw.
zur Vereinbarung eines Termins beim polizeiärztlichen Dienst reagierte der Kläger nicht.
6 In einem von dem Kläger vorgelegten Attest des ihn behandelnden Facharztes für
Neurologie und Psychiatrie ..., vom 28.10.2010 wird eine mittelschwere depressive
Episode (ICD 10 F 33.1) bescheinigt und ausgeführt, dass sich der Kläger bis zum
08.05.2008 in ambulanter nervenärztlicher Behandlung befunden habe; unter einer
antidepressiven Medikation habe sich die Symptomatik erfreulich zurückgebildet und der
Kläger sei wieder in den Polizeidienst integriert worden. Bezüglich der Weiterbehandlung
heißt es in der Bescheinigung:
7
„Am 13.07.2009 stellte sich ... erneut bei mir vor. Er klagte über Herzrasen, Unwohlsein
und Ängste, dies führt er auf die neue Stelle der theoretischen Endbearbeitung zurück.
Ich behandelte ihn mit Citalopram wie im Jahr zuvor, worauf es erneut zu einer
Besserung des Befindens kam. Am 07.08.2009 habe ich ihn zuletzt gesehen. Den Termin
am 11.09.2009 nahm er nicht mehr wahr, so dass ich von einer Stabilisierung ausgehen
konnte.
8
... stellte sich am 20.08.2010 in Begleitung seiner Ehefrau bei mir vor. Er berichtete, dass
er sich nach der Behandlung nicht mehr zum Dienst gemeldet habe. Er könne sich nicht
erklären, warum er dies tat. Meinerseits erscheint es mir jedenfalls nicht nachvollziehbar
und nicht mit der depressiven Erkrankung zu erklären, da er jederzeit die Möglichkeit zur
Weiterbehandlung hatte und auch eine gute Arzt-Patient-Compliance bestand.“
9 Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Stellungnahme des Herrn ... vom 28.10.2010 wird auf
Ordner 2 der behördlichen Disziplinarakte (Blatt VI 7,8) verwiesen. Hierzu nahm der
polizeiärztliche Dienst mit Schreiben vom 04.01.2011 und 14.02.2011 Stellung, wegen
deren Inhalte ebenfalls auf die Akten des behördlichen Disziplinarverfahrens verwiesen
wird (Ordner 2, Blatt VI 11 - 15).
10 Ein gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung im Amt,
in dem ihm zur Last gelegt wurde, im Zeitraum vom 02.06. bis zum 16.06.2009 acht
Vorgänge schleppend bzw. mangelhaft bearbeitet zu haben, stellte die Staatsanwaltschaft
... mit Verfügung vom 26.01.2010 (...) gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.
11 Mit Bescheiden vom 17.11.2009, 25.02.2010, 05.05.2010 und 17.11.2010 stellte das
Polizeipräsidium ... wegen des schuldhaften Fernbleibens vom Dienst den Verlust der
Dienstbezüge des Klägers für die Zeiträume vom 09.09.2009 bis 28.10.2009, vom
29.10.2009 bis 31.01.2010, vom 01.02.2010 bis 15.04.2010 und vom 16.04.2010 bis
20.07.2010 fest. Die gegen die Bescheide vom 05.05.2010 und vom 17.11.2010 (gegen
letzteren nach erfolglosem Widerspruchsverfahren) erhobenen Klagen wies das
Verwaltungsgericht ... mit rechtskräftigen Urteilen vom 28.09.2010 (...) und vom 18.11.2011
(...) ab.
12 Mit Verfügung vom 13.07.2010 leitete das Polizeipräsidium ... gegen den Kläger ein
Disziplinarverfahren ein, enthob ihn gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 LDG vorläufig des Dienstes
und setzte das Disziplinarverfahren bis zum Abschluss des vor dem Verwaltungsgericht ...
anhängigen Verfahrens betreffend die Feststellung des Verlusts der Dienstbezüge aus. In
der Verfügung wurde ausgeführt, es bestehe der begründete Verdacht, dass der Kläger ein
schweres Dienstvergehen begangen habe, das seine Entfernung aus dem Dienst
rechtfertige. Dies ergebe sich aus folgenden Umständen:
13 (1). Im Jahr 2008 sei der Kläger vom 25.03. bis zum 30.09.2008 krankgeschrieben
gewesen, weshalb dessen damaliger Dienstgruppenleiter beauftragt worden sei, die
noch offenen Vorgänge zu bearbeiten. Zu einem Vorgang über den Diebstahl von
Schlössern vom 10.02.2008 seien keine Unterlagen vorhanden gewesen.
14 (2). Im Zeitraum vom 02.06. bis zum 16.06.2009 habe der Kläger acht Vorgänge
schleppend oder mangelhaft bearbeitet, wodurch es zu einem Nichtabschluss der
entsprechenden Verfahren gekommen sei.
15 (3). Nach seiner bis zum 08.09.2009 ärztlich attestierten Dienstunfähigkeit sei der Kläger
nicht mehr zum Dienst erschienen und habe auch keine weiteren ärztlichen Atteste
übersandt. Es bestehe der Verdacht, dass der Kläger seit dem 09.09.2009 schuldhaft
dem Dienst ferngeblieben sei.
16 (4). Durch einen Zeitungsartikel der ... vom 21.04.2010 sei bekannt geworden, dass der
Kläger als ...-Trainer für den ... eine Nebentätigkeit ausübe, für die er keine Genehmigung
habe. Zuvor sei er als Trainer für den ... tätig gewesen.
17 (5). Durch Recherche im Internet sei bekannt geworden, dass der Kläger seit dem
11.11.2007 dem Kirchengemeinderat der evangelischen Kirchengemeinde ... angehöre,
was er nicht angezeigt habe.
18 Die gegen die vorläufige Dienstenthebung bei dem Verwaltungsgericht ... erhobene Klage
(...) nahm der Kläger am 24.03.2011 zurück.
19 Mit Verfügung vom 20.12.2010 nahm das Polizeipräsidium ... das Disziplinarverfahren
wieder auf. Mit Schreiben vom 11.04.2011 wurde der Kläger davon unterrichtet, dass das
Disziplinarverfahren auf von ihm ausgeübte Nebentätigkeiten bei einer ... bzw. ... sowie bei
der Firma ... erweitert worden sei.
20 Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 21.04.2011 nahm der Kläger im
Wesentlichen wie folgt Stellung: Von einem schuldhaften Fernbleiben vom Dienst könne
nicht ausgegangen werden. Er sei nach dem 08.09.2009 weiter dienstunfähig gewesen. Er
habe es nicht schuldhaft unterlassen, die Dienstunfähigkeit zu melden. Auf Grund der
Vorgeschichte sei es naheliegend, dass er unter den bereits bekannten Krankheiten
gelitten habe und leide, die es ihm nicht möglich gemacht hätten, sich seine
Dienstunfähigkeit bestätigen zu lassen und dies entsprechend zu melden. Insoweit sei ein
Sachverständigengutachten einzuholen. Er habe krankheitsbedingt Schwierigkeiten
gehabt, Aktenstöße zu bearbeiten. Er benötige eine Tätigkeit, die am Ende des
Arbeitstages beendet sei, etwa in der Beweissicherung. Er habe seinen
Krankheitszustand selbst vor seiner Ehefrau verheimlicht. Dass er im Kirchengemeinderat
und als ... Trainer tätig gewesen sei, spreche nicht gegen seine Dienstunfähigkeit. Bei den
Sitzungen des Kirchengemeinderates habe er über viele Monate gefehlt. Die Tätigkeit als
... Trainer sei für ihn Therapie gewesen. Die nicht genehmigten Nebentätigkeiten würden
nicht schwer wiegen und die disziplinare Höchstmaßnahme nicht rechtfertigen.
Hinsichtlich der von der Disziplinarbehörde neu benannten Nebentätigkeiten sei zu
beachten, dass er seit dem 01.12.2010 keine Dienstbezüge mehr erhalte und der
Verdienst seiner Ehefrau für den Lebensunterhalt der Familie nicht ausreiche.
Zwischenzeitlich habe er die Genehmigung der beiden Nebentätigkeiten beantragt.
21 Im Verlaufe des Disziplinarverfahrens wurden Stellungnahmen der den Kläger
behandelnden Ärzte Dr. ..., vom 05.07.2011, Dres. ... und ..., vom 30.06.2011 und ... vom
11.08.2011 sowie des polizeiärztlichen Dienstes vom 20.12.2011 eingeholt. Wegen des
Inhaltes dieser Stellungnahmen wird auf Blatt VI 25, 30, 40 - 44, 50 - 54 des Ordners 2 der
behördlichen Disziplinarakte verwiesen. Zudem wurden die Ehefrau des Klägers Frau ...,
der Pfarrer ... (die beiden letzteren zur Trainertätigkeit des Klägers) als Zeugen
vernommen (vgl. Ordner 2 der behördlichen Disziplinarakte Bl. V 5 -7,13 - 21, 26 - 31, 37 -
40).
22 Mit Schreiben vom 13.02.2012 wurde dem Kläger das Ermittlungsergebnis übermittelt und
ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
Gleichzeitig wurde ihm Gelegenheit gegeben, sich abschließend zu äußern und die
Mitwirkung des Personalrates zu beantragen. Der Kläger äußerte sich im Weiteren nicht.
23 Mit Disziplinarverfügung des Polizeipräsidiums ... vom 16.11.2012 wurde der Kläger aus
dem Beamtenverhältnis entfernt und bis zum unanfechtbaren Abschluss des
Disziplinarverfahrens gemäß § 31 Abs. 2 LDG des Dienstes enthoben; ferner wurde
verfügt, dass 50 % der monatlichen Bezüge des Klägers einbehalten werden. Zur
Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Im Fall einer Anzeige wegen Diebstahls
habe der Kläger den objektiven Straftatbestand einer versuchten Strafvereitelung im Amt
gemäß § 258a StGB durch Unterlassen von Verfolgungshandlungen erfüllt, da er auf die
Anzeige eines Diebstahls am 19.02.2008 weder den Personalausweis der Geschädigten
noch ggf. andere entwendete Gegenstände zur Fahndung ausgeschrieben habe. Er habe
die Textfelder des von ihm angelegten ComVor-Vorgangs nicht ordnungsgemäß
ausgefüllt, den Sachverhalt weder an die zuständige Bundespolizei abgegeben noch
selbst eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft ... vorgelegt. Es sei keine Kriminalakte
angelegt worden und es seien keinerlei Aufzeichnungen auffindbar gewesen. Eine
korrekte Bearbeitung sei nicht möglich gewesen, so dass der Irrtum entstanden sei, dass
es sich um einen Diebstahl von Schlössern gehandelt habe. Er habe damit zugleich
gegen eine Vielzahl einschlägiger Dienstvorschriften verstoßen. Entsprechendes gelte in
den weiteren von ihm zu bearbeitenden Verfahren unter den Aktenzeichen ... - Fundhund -
, ... - Sachbeschädigung an Kfz -, ... - Diebstahl Geldbörse -, ... - Bedrohung,
Körperverletzung, Häusliche Gewalt -, ... - Fundunterschlagung -, ... - Bedrohung -, ... - VU-
Flucht -, ... - Haftbefehl -. Darüber hinaus habe der Kläger nach seiner Erkrankung nicht
auf die offenen Vorgänge hingewiesen, vielmehr sei er für seinen Vorgesetzten gar nicht
mehr erreichbar gewesen. Weiter sei der Kläger dem Dienst seit dem 09.09.2009 ohne
Genehmigung ferngeblieben. Ärztliche Atteste, die eine krankheitsbedingte
Dienstunfähigkeit belegten, existierten nicht. Das Verwaltungsgericht ... habe mit den
Urteilen vom 28.09.2010 und vom 18.11.2011 die gegen die Feststellung des Verlustes
der Dienstbezüge für den Zeitraum vom 01.02.2010 bis 20.07.2010 wegen schuldhaften
Fernbleibens vom Dienst erhobenen Klagen abgewiesen. Die tatsächlichen
Feststellungen dieser beiden Urteile seien ebenso wie die den Zeitraum vom 09.09.2009
bis 31.01.2010 betreffenden Feststellungen auf Grund der unanfechtbaren Verfügungen
des Beklagten gemäß § 14 Abs. 1 LDG bindend. Der Kläger habe sich bewusst dem
Dienst ab- und dem ... zugewandt. Selbst wenn sich der Kläger für vermeintlich
dienstunfähig gehalten habe, hätte es sich ihm in Anbetracht des in anderen Bereichen,
etwa im ..., klar gezeigten Denkvermögens erschließen müssen, dass es der Vorlage
eines ärztlichen Attestes bedurft hätte, wenn er nicht zum Dienst erscheine. Weiter hätte
der Kläger erkennen können, dass sich ein öffentlichkeitswirksames Engagement als
Trainer einer ... grundsätzlich nicht mit einer vermeintlichen Dienstunfähigkeit vereinbaren
lasse. Eine Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sei von den befragten
Ärzten nicht bestätigt worden und könne unter den gegebenen Umständen auch nicht
erkannt werden. Ferner hätte der Kläger die Tätigkeit als ... Trainer, die grundsätzlich
genehmigungsfähig sei, im Jahr 2008 anzeigen und für sie in den Jahren 2007, 2009 und
2010 wegen Überschreitens der Verdienstgrenze eine Genehmigung einholen müssen.
Seine nicht angezeigte Wahrnehmung eines kirchlichen Ehrenamtes werde mit Blick auf
das Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem unentschuldigten Fernbleiben vom Dienst
nicht als Pflichtenverstoß angesehen, zumal ein Engagement in diesem Bereich dem
Allgemeinwohl diene und in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen werde. Die bei der ...
und der ... auf 400 EUR-Basis aufgenommenen Nebentätigkeiten habe der Kläger
entgegen § 40 BeamtStG in Verbindung mit § 83 Abs. 1 LBG a.F. / § 62 Abs. 1 LBG n.F.
ohne Genehmigung ausgeübt, allerdings werde hierin auf Grund der besonderen
Umstände keine Verletzung der Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten
gesehen. Unter Berücksichtigung des Umfangs der festgestellten Pflichtverletzungen habe
sich der Kläger damit eines einheitlichen schweren Dienstvergehens schuldig gemacht,
wobei der anhaltende Verstoß gegen die Dienstleistungspflicht als elementare
Beamtenpflicht im Vordergrund stehe. Der Kläger habe dabei über Monate hinweg im
Kernbereich seiner Pflichten versagt. Damit werde ein so hohes Maß an
Verantwortungslosigkeit, Pflichtvergessenheit und Mangel an Einsicht in die
Notwendigkeit einer geordneten Verwaltung gezeigt, dass das Vertrauensverhältnis zum
Dienstherrn zerstört sei. Eine möglicherweise eingeschränkte Dienstfähigkeit ändere
daran nichts. Der Kollegenschaft und der Allgemeinheit sei es nicht vermittelbar und auch
nicht zumutbar, dass ein Polizeibeamter, der über zehn Monate hinweg unentschuldigt
nicht zum Dienst erschienen sei, obwohl er gleichzeitig öffentlichkeitswirksam erfolgreich
als ... Trainer tätig gewesen sei, weiterhin im Polizeidienst verbleibe. Der Kläger habe
durch sein gesamtes Verhalten in besonderem Maße gezeigt, dass er trotz vielfach
angebotener Hilfestellungen nicht dauerhaft bereit sei, seine grundlegenden
Beamtenpflichten zu erfüllen.
24 Am 11.12.2012 hat der Kläger mit dem Ziel der Aufhebung der Disziplinarverfügung Klage
vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er
sein bisheriges Vorbringen und macht darüber hinaus geltend: Der Beklagte hätte eine
medizinische Begutachtung veranlassen müssen. Sein Verhalten sei typisch für seine
Erkrankung. Hinsichtlich des Fernbleibens vom Dienst könne ihm nur Fahrlässigkeit
vorgeworfen werden. Seine ärztlich attestierte Dienstunfähigkeit habe vom 17.06.2009 bis
zum 08.09.2009 gedauert und er habe im Anschluss daran darauf vertraut, weiterhin
dienstunfähig zu sein. Es sei realitätsfern anzunehmen, dass er am 09.09.2009 wieder
schlagartig dienstfähig gewesen sei. Zudem könne eine erhebliche Beeinträchtigung
seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden. Nachdem er sich
mittlerweile auf eigene Kosten in psychologischer Behandlung bei Herrn ... befinde und
auch beim Polizeiarzt gewesen sei, bestehe eine gute Prognose dafür, dass er in Zukunft
derartige Dienstpflichtverletzungen nicht mehr begehe. Unter Berücksichtigung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei eine mildere Disziplinarmaßnahme, etwa eine
Degradierung, ausreichend.
25 Mit Urteil vom 20.06.2013 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 LDG für eine
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis lägen vor. Bereits die Tatsache, dass der Kläger
über den Zeitraum vom 09.09.2009 bis zum 20.07.2010, mithin mehr als zehn Monate,
dem Dienst schuldhaft ferngeblieben sei, rechtfertige die ausgesprochene
Disziplinarmaßnahme, ohne dass es noch auf die dem Kläger weiter zur Last gelegten
Vorwürfe ankomme. Die von dem Verwaltungsgericht Stuttgart in seinen Urteilen vom
28.09.2010 und vom 18.11.2011 für die Zeiträume vom 01.02.2010 bis 15.04.2010 und
vom 16.04.2010 bis zum 20.07.2010 hierzu getroffenen Feststellungen seien gemäß § 14
Abs. 1 Satz 1 LDG bindend. Für den restlichen Zeitraum könnten die getroffenen
Feststellungen in den Verwaltungsakten vom 17.11.2009 und vom 25.02.2010 der
Entscheidung im Disziplinarverfahren ohne weitere Prüfung gemäß § 14 Abs. 2 LDG zu
Grunde gelegt werden. Der Kläger sei damit über einen lang andauernden Zeitraum ohne
Entschuldigung dem Dienst ferngeblieben. Dieses Dienstvergehen sei ihm auch voll
zurechenbar. Soweit er sich nicht krank gemeldet bzw. kein ärztliches Attest vorgelegt
habe, sei nicht erkennbar, warum er dies nicht hätte tun können. Dieses Verhalten sei
grundsätzlich geeignet, die Entfernung aus dem Dienst zu rechtfertigen. Es könne nicht die
Ansicht des Klägers geteilt werden, sein Verhalten sei dadurch bedingt gewesen, dass es
ihm seine Alkoholerkrankung und seine Depression unmöglich gemacht hätten, dem
Dienst nachzukommen bzw. sich zu entschuldigen. Es sei nicht annähernd
nachzuvollziehen und werde auch nicht in den eingeholten ärztlichen Stellungnahmen
ausgeführt, warum er nicht in der Lage gewesen sein solle, Kontakt zu einem Arzt
aufzunehmen. Davon abgesehen sei die Frage des Verschuldens des Klägers bereits
Gegenstand der mit Bindungswirkung versehenen verwaltungsgerichtlichen Urteile
gewesen, die der Kläger habe rechtskräftig werden lassen. Obwohl er seit Mitte Mai 2010
anwaltlich vertreten sei, habe er auch im Disziplinarverfahren nichts unternommen, um
seinen entsprechenden Vortrag auch nur ansatzweise zu belegen. Vor dem Hintergrund,
dass er regelmäßig in der Lage gewesen sei, Gerichtstermine einzuhalten, um sich gegen
Verfügungen des Beklagten zur Wehr zu setzen, sei nicht erklärbar, warum er keine
Arzttermine habe vereinbaren und einhalten können. Anderweitige Milderungsgründe
seien nicht erkennbar.
26 Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 15.11.2013, dem Kläger
zugestellt am 22.11.2013, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
zugelassen.
27 Der Kläger hat zur Begründung seiner Berufung mit am 19.12.2013 eingegangenem
Schriftsatz vorgetragen: Er habe kein schweres Dienstvergehen im Sinne des § 31 Abs. 1
LDG begangen. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, das er während der
streitgegenständlichen Zeit dienstfähig gewesen sei. Gesundheitliche Auffälligkeiten im
psychischen Bereich seien bereits im Jahr 2003 aufgetreten. Zu der damals schon
bestehenden Alkoholproblematik seien im Laufe der Jahre Depressionen mit
Selbstmordgedanken, Angststörungen und ähnliche psychische Erkrankungen
hinzugekommen. Gerade in Stoßzeiten während der Arbeit habe sich die typische
Symptomatik dieser Erkrankungen in dem Sinne gezeigt, dass die Einhaltung von Regeln
einen nachgeordneten Rang für ihn gehabt habe. Ein weiteres typisches Symptom sei die
Verheimlichung des Krankheitszustandes vor seiner Ehefrau gewesen. Er habe sich mit
der ihm zugewiesenen Tätigkeit, nämlich der Bearbeitung von Akten, vollkommen
überfordert gefühlt; daher habe sich auch die Angstsymptomatik entwickelt. Es sei ein
Symptom dieser Erkrankung, dass er einfach abtauche, keine Ärzte mehr aufsuche und
keine Dienstunfähigkeitsbescheinigungen beibringe. Das Verwaltungsgericht habe in
seinen Urteilen nicht danach unterschieden, ob ihm überhaupt ein Verschulden und in
welcher Form (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) es ihm gegebenenfalls vorzuwerfen sei. Auf
Grund der dargestellten persönlichkeitsfremden Krankheitsproblematik könne nicht
ausgeschlossen werden, dass die bei ihm vorhandene depressive Problematik sowie die
bestehende Alkoholerkrankung zu einer Beeinträchtigung der Einsichts- und
Steuerungsfähigkeit geführt hätten. Es könne daher nicht ohne Weiteres davon
ausgegangen werden, dass er tatsächlich in der Lage gewesen sei, schuldhaft zu
handeln. Selbst wenn man einen schuldhaften Verstoß annehme, könne ihm keine
vorsätzlich begangene Dienstpflichtverletzung vorgeworfen werden. Er habe nämlich
darauf vertrauen dürfen, dienstunfähig zu sein. Die Ärzte ... (gemeint: ...) und ... hätten
seine Tätigkeit als ... Trainer als wichtig und stabilisierend bezeichnet. Er habe deswegen
davon ausgehen können, diese Tätigkeit trotz seiner Dienstunfähigkeit ausüben zu
können. Dabei sei anzumerken, dass er im Laufe der Zeit auch zur Ausübung dieser
ehrenamtlichen Tätigkeit - wie auch zu seiner Tätigkeit als Mitglied des
Kirchengemeinderates - nicht mehr in der Lage gewesen sei. Ferner habe er gegenüber
dem stellvertretenden Revierleiter des Polizeireviers ... am 17.11.2009 geäußert, dass er
eine vierwöchige Kur in einer psychosomatischen Klinik antreten werde und deshalb
keine Krankmeldung benötige. Hierauf habe er vertraut. Es sei zudem realitätsfern
anzunehmen, dass er nach längerer Dienstunfähigkeit am 09.09.2009 schlagartig wieder
dienstfähig gewesen sei. Deswegen sei zumindest davon auszugehen, dass er gutgläubig
habe annehmen können, nach wie vor dienstunfähig zu sein. Da die medizinischen
Befunde für die streitgegenständlichen Zeiträume spärlich gewesen seien, hätte es sich
dem Verwaltungsgericht aufdrängen müssen, ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Lasse sich der Nachweis der Dienstfähigkeit bzw. des Verschuldens des Klägers nicht
feststellen, hätte das Verwaltungsgericht in der medizinisch und auch rechtlich schwer
überschaubaren Situation von dem für ihn günstigsten Sachverhalt ausgehen müssen.
Diese Mängel lägen auch den Urteilen des Verwaltungsgerichts vom 28.09.2010 und vom
18.11.2011 zu Grunde, so dass § 14 Abs. 1 Satz 1 LDG nicht anwendbar sei. Die dortigen
Feststellungen seien offenkundig unrichtig. Ihm sei allenfalls ein fahrlässiger Verstoß
gegen seine Dienstpflichten vorzuwerfen. Es könne zwar sein, dass das
Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn auf Grund seines Verhaltens erschüttert sei,
es könne aber noch nicht als endgültig zerstört gelten.
28 Der Kläger beantragt,
29 das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Juni 2013 - DL 20 K 4235/12 - zu
ändern und die Disziplinarverfügung des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 16.11.2012
aufzuheben.
30 Der Beklagte beantragt,
31 die Berufung zurückzuweisen.
32 Er verteidigt das angegriffene Urteil und führt weiter aus: In den Urteilen des
Verwaltungsgerichts ... vom 28.09.2010 und vom 18.11.2011 werde das Vorbringen des
Klägers, er leide an einer psychischen Erkrankung, die zu einer derartigen
Antriebslosigkeit führe, dass er nicht in der Lage gewesen sei, ärztliche Atteste
vorzulegen, als Schutzbehauptung gewertet. Dabei sei auch von Belang gewesen, dass
die Tätigkeit als ... Trainer, die er in demselben Zeitraum ausgeübt habe, eine engagierte
und belastbare Persönlichkeit erfordere. Wie sich aus den Ausführungen des Arztes ...
ergebe, könne sich weder dieser noch der Kläger erklären, warum sich der Kläger nicht
mehr zum Dienst gemeldet habe. Dies mache deutlich, dass der Kläger selbst nicht von
einer psychischen Erkrankung ausgegangen sei und es dem Kläger habe bewusst sein
müssen, dass er mangels weiter bestehender Dienstunfähigkeit seinen Dienst habe
antreten müssen. Weiter sei zu berücksichtigen, dass eine psychische Erkrankung mit den
von dem Kläger geschilderten Symptomen bereits im Jahr 2008 bestanden habe und der
Kläger damals in der Lage gewesen sei, einen Arzt aufzusuchen und
Dienstunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen. Hinsichtlich der Nichtvorlage dieser
Bescheinigungen habe der Kläger zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Er habe
damals seiner Frau vorgespielt, dass er alle vierzehn Tage zum Arzt gehe und ihr später
gesagt, dass er eine Wiedereingliederung mache. Das planmäßige Verheimlichen
gegenüber seiner Frau und sein erfolgreiches Engagement als Trainer zeigten deutlich,
dass er selbst von seiner Dienstfähigkeit ausgegangen und in der Lage gewesen sei,
strukturiert vorzugehen. Zu diesem Ergebnis sei auch der polizeiärztliche Dienst in seiner
Stellungnahme vom 20.12.2011 gelangt. Selbst wenn das streitgegenständliche Verhalten
des Klägers fahrlässig gewesen sein sollte, wiege es so schwer, dass die Entfernung aus
dem Dienst gerechtfertigt sei.
33 Dem Gericht liegen die Personalakten des Klägers, die Disziplinarakten sowie die Akten
des Verwaltungsgerichts betreffend die Verfahren ... und ... vor. Hierauf sowie auf die
gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes verwiesen.
Entscheidungsgründe
34 Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
35 Allerdings ist die Berufung des Klägers nach ihrer Zulassung durch den Senat statthaft
und auch im Übrigen zulässig. Der Kläger hat die Berufung insbesondere innerhalb der
Berufungsbegründungsfrist ausreichend begründet und einen bestimmten Antrag gestellt
(§ 2 LDG, § 124a Abs. 6, Abs. 3 Satz 4 VwGO).
36 Die Berufung des Klägers ist aber unbegründet. Die Disziplinarkammer hat die
Anfechtungsklage des Klägers gegen die Disziplinarverfügung des Polizeipräsidiums ...
vom 16.11.2012 zu Recht abgewiesen. Die Disziplinarverfügung ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 21 AGVwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
37 Rechtsgrundlage für die von dem Beklagten am 16.11.2012 verfügte Entfernung des
Klägers aus dem Dienst ist § 31 Abs. 1 Satz 1 LDG. Nach dieser Vorschrift wird ein
Beamter aus dem Beamtenverhältnis entfernt, wenn er durch ein schweres
Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die
pflichtgemäße Amtsführung endgültig verloren hat. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 LDG ist bei
der Bemessung der Disziplinarmaßnahme das Persönlichkeitsbild des Beamten zu
berücksichtigen. Diese Voraussetzungen für eine Dienstentfernung sind gegeben.
38 Dabei unterliegt nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 30.09.2013 - DL 13 S
724/13 -, juris) eine Disziplinarverfügung, die - wie hier - auf mehrere
Dienstpflichtverletzungen des Beamten gestützt ist und die Verhängung der disziplinaren
Höchstmaßnahme ausspricht, mangels Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung des
Beamten nicht der Aufhebung nach § 2 LDG in Verbindung mit § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO,
wenn bereits eine einzelne Dienstpflichtverletzung oder einzelne
Dienstpflichtverletzungen die disziplinare Höchstmaßnahme begründen und durch die
Nichtberücksichtigung anderer Dienstpflichtverletzungen Verteidigungsrechte des
Beamten im Verfahren nicht verletzt werden. Hier rechtfertigt - wie das Verwaltungsgericht
im Ergebnis zutreffend angenommen hat - bereits das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst
im Zeitraum vom 09.09.2009 bis zum 20.07.2010 die Entfernung des Klägers aus dem
Dienst. Verteidigungsrechte des Klägers werden hierdurch nicht berührt.
39 Mit dem unerlaubten Fernbleiben vom Dienst in diesem Zeitraum hat der Kläger ein
schweres Dienstvergehen im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 LDG begangen. Er hat
zunächst gegen seine Verpflichtung aus § 68 Abs. 1 LBG n.F. / § 91 Satz 1 LBG a.F.
verstoßen. Nach diesen Vorschriften darf der Beamte dem Dienst nicht ohne
Genehmigung fernbleiben, was voraussetzt, dass der Beamte im fraglichen Zeitraum
dienstfähig war. Keine Pflichtverletzung im Sinne dieser Vorschriften liegt vor, wenn der
Beamte durch Krankheit oder aus anderen Gründen dienstunfähig war und deshalb dem
Dienst ferngeblieben ist. Das Erfordernis der Dienstfähigkeit ist ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst (BVerwG, Urteil vom
12.10.2006 - 1 D 2.05 -, juris m.w.N., Eckstein, in: von Alberti u.a., Landesdisziplinarrecht
Baden-Württemberg, 2. Aufl. Materielles Disziplinarrecht RdNr. 15; Müller, Grundzüge des
Beamtendisziplinarrechts, RdNr. 52).
40 Der Senat kann davon ausgehen, dass der Kläger im Zeitraum vom 09.09.2009 bis zum
20.07.2010 ohne Genehmigung dem Dienst ferngeblieben ist, obwohl er dienstfähig war.
Insoweit besteht eine Bindung an die tatsächlichen Feststellungen in den
bestandskräftigen Bescheiden des Polizeipräsidiums ... vom 17.11.2009 und vom
25.02.2010 für die Zeiträume vom 09.09.2009 bis zum 31.01.2010 sowie an die
Feststellungen in den rechtskräftigen Urteilen des Verwaltungsgerichts ... vom 28.09.2010
- 3 K 1901/10 - und vom 18.11.2011 - 3 K 991/11 - für die Zeiträume vom 01.02.2010 bis
zum 20.07.2010 gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 LDG. Nach dieser Vorschrift sind unter
anderem die tatsächlichen Feststellungen einer unanfechtbaren Entscheidung über den
Verlust der Bezüge wegen schuldhaften Fernbleibens vom Dienst (§ 11 LBesG) im
Disziplinarverfahren, das den selben Sachverhalt zum Gegenstand hat, bindend. Zu den
unanfechtbaren Entscheidungen in diesem Sinne zählen nicht nur rechtskräftige
verwaltungsgerichtliche Urteile, durch die über den Verlust der Besoldung bei
schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst entschieden wird, sondern auch entsprechende
bestandskräftige Verwaltungsentscheidungen (vgl. Amtliche Begründung zum LDNOG,
LT-Drs. 14/2996 S. 72; Nonnenmacher, in: Alberti u.a., a.a.O., § 14 RdNr. 8), so dass -
anders als das Verwaltungsgericht meint - auch insoweit § 14 Abs. 1 LDG und nicht bloß §
14 Abs. 2 LDG einschlägig ist. § 14 Abs. 1 Satz 1 LDG findet dabei nicht nur auf
Entscheidungen über den Verlust von Dienstbezügen auf Grundlage des § 11 LBesG,
sondern (etwa für Altfälle) auch auf Grundlage des § 9 BBesG Anwendung. Denn in der
ursprünglichen Fassung des Landesdisziplinargesetzes vom 14.10.2008 (GBl. S. 343)
wurde in § 14 Abs. 1 LDG auf § 9 BBesG Bezug genommen. Durch Art. 5 Nr. 4
Dienstrechtsreformgesetz vom 09.11.2010 (GBl. S. 793) wurde diese Bezugnahme durch
eine solche auf § 11 LBesG ersetzt. Dabei handelte es sich aber lediglich um eine
redaktionelle Anpassung an das Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg (LT-Drs.
14/6694, S. 561). Mit der in § 14 Abs. 1 Satz 1 LDG getroffenen Bindungswirkung soll
verhindert werden, dass zu demselben Sachverhalt in verschiedenen Verfahren
unterschiedliche Feststellungen getroffen werden. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 LDG
dient nach dem gesetzgeberischen Willen der Rechtssicherheit und dem
Vertrauensschutz und soll die disziplinarrechtlichen Ermittlungen entlasten und
beschleunigen. Da die Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge ein schuldhaftes
Fernbleiben vom Dienst voraussetzt und dieses Verhalten zugleich die Dienstpflicht zur
Dienstleistung verletzt, erscheint dem Gesetzgeber eine erneute Aufklärung in einem
sachgleichen Disziplinarverfahren überflüssig (LT-Drs. 14/2996, S. 72).
41 In den Bescheiden des Polizeipräsidiums ... vom 17.11.2009 und vom 25.02.2010 wurde
festgestellt, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 09.09.2009 bis zum 31.01.2010 dem
Dienst unentschuldigt ferngeblieben ist und keine Gründe erkennbar sind, die dieses
Verhalten entschuldigen könnten, mithin auch keine Dienstunfähigkeit des Klägers
gegeben war. In den Urteilen des Verwaltungsgerichts ... vom 28.09.2010 und vom
18.11.2011 wird für den Zeitraum vom 01.02.2010 bis zum 20.07.2010 ausgeführt, dass
der Kläger dem Dienst ohne Genehmigung ferngeblieben ist und nicht davon
ausgegangen werden kann, dass er in der fraglichen Zeit dienstunfähig erkrankt war. An
diese Feststellungen besteht eine Bindungswirkung, die auch nicht nach § 14 Abs. 1 Satz
2 LDG entfallen ist.
42 Nach dieser Vorschrift hat die Disziplinarbehörde erneut zu ermitteln, wenn die
Feststellungen offenkundig unrichtig sind. Eine Lösung von den bindenden tatsächlichen
Feststellungen kommt damit ausnahmsweise (vgl. Müller, a.a.O., Rdnr. 435; Gansen,
Disziplinarrecht in Bund und Ländern, § 57 BDG RdNr. 3 ff.) nur dann in Frage, wenn
ansonsten auf der Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend
erkannter Feststellungen zu entscheiden wäre, wenn etwa Feststellungen in Widerspruch
zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen oder in einem
ausschlaggebenden Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher
Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Eine Lösung kommt auch in Betracht,
wenn neue Beweismittel - etwa neue Sachverständigengutachten - vorgelegt werden, die
bislang noch nicht zur Verfügung standen und nach denen die mit Bindungswirkung nach
§ 14 Abs. 1 Satz 1 LDG belegten Feststellungen offenbar unrichtig sind oder auf
erhebliche Zweifel stoßen. Es genügt insoweit aber nicht, dass die Disziplinarbehörde auf
Grund einer eigenen anderen Wahrnehmung abweichende Feststellungen für richtig hält.
Auch die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen ganz oder teilweise anders gewesen
sein könnte, oder der Umstand, dass der beschuldigte Beamte die ihm zur Last gelegte Tat
bestreitet, reichen für eine Lösung nicht aus (vgl. für § 14 Abs. 1 Satz 2 LDG: Beschluss
des Senats vom 12.03.2012 - DL 13 S 3382/11 -; vgl. auch: BVerwG, Urteil vom
05.09.1990 - 1 D 70.89 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 24.06.2010 - DB 16 S
3391/08 -, vom 19.03.2009 - DB 16 S 3421/08 -, vom 04.02.2009 - DB 16 S 2888/08 -; zur
Heranziehung der bisher ergangenen Rechtsprechung zur Lösung bei offenkundiger
Unrichtigkeit für die Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 2 LDG: LT-Drs. 14/2996, S. 72; vgl. auch
Nonnenmacher, in: von Alberti u.a., a.a.O., § 14 LDG Rdnr. 9; Schiemann, in:
Schütz/Schiemann, Disziplinarrecht, 4. Aufl., § 23 BDG RdNr. 17).
43 Die so umschriebenen Voraussetzungen für eine Lösung liegen hier sowohl im Hinblick
auf die Bescheide des Polizeipräsidiums ... vom 17.11.2009 und vom 25.02.2010 wie auch
im Hinblick auf die Urteile des Verwaltungsgerichts ... vom 28.09.2010 und vom
18.11.2011 nicht vor.
44 Es ist nicht ersichtlich, dass die genannten Bescheide des Polizeipräsidiums ... in
Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen. In ihnen wird
darauf abgestellt, dass die dem Kläger ärztlich attestierte Dienstunfähigkeit am 08.09.2009
endete, ein mündlich angekündigtes Attest bis zum 11.09.2009 oder ein sonstiges
Folgeattest auf der Dienststelle nicht eingegangen sind und entsprechende telefonische
Nachfragen durch die Dienststelle ergebnislos verlaufen sind (Bescheid vom 17.11.2009)
bzw. dass auch nach Vollstreckung des Bescheides vom 17.11.2009 eine Reaktion des
Klägers nicht festgestellt werden konnte, er der Aufforderung zur Untersuchung durch den
polizeiärztlichen Dienst zur Abklärung der Polizeidienstfähigkeit nicht nachgekommen ist,
dem Polizeirevier ... eine erfolgreiche Kontaktaufnahme nicht gelungen war und die letzte
ärztlich attestierte Dienstunfähigkeit am 08.09.2009 endete (Bescheid vom 25.02.2010).
Die Feststellung dieser Tatsachen durch das Polizeipräsidium ist nicht offensichtlich
unrichtig, sondern auf Grund der Aktenlage nachvollziehbar und stimmig. Aus diesen
tatsächlichen Umständen konnte das Polizeipräsidium auch ohne Verletzung von
Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen darauf schließen, dass der Kläger dem
Dienst unentschuldigt ferngeblieben ist, insbesondere nicht dienstunfähig erkrankt war.
Denn insoweit gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG,
Urteil vom 25.01.2007 - 2 A 3.05 -, NVwZ 2007, 960 m.w.N.): Der Dienstherr kann dem
Beamten aufgeben, bei der Feststellung seiner Dienstfähigkeit mitzuwirken, insbesondere
Dienstunfähigkeit infolge Krankheit auf Verlangen nachzuweisen (§ 68 Abs. 2 Satz 2 LBG
n.F. / § 91 Satz 2 LBG n.F.) Diese Mitwirkungspflicht wird regelmäßig - so auch hier, wie
die Vertreterin des Beklagten in der Berufungsverhandlung bestätigte - durch dienstinterne
Regelungen konkretisiert, die den Beamten verpflichten, ein unvorhergesehenes
Fernbleiben alsbald anzuzeigen und im Krankheitsfall eine ärztliche
Dienstunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Verstößt der Beamte gegen seine
Mitwirkungspflichten, weil er seine Abwesenheit nicht hinreichend begründet,
insbesondere kein ärztliches Attest vorlegt, so kann daraus im Rahmen der
Beweiswürdigung auf seine Dienstfähigkeit geschlossen werden (BVerwG, Urteil vom
25.01.2007, a.a.O.). Der Kläger hat ärztliche Dienstunfähigkeitsbescheinigungen ab dem
09.09.2009 nicht mehr vorgelegt und hat zu seiner dienstlichen Abwesenheit bis zum
Erlass der beiden Verfügungen vom 17.11.2009 und vom 25.02.2010 auch nicht Stellung
genommen. Er hat weder erklärt, warum er für sein Fernbleiben vom Dienst keine
ärztlichen Dienstunfähigkeitsbescheinigungen eingereicht hat noch hat er Gründe für sein
Fernbleiben angegeben. Selbst auf die Anhörungen zum beabsichtigten Erlass von
Verfügungen, mit denen der Verlust der Dienstbezüge festgestellt werden sollte
(Schreiben des Polizeipräsidiums ... vom 28.10.2009 und vom 03.02.2010), hat sich der
Kläger nicht geäußert. Polizeiärztlichen Untersuchungen, die Aufschluss über seinen
gesundheitlichen Zustand und über seine Polizeidienstfähigkeit gegeben hätten, hat er
sich unentschuldigt nicht unterzogen. Nachdem der Kläger für den 02.06., 17.06., 08.07.,
und 15.07.2009 mit dem polizeiärztlichen Dienst vereinbarte Untersuchungstermine aus
verschiedenen Gründen nicht wahrgenommen hatte und der Aufforderung des
Polizeipräsidiums ... vom 18.08.2009 zur unverzüglichen schriftlichen Stellungnahme und
Vereinbarung eines Termins beim polizeiärztlichen Dienst nicht nachgekommen war, blieb
auch die Aufforderung des Polizeipräsidiums ... vom 16.09.2009 zur schriftlichen
Stellungnahme und die zugleich erfolgte Anweisung, einen Termin beim polizeiärztlichen
Dienst zu vereinbaren, ohne Reaktion des Klägers (zum Nachweis der Dienstunfähigkeit,
wenn der Beamte durch sein Verhalten die Feststellung seines Gesundheitszustandes
verhindert: BVerwG, Urteil vom 25.01.2007, a.a.O.).
45 Eine offenkundige Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das Polizeipräsidium ... ist
ebenfalls nicht ersichtlich. Nachdem sich der Kläger auf die Anhörungsschreiben vom
28.10.2009 und vom 03.02.2010 nicht geäußert hat und auch sonstige Versuche der
Kontaktaufnahme ohne erkennbaren Erfolg geblieben sind, war das Polizeipräsidium zu
einer weiteren Sachaufklärung nicht verpflichtet.
46 Es liegen auch keine neuen Beweismittel vor, aus denen sich ergeben würde, dass die
Feststellungen des Polizeipräsidiums ... in seinen Bescheiden vom 17.11.2009 und vom
25.02.2010 offenbar unrichtig sind oder auf erhebliche Zweifel stoßen. Insbesondere hat
der Kläger kein Attest ihn behandelnder Ärzte oder ein anderweitiges ärztliches
Sachverständigengutachten vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass er in dem fraglichen
Zeitraum dienstunfähig erkrankt war. Das vom Kläger selbst vorgelegte Attest des ihn
behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie ... vom 28.10.2010 stellt eine
Dienstunfähigkeit des Klägers für den Zeitraum ab dem 09.09.2009 nicht fest. In ihm wird
vielmehr ausgeführt, dass der Kläger, nachdem er sich bei dem Arzt am 13.07.2009 erneut
wegen Herzrasen, Unwohlsein und Ängsten vorgestellt hatte, wie im Jahr zuvor mit
Citalopram behandelt worden sei, worunter es zu einer Besserung des Befindens
gekommen sei. In dem Attest wird weiter dargelegt, dass es nicht nachvollziehbar
erscheine, warum sich der Kläger nach der Behandlung nicht mehr zum Dienst gemeldet
habe und dass dies nicht mit der depressiven Erkrankung erklärbar erscheine. Denn der
Kläger habe die Möglichkeit der Weiterbehandlung gehabt und es habe auch eine gute
Arzt-Patient-Compliance bestanden. Eine von dem Arzt zur weiteren Abklärung
empfohlene psychologische Testung oder Computer- bzw. Magnetresonanztomographie
wurde in der Folgezeit weder von diesem veranlasst noch hat der Kläger diese vornehmen
lassen. Vielmehr hat der Kläger gegenüber dem Arzt ... erklärt, dass er sich selbst nicht
erklären könne, warum er nicht zum Dienst erschienen sei. Damit hat der Kläger sich auch
im Nachhinein nicht darauf berufen, zum hier maßgeblichen Zeitpunkt dienstunfähig
erkrankt gewesen zu sein. Die in diesem Zusammenhang eingeholten Stellungnahmen
des polizeiärztlichen Dienstes vom 04.01.2011 und vom 14.02.2011 führen zu keiner
anderen Sichtweise. Sie haben im Wesentlichen Überlegungen zum Gegenstand, ob der
Kläger in der Lage gewesen ist, sein Nichterscheinen am Arbeitsplatz rechtzeitig bekannt
zu geben und in geeigneter Weise zu entschuldigen. Dies wurde vom polizeiärztlichen
Dienst angesichts der Ausführungen des Arztes ... und der Umstände, dass der Kläger
seine Ehefrau bezüglich seines Nichterscheinens am Arbeitsplatz in die Irre geführt habe,
sowie dass er gezielt einer ehrenamtlichen ... Trainer-Tätigkeit nachgegangen sei, nicht in
Zweifel gezogen. Die Möglichkeit einer vorübergehenden Feststellung von
Arbeitsunfähigkeit wird zwar in dem polizeiärztlichen Schreiben vom 04.01.2011 genannt,
aber sogleich darauf hingewiesen, dass dem Schreiben des Herrn ... nicht zu entnehmen
sei, ob er eine derartige Feststellung getroffen habe. Erhebliche und durchgreifende
Zweifel an den Feststellungen in den Bescheiden des Polizeipräsidiums ... vom
17.11.2009 und vom 25.02.2010 werden damit nicht hervorgerufen.
47 Die im Disziplinarverfahren eingeholten ärztlichen Stellungnahmen vermitteln ebenfalls
kein anderes Bild. Den den Kläger behandelnden Ärzten ... und ... war in ihren Schreiben
vom 05.07.2011 und vom 30.06.2011 zu dem Gesundheitszustand des Klägers in dem
hier fraglichen Zeitraum keine Aussage möglich. Herr ... führt in seiner Stellungnahme vom
11.08.2011 aus, dass ihm Erkenntnisse über den Gesundheitszustand bzw. die
Dienstfähigkeit des Klägers ab dem 08.09.2009 nicht vorliegen, da er ihn zuletzt am
07.08.2009 gesehen habe. Im Übrigen verweist Herr ... auch hier wiederum darauf, dass er
davon ausgegangen sei, dass sich der psychische Befund des Klägers nach dem letzten
Arztbesuch am 13.07.2009 und der Behandlung mit einem Antidepressivum - wie zuvor -
wieder gebessert habe. Der Kläger habe ihm dann am 20.08.2010 davon berichtet, dass er
bis Februar ohne ärztliche Untersuchung weiterhin Gehalt bekommen habe, und er „nicht
mehr gekommen sei, weil er ein „A“ sei“. Der polizeiärztliche Dienst bringt in seiner
weiteren Stellungnahme vom 20.12.2011 zwar die Möglichkeit ins Spiel, dass der Kläger
einen Rückfall in das aktive (nasse) Stadium seiner Alkoholerkrankung gehabt haben
könnte, führt aber zugleich aus, dass konkrete Nachweise über ein derartiges
Rückfallverhalten nicht vorliegen und eine dienstliche Kontrolle durch das
Nichterscheinen auf der Dienststelle und bei den polizeiärztlichen Untersuchungen nicht
möglich gewesen sei. Der Kläger selbst hat zu keinem Zeitpunkt des behördlichen und
gerichtlichen Disziplinarverfahrens einen solchen Rückfall geltend gemacht. Auch in der
Berufungsverhandlung führte er sein Fernbleiben vom Dienst nicht hierauf zurück, sondern
ließ hier ebenfalls die Gründe dafür offen.
48 Letztlich führen auch die Aussagen der im behördlichen Disziplinarverfahren
vernommenen Zeugen, vor allem der Angaben der Ehefrau des Klägers und der Zeugin ...
zu keiner anderen Betrachtungsweise. Die Aussagen dieser Zeugen reichen bereits
deswegen nicht zur Lösung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 LDG aus, weil es sich bei ihnen
nicht um neue Beweismittel handelt, die bislang noch nicht zur Verfügung gestanden
haben. Auch inhaltlich gehen - zumal vor dem Hintergrund, dass der Kläger selbst keine
Gründe für sein Fernbleiben vom Dienst benennen konnte - aus ihnen nicht hinreichend
Anhaltspunkte dafür hervor, dass die Feststellungen des Polizeipräsidiums offenkundig
unrichtig sind. Zwar nahm die Ehefrau des Klägers deutliche psychische Probleme des
Klägers wahr, führte andererseits aber auch aus, dass sich ihr Mann geschämt habe,
weiter zu dem ihn behandelnden Arzt ... zu gehen, weil er alles so habe „schleifen“ lassen.
Nach den Aussagen der Zeugin ... war der Kläger in den Spielzeiten 2009/2010 und
2010/2011 ... Trainer der ..., wobei die jeweilige Spielzeit von September bis April dauere,
im Juni oder Juli aber schon mit dem Vorbereitungstraining begonnen werde. Die erste
Saison mit dem Kläger sei „super gelaufen“. Der Kläger sei zuverlässig und immer da
gewesen. Sein Engagement sei toll gewesen. Eine Veränderung seiner Persönlichkeit sei
(erst) in der zweiten Spielzeit zu bemerken gewesen. Merkbare Probleme mit dem Alkohol
habe der Kläger erst in der zweiten Saison gehabt.
49 Eine Lösung von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ... in seinen rechtskräftigen
Urteilen vom 28.09.2010 (...) und vom 18.11.2011 (...) kommt ebenfalls entsprechend den
vorstehend gemachten Ausführungen nicht in Betracht. In diesen Urteilen des
Verwaltungsgerichts wird ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass
der Kläger in den Zeiträumen vom 01.02.2010 bis zum 15.04.2010 und vom 16.04. bis zum
20.07.2010 dienstunfähig erkrankt gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hat dazu im
Urteil vom 28.09.2010 darauf verwiesen, dass der Kläger keine
Dienstunfähigkeitsbescheinigungen beigebracht habe, und dessen Behauptung, er habe
an einer derartigen Antriebsstörung gelitten, dass er nicht in der Lage gewesen sei, die
geforderten ärztlichen Atteste beizubringen, als reine Schutzbehauptung gewertet. Dabei
hat es vor allem darauf hingewiesen, dass der Kläger als ... Trainer des ... durchaus
erfolgreich tätig gewesen sei, weswegen nicht nachvollzogen werden könne, dass er
derart gravierend erkrankt gewesen sein solle, dass er nicht einmal in der Lage gewesen
sei, ärztliche Atteste an seinen Dienstherrn zu senden. Diesen Widerspruch habe der
Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt. Dass der Kläger dieses
Verhalten aus Krankheitsgründen an den Tag gelegt habe, sei lediglich seine unbelegte
Behauptung. Da der Kläger bis zur mündlichen Verhandlung nicht einmal eine
Stellungnahme eines behandelnden Arztes vorgelegt habe, bestehe für das Gericht kein
Anlass zu einer weiteren Aufklärung durch Einholung eines ärztlichen Gutachtens. Im
Urteil vom 18.11.2011 wird darüber hinaus noch auf die Stellungnahme des Arztes ... vom
28.10.2010 und des polizeiärztlichen Dienstes vom 14.02.2011 abgestellt.
50 Der Kläger hat nicht aufgezeigt und es ist für den Senat auch nicht ersichtlich, dass diese
Feststellungen des Verwaltungsgerichts in sich widersprüchlich sind oder sonst gegen
Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Sie sind auch nicht unter
offenkundiger Verletzung von wesentlichen Verfahrensvorschriften zustande gekommen.
Beweisanträge zu seiner gesundheitlichen Situation hat der Kläger in beiden
verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht gestellt. Dem Verwaltungsgericht musste sich
auch nicht eine weitere Sachaufklärung aufdrängen. Im Verfahren ... ist das Vorbringen
des Klägers unbelegt geblieben, insbesondere hat er keine ärztlichen Atteste vorgelegt; im
Verfahren ... hat der Kläger seine Klage nicht einmal begründet.
51 Letztlich besteht auch kein Anlass für eine Lösung von den in den Bescheiden des
Polizeipräsidiums ... und den Urteilen des Verwaltungsgerichts ... inzident (die
Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge setzt ein schuldhaftes Fernbleiben vom
Dienst und damit auch die Schuldfähigkeit des Beamten voraus, vgl. GKÖD, Band III, § 9
BBesG RdNr. 34) getroffenen Feststellungen zur Schuldfähigkeit, die insoweit binden, als
sie sich auf die Frage beziehen, ob der Beamte schuldfähig oder schuldunfähig im Sinne
des § 20 StGB ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 - 2 C 59.07 -, Buchholz 235.1 § 70
BDG Nr. 3; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.06.2010 - DB 16 S 3391/08 -; zur Identität der
disziplinarrechtlichen Verantwortlichkeit mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit -
Schuldfähigkeit -: BVerwG, Urteil vom 02.09.1980 - 1 D 77.79 -, BVerwGE 73, 62; Müller,
a.a.O., RdNr. 128), während die für die Bemessung des Disziplinarmaßes relevante Frage,
ob ein Fall erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB vorliegt, keiner
Bindung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 LDG unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.05.2008,
a.a.O.). Insbesondere liegen auch insoweit keine (neuen) Beweismittel vor, auf Grund
derer davon ausgegangen werden könnte, dass der Kläger bei der Dienstpflichtverletzung
wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden
Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer anderen seelischen
Abartigkeit unfähig war, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu
handeln (§ 20 StGB).
52 Wenn auch für sich gesehen nicht allein entscheidungserheblich ist schließlich darauf
hinzuweisen, dass der Kläger gegen die Bescheide des Polizeipräsidiums ... vom
17.11.2009 und vom 25.02.2010 wie auch gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts ...
vom 28.09.2010 und vom 18.11.2011 keine Rechtsbehelfe bzw. -mittel eingelegt und
damit auf die Möglichkeit einer weiteren Überprüfung der Tatsachenfeststellungen
verzichtet hat. Auch vor diesem Hintergrund ist nichts dafür ersichtlich, dass die
tatsächlichen Feststellungen in diesen Entscheidungen offenkundig unrichtig sind.
53 Damit steht auch für den Disziplinarsenat fest, dass der Kläger in dem Zeitraum vom
09.09.2009 bis zum 20.07.2010 unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben ist und damit die
ihm aus § 68 Abs. 1 LBG a.F. / 73 Satz 1 LBG n.F. obliegende Beamtenpflicht verletzt und
ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 LBG
a.F. / § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen hat.
54 Unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden, das Dienstvergehen kennzeichnenden
Umstände handelt es sich auch um ein schweres Dienstvergehen im Sinne des § 31 Abs.
1 Satz 1 LDG.
55 Für die Schwere des Dienstvergehens können bestimmend sein die objektive Handlung
(insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, zum Beispiel die
Verletzung einer Kern- oder einer Nebenpflicht, sowie besondere Umstände der
Tatbegehung, wie etwa Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens),
subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht des Verschuldens des
Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des
Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und Dritte, zum Beispiel der materielle
Schaden (vgl. BVerwG, Urteile vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 und vom
29.05.2008 - 2 C 59.07 -, Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3, jeweils zu § 13 BDG). Dieses
Verständnis liegt auch den §§ 26 ff. LDG zugrunde (vgl. dazu Amtliche Begründung zu §
26 LDG, LT-Drs. 14/2996, S. 86; Senatsurteil vom 24.08.2011 - DL 13 S 583/11 -, juris).
56 Nach den objektiven Handlungsmerkmalen wiegt das Dienstvergehen schwer. Das Gebot,
überhaupt zum Dienst zu erscheinen ist, wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger
Rechtsprechung betont, Grundpflicht jedes Beamten (vgl. etwa Urteil vom 06.05.2003 - 1 D
26.02 -, juris m.w.N.). Ohne die pflichtgemäß, das heißt im verbindlich festgelegten
Umfang und nach Maßgabe der Dienstpläne zu erbringende Dienstleistung ihrer
Mitarbeiter wäre die Verwaltung nicht imstande, die ihr gegenüber der Allgemeinheit
obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Dabei ist das Erfordernis der Dienstleistung und damit
die Bedeutung ihrer Unterlassung für jedermann leicht zu erkennen (BVerwG, Urteile vom
06.05.2003, a.a.O. und vom 18.02.2003 - 1 D 13.02 -, VGH Bad.-Württ., Urteile vom
08.02.2012 - DL 13 S 2309/11 - und vom 05.11.2009 - DL 16 S 216/09 -). Setzt sich ein
Beamter gleichwohl über diese Erkenntnis hinweg, offenbart er ein hohes Maß an
Verantwortungslosigkeit, Pflichtvergessenheit und Mangel an Einsicht in die
Notwendigkeit einer geordneten Verwaltung. Es kommt hier hinzu, dass sich der Kläger
nicht nur kurzfristig seiner Dienstleistungspflicht entzogen hat, sondern nach den
bindenden Feststellungen in den genannten Entscheidungen des Polizeipräsidiums ...
und des Verwaltungsgerichts ... hinsichtlich der Feststellung des Verlustes der
Dienstbezüge eine unerlaubte Dienstsäumnis von über zehn Monaten aufzuweisen hat.
So hat das Bundesverwaltungsgericht in älterer Rechtsprechung die disziplinare
Höchstmaßnahme stets in den Fällen ausgesprochen, in denen der Beamte
ununterbrochen vier Monate oder länger unerlaubt vorsätzlich dem Dienst ferngeblieben
war (BVerwG, Urteil vom 06.05.2003, a.a.O. m.w.N.) und ist nach dessen neuerer
Rechtsprechung (Urteil vom 25.01.2007, a.a.O.) in diesen Fällen die Entfernung aus dem
Beamtenverhältnis Ausgangspunkt der Überlegungen zur Bestimmung des
angemessenen Disziplinarmaßes. Seinem objektiven Unrechtsgehalt nach fällt somit das
unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst in die Kategorie eines schweren
Dienstvergehens.
57 Hinsichtlich der subjektiven Handlungsmerkmale haben die Entscheidungen des
Polizeipräsidiums ... und des Verwaltungsgerichts ... allerdings keine weiteren
Feststellungen getroffen, denen eine Bindungswirkung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 LDG
zukommen würde, so dass der Senat selbst festzustellen hat, ob dem Kläger eine
vorsätzliche oder fahrlässige Begehungsweise zur Last zu legen ist. Ein dienstfähiger
Beamter, der ungenehmigt keinen Dienst leistet, handelt hinsichtlich des
Tatbestandsmerkmals „Dienstfähigkeit“ mit bedingtem Vorsatz, wenn er es ernsthaft für
möglich hält dienstfähig zu sein, und im Hinblick darauf billigend in Kauf nimmt, die
Dienstleistungspflicht zu verletzen. Dagegen fällt ihm nur Fahrlässigkeit zur Last, wenn er
die Dienstfähigkeit zwar auf Grund der Gegebenheiten erkennen muss, aber darauf
vertraut, dienstfähig zu sein und demzufolge nicht gegen die Dienstleistungspflicht zu
verstoßen (BVerwG, Urteil vom 12.10.2006, a.a.O; Urteile des Senats vom 08.12.2012,
a.a.O. und vom 30.10.2008 - DB 16 S 3/07 -). Für den Senat bestehen hinreichende
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger billigend in Kauf nahm, in dem hier fraglichen
Zeitraum seine Dienstleistungspflicht zu verletzen, und nicht darauf vertraute,
dienstunfähig zu sein. So hat der Kläger gegenüber dem Arzt ... angegeben, dass er sich
selbst nicht erklären könne, warum er sich nach dem 09.09.2009 nicht mehr zum Dienst
gemeldet habe (ärztliche Bescheinigung des Herrn ... vom 28.10.2010), was deutlich dafür
spricht, dass der Kläger selbst nicht von einer ihn betreffenden Dienstunfähigkeit
ausgegangen ist und damit selbst nicht darauf vertraut hat, dienstunfähig zu sein. In dieses
Bild fügt sich ein, dass der Kläger - erfolgreich - eine Tätigkeit als ... Trainer
wahrgenommen hat und es im Hinblick hierauf nahe liegt, dass er es jedenfalls für
ernsthaft möglich gehalten hat, auch den Anforderungen seines Dienstes (gesundheitlich)
gewachsen zu sein. Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist
nichts dafür ersichtlich, dass es sich bei der ... Trainertätigkeit um eine „Therapie“ oder
„therapieunterstützendende Maßnahme“ gehandelt hat, weswegen der Kläger hätte darauf
vertrauen dürfen, dienstunfähig gewesen zu sein. Denn es ist aus allen vorliegenden
ärztlichen Stellungnahmen nicht ersichtlich, dass dem Kläger eine solche Tätigkeit als
Therapie oder therapieunterstützende Maßnahme ärztlicherseits empfohlen wurde. Soweit
der Kläger weiter darauf abstellt, er und seine Ehefrau hätten gegenüber dem
stellvertretenden Revierleiter der Polizeireviers ... am 17.11.2009 geäußert, dass er eine
vierwöchige Kur in einer psychosomatischen Klinik antreten werde und deshalb keine
Krankmeldung benötige, kann auch hierauf ein Vertrauen des Klägers auf seine
Dienstunfähigkeit nicht begründet worden sein. Es hat insoweit weder eine Untersuchung
beim polizeiärztlichen Dienst noch (gar) eine Genehmigung eines solchen stationären
Aufenthalts gegeben (vgl. Aktenvermerk Blatt 363 der Personalakte des Klägers). Auch
aus dem Umstand, dass der Kläger vor dem 08.09.2009 schon längere Zeit - ärztlich
bescheinigt - dienstunfähig gewesen war, kann entgegen dessen Ansicht nicht auf eine
fahrlässige Begehungsweise geschlossen werden. Zum einen wird in den ärztlichen
Stellungnahmen des Arztes ... ausgeführt, dass er davon ausgegangen sei, dass es bei
dem Kläger infolge seiner Behandlung zu einer Besserung des Befindens gekommen sei
und er davon ausgehe, dass sich sein psychischer Befund gebessert habe. Zum anderen
hat der Kläger nach Ablauf seiner ärztlicherseits bescheinigten Dienstunfähigkeit keine
weitere ärztliche Bescheinigung seiner Dienstunfähigkeit eingeholt und vorgelegt. Es fehlt
mithin ein Anknüpfungspunkt, aus welchem heraus sich für ihn ein berechtigtes Vertrauen
darauf hätte ergeben können, infolge einer Dienstunfähigkeit (berechtigt) seiner
Dienstleistungspflicht nicht nachkommen zu können (vgl. zur Konstellation, dass ein
Beamter trotz abweichender amtsärztlicher Feststellungen hinsichtlich der von seinem
behandelnden Arzt bescheinigten Dienstunfähigkeit im Einzelfall gutgläubig darauf
vertrauen konnte, dienstunfähig zu sein: BVerwG, Urteil vom 12.10.2006, a.a.O.).
58 Letztlich liegt auch keine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Klägers im
Sinne von § 21 StGB vor, die bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens mit
dem ihr zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen ist und bei deren Vorliegen
die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden kann. Erheblich
verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das
Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung
im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die
Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark
herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als
gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte. Die daran anknüpfende Frage, ob die
Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf Grund einer krankhaften seelischen Störung
„erheblich“ war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die
Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu
bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines
Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der
Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Für die Annahme einer erheblichen
Minderung der Schuldfähigkeit sind schwerwiegende Gesichtspunkte heranzuziehen wie
etwa Psychopathien, Neurosen, Triebstörungen, leichtere Formen des Schwachsinns,
altersbedingte Persönlichkeitsveränderungen, Affektzustände sowie Folgeerscheinungen
einer Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten. Die Erheblichkeitsschwelle
liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt
im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der
Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab (vgl. BVerwG, Urteil vom
29.05.2008, a.a.O.). Bei der Pflicht zur Dienstleistung handelt es sich um eine elementare,
selbstverständliche, einfach zu befolgende und sofort einsehbare Dienstpflicht (vgl.
BVerwG, Urteil vom 18.02.2003 - 1 D 13.02 -, juris), so dass die Erheblichkeitsschwelle in
diesen Fällen nur in seltenen Ausnahmefällen erreicht sein wird.
59 Der Senat vermag keinerlei Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass ein solcher
Ausnahmefall für den Kläger im Zeitraum der Begehung des Dienstvergehens gegeben
war. Insbesondere ergeben sich aus keiner der dem Disziplinarsenat vorliegenden
ärztlichen Stellungnahmen Rückschlüsse für die oben beschriebenen schwerwiegenden
Gesichtspunkte wie Psychopathien u.ä.. Zwar wird in der polizeiärztlichen Stellungnahme
die Hypothese eines Rückfalls in das aktive Stadium einer Alkoholerkrankung angestellt.
Doch wird eine erheblich verminderte Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit infolge einer
Alkoholerkrankung für den hier streitgegenständlichen Zeitraum weder vom Kläger selbst
geltend gemacht noch ergeben sich sonst, insbesondere auch nicht aus den Aussagen
der im Disziplinarverfahren vernommenen Zeugen hierfür Anhaltspunkte. Soweit der
Kläger auf eine depressive Episode abstellt, genügt dies angesichts der ohne Weiteres
einsehbaren Kernbereichspflicht für das Erreichen der Erheblichkeitsschwelle nicht, zumal
nach den obigen Darlegungen davon auszugehen ist, dass diese schon nicht einen zu
einer Dienstunfähigkeit führenden Krankheitswert hatte. Dabei nimmt der Senat vor allem
auch in den Blick, dass es dem Kläger im privaten Bereich gegenüber seiner Ehefrau
gelang, sein Fernbleiben vom Dienst über einen längeren Zeitraum zu verschleiern und
dass er erfolgreich als ... Trainer gearbeitet hat. Dieses Verhalten zeigt zum einen, dass
der Kläger in der Lage war, strukturiert und planmäßig vorzugehen, zum anderen, dass er
in anderen Bereichen Verantwortung, Engagement und Belastbarkeit an den Tag legen
konnte. Schließlich verweist der Senat in diesem Zusammenhang noch auf die
Ausführungen in der polizeiärztlichen Stellungnahme vom 20.12.2011, in der es heißt,
dass bei einem unterstellten Vorliegen einer mittelgradigen Episode oder auch einer
Alkoholabhängigkeitserkrankung im aktiven Stadium die Einhaltung von Regeln
gegenüber der Stimmungslage und gegenüber dem Suchtmittelgebrauch zwar einen
nachgeordneten Rang haben könne. Dennoch komme dieser Regelverstoß bewusst bzw.
bewusstseinsnah zustande und schließe eine Eigenverantwortung für dieses Handeln
nicht aus. Dies bestätige sich durch das gleichzeitige Funktionieren in anderen Bereichen,
beispielsweise durch Einhalten oder Absagen von Terminen und Ausübung der
Trainerfunktion.
60 Bei einer Gesamtschau aller in Betracht zu ziehenden, die Dienstpflichtverletzung
kennzeichnenden Umstände ist das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst im Zeitraum vom
09.09.2009 bis zum 20.07.2010 damit ein schweres Dienstvergehen im Sinne von § 31
Abs. 1 Satz 1 LDG.
61 Der Kläger hat durch dieses von ihm begangene schwere Dienstvergehen auch das
Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren.
62 Ein endgültiger Vertrauensverlust ist anzunehmen, wenn aufgrund einer prognostischen
Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und
entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch
künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein
Verhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer
Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen (vgl. BVerwG, Urteil
vom 29.05.2008, a.a.O.; Urteil vom 03.05.2007 - 2 C 9.06 -, NVwZ-RR 2007, 695). Dieses
Verständnis liegt auch § 31 LDG zu Grunde (vgl. Amtliche Begründung zu § 31 LDG, LT-
Drs. 14/2996, S. 96; Senatsurteil vom 24.08.2011, a.a.O.).
63 Nach der Konzeption des Landesdisziplinargesetzes stehen dabei der Schweregrad des
Dienstvergehens und das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung nicht unverbunden
nebeneinander. Vielmehr ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang der §§ 27 ff.
LDG, dass mit einem schweren Dienstvergehen tendenziell auch ein höheres Maß an
Vertrauensverlust einhergeht. § 27 LDG und § 28 LDG ordnen dabei einem leichten
Dienstvergehen eine geringfügige bzw. nicht nur geringfügige Vertrauensbeeinträchtigung
zu, § 29 LDG und § 30 LDG einem mittelschweren Dienstvergehen eine erhebliche bzw.
nachhaltige Vertrauensbeeinträchtigung, § 31 LDG einem schweren Dienstvergehen den
endgültigen Vertrauensverlust.
64 Einem schweren Dienstvergehen wird also nach der Regelungssystematik des
Landesdisziplinargesetzes - anders als einem leichten oder mittelschweren
Dienstvergehen - nur ein bestimmtes Maß der Vertrauensbeeinträchtigung zugeordnet. §
31 LDG setzt mithin voraus, dass mit einem schweren Dienstvergehen grundsätzlich ein
endgültiger Vertrauensverlust einhergeht, also durch das Dienstvergehen indiziert wird,
ohne dass damit aber ausgeschlossen wäre, dass durch ein schweres Dienstvergehen ein
geringerer Grad des Vertrauensverlustes verursacht werden kann (vgl. dazu Amtliche
Begründung zu § 29 und § 30 LDG, LT-Drs.14/2996, S. 92, 95). Anknüpfungspunkt der
Indizwirkung ist dabei nicht die Typizität des Dienstvergehens, sondern dessen Schwere.
65 Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann von einem
schweren Dienstvergehen eine - widerlegliche - Indizwirkung für einen endgültigen
Vertrauensverlust ausgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a.a.O.). Die von der
Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt danach, wenn
gewichtige und im Einzelfall durchgreifende Entlastungsgründe festgestellt werden,
welche die Gesamtwürdigung rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauensverhältnis
noch nicht endgültig zerstört. Dies ist der Fall, wenn auf der Grundlage aller im Einzelfall
bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden kann,
der Beamte werde künftig nicht in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen und
die durch sein Verhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des
Berufsbeamtentums sei auch bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses wieder
gutzumachen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - DB 16 S 2045/08 -, juris).
66 Diese, auch für den Ausschluss der in § 31 LDG vorausgesetzten Indizwirkung
maßgeblichen Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
67 Einem Beamten, der ohne triftigen Grund und zudem - wie hier - ohne weitere Mitteilung
an seinen Dienstherrn nicht zum vorgeschriebenen Dienst erscheint, kann nicht mehr das
Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine gedeihliche Zusammenarbeit
unerlässlich ist. Verweigert ein Beamter den Dienst für einen längeren Zeitraum oder auch
wiederholt - auch für kürzere Zeitspannen -, so ergibt sich die Notwendigkeit, das
Beamtenverhältnis einseitig zu lösen, regelmäßig schon aus der Dauer der
Dienstverweigerung selbst sowie aus dem Umstand, dass das Erfordernis der
Dienstleistung und damit die Bedeutung ihrer Unterlassung für jedermann leicht zu
erkennen ist (BVerwG, Urteile vom 06.05.2003 und vom 18.02.2003 - 1 D 13.02 -, VGH
Bad.-Württ., Urteile vom 05.11.2009 und vom 08.02.2012, jew. a.a.O.). Denn in diesen
Fällen hat der Beamte ein so hohes Maß an Pflichtvergessenheit, Verantwortungslosigkeit
und Mangel an Einsicht in die Notwendigkeit einer geordneten Verwaltung an den Tag
gelegt, dass das Vertrauen, das der Dienstherr und die Allgemeinheit in seine Integrität
und vor allem seiner Zuverlässigkeit gesetzt haben, von Grund auf erschüttert und das für
seine Berufsausübung unerlässliche Ansehen und Vertrauen vollständig und
unwiederbringlich verloren ist.
68 Gründe, die im Fall des über zehn Monate unerlaubt vom Dienst ferngebliebenen Klägers
eine abweichende Beurteilung des Vertrauensverlustes rechtfertigen könnten, sind für den
Senat nicht ersichtlich. Von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Klägers ist
nicht auszugehen, wie bereits ausgeführt wurde. Der Kläger kann sich - wie das
Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - auch nicht darauf berufen, dass es sich bei
den Ursachen für den Dienstausfall um im Grunde persönlichkeitsfremde, durch bestimmte
äußere Ereignisse oder Einwirkungen verursachte Umstände gehandelt hat und deshalb
die Aussicht auf ein künftiges pflichtgemäßes Verhalten begründet ist (vgl. dazu: BVerwG,
Urteil vom 06.05.2013; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.11.2009, jew. a.a.O.). Ferner ist in
Rechnung zu stellen, dass der Kläger ab dem 08.09.2009 dem Dienst ohne jede Mitteilung
ferngeblieben ist. Damit hat er sich über einen beträchtlichen Zeitraum so gebärdet, als ob
er sich seiner Behörde nicht mehr zugehörig fühle und sich selbst auf diese Weise
außerhalb des zu seinem Dienstherrn bestehenden Treueverhältnisses gestellt.
69 Ist der Beamte mit seinem Dienstvergehen für seinen Dienstherrn untragbar geworden,
stehen auch das ansonsten im Wesentlichen dienstlich unbeanstandet gebliebene
Verhalten des Klägers und seine dienstlichen Beurteilungen der Entfernung aus dem
Dienst nicht entgegen. Damit vermag der Senat unter Berücksichtigung aller in Betracht
kommenden Umstände nicht zu erkennen, dass die von der besonderen Schwere des
Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung für den eingetretenen Vertrauensverlust durch
vorrangig zu berücksichtigende und durchgreifende Entlastungsgründe entfallen ist und
der Kläger gegenüber seinem Dienstherrn noch ein Restvertrauen in Anspruch nehmen
könnte. Ist das Vertrauen zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn zerstört, erweist
sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Reaktion. Unter
wirtschaftlichen wie auch unter familiären Verhältnissen ist die in der Entfernung aus dem
Beamtenverhältnis liegende Härte für den Kläger nicht unverhältnismäßig.
70 Die angefochtene Verfügung ist auch hinsichtlich der darin enthaltenen
Nebenentscheidungen rechtmäßig. Hat ein Beamter durch ein schweres Dienstvergehen
das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung
endgültig verloren, wird er bis zum unanfechtbaren Abschluss des Disziplinarverfahrens
des Dienstes enthoben, außerdem wird nach Maßgabe der hier eingehaltenen
Regelungen in § 31 Abs. 2 LDG ein Teil der monatlichen Bezüge einbehalten (§ 31 Abs. 2
Satz 1 bis 3 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 LDG).
71 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 2 LDG.
72 Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO in
Verbindung mit § 2 LDG liegen nicht vor.