Urteil des VG Saarlouis vom 24.08.2010
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VG Saarlouis Beschluß vom 24.8.2010, 11 L 732/10
Zur Frage der Einzelentscheidung über die Zulassung von Schaustellern zu einer Kirmes
und zur Frage der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den gemeindlichen Organen
Leitsätze
Die vorliegend in Rede stehende Einzelentscheidung über die Zulassung von Schaustellern
zu einem kleinen Volksfest im ländlichen Bereich stellt ein Geschäft der laufenden
Verwaltung dar und fällt in die Zuständigkeit des Bürgermeisters.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe
I.
Die Entscheidung konnte nach den entsprechenden Erklärungen durch den Berichterstatter
ergehen (§ 87 a Abs. 2, Abs. 3 VwGO).
II.
Der am 02.08.2010 bei Gericht eingegangene Antrag, mit dem die Antragstellerin begehrt,
dass über ihren Antrag auf Bewerbung zur Zulassung der Kirmes unter Beachtung der
Rechtsauffassung erneut entschieden wird, konnte keinen Erfolg haben.
Zwar ist der erforderliche Anordnungsgrund - auch unter Berücksichtigung des
grundsätzlichen Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache - gegeben; denn im Wege
eines länger dauernden Hauptsacheverfahrens vermag die Antragstellerin hinsichtlich der
am 03.10.2010 stattfindenden Veranstaltung von vornherein keinen Rechtsschutz mehr
zu erlangen, so dass ihr der gemäß Art. 19 Abs. 4 GG garantierte effektive Rechtsschutz
nur im Wege einer einstweiligen Anordnung gewährt werden kann.
Es fehlt indessen an einem Anordnungsanspruch. Die (ablehnende)
Zulassungsentscheidung des Antragsgegners vom 01.04.2010 ist rechtlich nicht zu
beanstanden.
In Anlehnung an den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom
26.04.1989 -2 W 12/89- käme ein Anspruch der Antragstellerin auf Zulassung zur Kirmes
allenfalls nach den Grundsätzen des allgemeinen Anstaltsrechts in Betracht.
§ 70 Abs. 1 GewO scheidet als Grundlage eines Zulassungsanspruchs von vornherein aus,
da die in Rede stehende Kirmes nicht nach den §§ 60 b Abs. 2, 69 GewO festgesetzt ist
(vgl. Bl. 22 der Verwaltungsunterlagen des Antragsgegners). Aber auch aus § 19 KSVG
kann sich ein Zulassungsanspruch nicht ergeben, da die Antragstellerin weder Einwohnerin
der Gemeinde ist (§ 19 Abs. 1 KSVG), noch dort ihr Schaustellergewerbe unterhält (§ 19
Abs. 2 KSVG) (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.04.1989 -2 W 12/89-).
Der bei entsprechender Widmung des Volksfestes/der Kirmes bzw. entsprechender
Verwaltungspraxis grundsätzlich auch für ortsfremde Schausteller anzuerkennende
Zulassungsanspruch aus den Grundsätzen des allgemeinen Anstaltsrechts besteht
allerdings nicht unbeschränkt. So kann der Anspruch in tatsächlicher Hinsicht nicht weiter
gehen, als die Kapazität der Einrichtung reicht. Nach ständiger Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (vgl. Beschluss vom 28.04.1987 -2 W 278/87-;
Beschluss vom 29.07.1988 -2 W 379/88-) liegt die Ausgestaltung von Volksfesten sowohl
hinsichtlich ihres räumlichen Umfangs als auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbildes und des
Angebotes an Attraktionen im Ermessen der veranstaltenden Gemeinde. Dem einzelnen
Bewerber steht weder ein Recht auf räumliche Ausdehnung des Festgeländes noch auf
Änderung der Zusammenstellung des Angebotes oder der Platzaufteilung zu. Überschreitet
die Anzahl der Bewerber die Zahl der nach der räumlichen Kapazität des Festgeländes
möglichen oder nach den Vorstellungen über die Ausgestaltung des Festes und die
Zusammenstellung des Angebotes in einer bestimmten Sparte von Volksfestattraktionen
vorgesehenen Standplätze, so obliegt es der veranstaltenden Gemeinde, eine
entsprechende Auswahl zu treffen. Diese Auswahlentscheidung hat sich nach sachlichen
Gesichtspunkten zu richten und den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) zu berücksichtigen (vgl.
OVG des Saarlandes, Beschluss vom 29.07.1988 -2 W 379/88-).
Hiervon ausgehend kann der Antrag keinen Erfolg haben.
Zunächst ist die (ablehnende) Zulassungsentscheidung vorliegend zu Recht durch den
Bürgermeister als zuständiges Organ erfolgt.
Gemäß den §§ 34, 59 Abs. 3 Satz 1 KSVG durfte dieser die Auswahlentscheidung in
originärer Zuständigkeit treffen, da es sich dabei um ein Geschäft der laufenden
Verwaltung handelt. Zu den Geschäften der laufenden Verwaltung gehören
Angelegenheiten, die in mehr oder weniger regelmäßiger Wiederkehr vorkommen und
zugleich nach Größe, Umfang der Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der Gemeinde von
weniger erheblicher Bedeutung sind; wichtig ist außerdem, ob ein größerer
Entscheidungsfreiraum in der Sache besteht und/oder der Angelegenheit grundsätzliche
Bedeutung zukommt (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 31.08.2005 -1 W 10/05-
m.w.N.). Gemessen daran spricht alles dafür, die vorliegende Zulassungsentscheidung als
Geschäft der laufenden Verwaltung anzusehen. Zu sehen ist dabei, dass nach § 35 Nr. 19
KSVG nur die für die Einrichtung wesentlichen Entscheidungen (Errichtung, Übernahme und
Erweiterung, die Änderung der Rechtsform und die vollständige oder teilweise
Veräußerung) der Billigung durch den Gemeinderat bedürfen. Von daher setzt der
Gemeinderat durch die Widmung hinsichtlich der Zweckbestimmung des Volksfestes als
kommunaler Einrichtung den grundlegenden Rahmen. Er fixiert Zeit, Dauer, Ort sowie Typ
des Fests (z.B. Weinfest, Oktoberfest, Maimarkt), und umreißt zumindest grob die
Anbietergruppen (örtliche Vereine, gewerbliche Schausteller, Verkaufseinrichtungen) mit
deren Hilfe die Gemeinde ihre Einrichtung ausgestaltet. Darüber hinaus trifft er hinsichtlich
der Besucher die Entscheidung über die Nutzungsart. Damit werden Charakter, Gestalt und
Prägung der Veranstaltung im Kern durch den Gemeinderat umrissen und damit bei kleinen
Volksfesten im ländlichen Bereich - wie es hier in Rede steht (es sind vier Plätze für
Fahrgeschäfte vorhanden, vgl. Bl. 25 der Verwaltungsunterlagen des Antragsgegners) -
zugleich auch das Konzept der konkret bevorstehenden Veranstaltung. Es ist nichts dafür
ersichtlich, dass die Gemeinde vorliegend hiervon abweichend verfahren wäre, zumal Zeit,
Dauer, Ort und Typ der Kirmes sowie die Anbietergruppen über Jahrzehnte hinweg gleich
geblieben sind, es sich also um eine "traditionelle" Veranstaltung der Gemeinde handelt.
Dies bedenkend sind die wesentlichen Voraussetzungen sowie die abstrakte Auswahl und
Fixierung der heranzuziehenden Auswahlkriterien durch den Gemeinderat erfolgt und es
besteht bei der Auswahl unter den auf der Basis des derartigen "traditionellen" Konzepts
eingegangenen Bewerbungen in der Sache kein nennenswerter Entscheidungsfreiraum.
Das und die geringe Größe des Festes sprechen dann mit Gewicht dafür, die
Zulassungsentscheidung nicht von einem Ratsbeschluss abhängig zu machen, sondern als
Geschäft der laufenden Verwaltung anzusehen (hinsichtlich der Zuständigkeitsabgrenzung
zwischen den gemeindlichen Organen maßgeblich auf die Größe des in Rede stehenden
Volksfestes abstellend auch Bayr. VGH, Urteil vom 31.03.2003 -4 B 00.2823-, zit. nach
juris). Diese dem Resultat der Einzelentscheidung über den Zulassungsantrag vorgehenden
Entscheidungen des "Beschlussorgans", die die wesentlichen Determinanten für die
konkrete Auswahlentscheidung des Bürgermeisters bilden und die auch die
Grundrechtsrelevanz der Zulassungskriterien aus der Sicht der betroffenen Schausteller
berücksichtigen, werden von der Antragstellerin in ihrer Antragsbegründung nicht gesehen.
Die Auswahlentscheidung ist auch ansonsten rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere
frei von Ermessensfehlern.
Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner durch Vorlage der entsprechenden
Verwaltungsunterlagen glaubhaft gemacht, dass die Kapazität des Festplatzes
ausgeschöpft ist. Aus dem vorgelegten Lageplan geht hervor, dass der vorhandene
Festplatz durch die vier Standplätze für die zugelassenen Bewerber in vollem Umfang in
Anspruch genommen wird. Da auch ein Anspruch auf Rückgängigmachung der
vorgenommenen Auswahl nicht besteht (std. Rspr., vgl. nur Beschluss der Kammer vom
23.09.1991 -11 F 98/91-), scheitert das Begehren der Antragstellerin schon an
mangelnder Kapazität.
Zwar hat die Kammer grundsätzliche Bedenken an der rechtlichen Zulässigkeit einer
Standplatzvergabe an einen Bewerber durch einen "5-Jahres-Vertrag", wie sie hier durch die
Standplatzzusage des Antragsgegners vom 27.09.2006 an die Fa. … erfolgt ist (vgl. Bl. 1
der Verwaltungsunterlagen des Antragsgegners). Zu sehen ist jedoch, dass es zum
Zeitpunkt des "Vertragsabschlusses" mit dem Bewerber im Jahre 2006, ebenso wie im
Zeitraum zuvor und bis zur diesjährigen Kirmes, soweit ersichtlich, keine Bewerbung der
Antragstellerin oder anderer Mitbewerber gab, so dass eine Auswahlentscheidung gar nicht
getroffen werden konnte. Zudem gilt diese Standplatzzusage nur noch für dieses und
nächstes Jahr. Darüber hinaus ist Folgendes zu berücksichtigen: Dem Vertragsabschluss
mit dem - jetzigen - Mitbewerber lagen ersichtlich die Erwägungen der "Bewährung" und
"Attraktivität" zugrunde (vgl. Bl. 1 der Verwaltungsunterlagen des Antragsgegners: "Der
Standplatz für Ihr Geschäft ist Ihnen seit Jahren bekannt …"). Der Gesichtspunkt der
"Bewährung" ist bei der Zulassung von Schaustellern aber ein sachgerechtes und daher
zulässiges Auswahlkriterium. Hinsichtlich der Beurteilung, welcher Bewerber das
attraktivere Geschäft besitzt, steht dem Veranstalter auch ein weites Auswahlermessen
zu, in das berechtigterweise auch persönliche Geschmacksempfindungen eingehen dürfen
(vgl. nur VG des Saarlandes, Beschluss vom 14.04.1987 -1 F 55/87).
Zudem muss die Gemeinde die Attraktivität der eigenen Veranstaltung sicherstellen.
Gerade eine "kleine" Kirmes im ländlichen Bereich mit einer überschaubaren Zahl an
Besuchern muss das Risiko minimieren, dass ein Fahrgeschäftbetreiber sich für eine
andere Veranstaltung entscheidet und der Stellplatz mangels eines anderen verfügbaren
Bewerbers nicht vergeben werden kann. Diesem wichtigen Interesse der Gemeinde wird
durch den "Vertragsschluss" mit der Fa. … entsprochen; allein diesem Interesse ist er zu
dienen bestimmt und nicht einer unzulässigen Privilegierung des damit ausgewählten
Schaustellers.
Nach alldem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.