Urteil des VG Neustadt vom 17.04.2008
VG Neustadt: grundstück, stadt, beleuchtung, brandschutz, strasse, belichtung, bad, besonnung, auflage, belüftung
VG
Neustadt/Wstr.
17.04.2008
4 K 25/08.NW
Verwaltungsgericht Neustadt/Ws
Verkündet am: 17. April 2008
gez. …
Justizbeschäftigte als
Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstrasse
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des
Herrn
,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. H………………………..,
gegen
den
Landkreis Bad Dürkhei
, vertreten durch die Landräti
, Philipp-Fauth-Straße 1
,
6709
Bad Dürkhei
,
- Beklagter -
beigeladen:
Herr
,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. A…………………………,
wegen Baunachbarrechts
hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom
17. April 2008
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Butzinger
Richter am Verwaltungsgericht Kintz
Richter am Verwaltungsgericht Bender
ehrenamtlicher Richter Stukkateurmeister Radtke
ehrenamtlicher Richter PR-Berater Schumacher
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger einschließlich der außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber dem Beigeladenen.
Der Kläger ist zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer des Grundstücks FlurNr. ……. in der Gemarkung
A-Stadt, ……….., das mit einer Doppelhaushälfte bebaut ist. Westlich an das Grundstück des Klägers
grenzt das im Eigentum des Beigeladenen stehende Grundstück FlurNr. ……, ………………., das
ebenfalls mit einer Doppelhaushälfte bebaut ist und vom Beigeladenen, seiner Ehefrau und deren 1 bis 5
Jahre alten Kindern bewohnt wird. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans
„………………….“ der Stadt A-Stadt aus dem Jahre 2001 in einem reinen Wohngebiet. Nach dessen Ziffer
4 der textlichen Festsetzungen sind untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des § 14
BauNVO, die größer sind als 4 m², nur innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen zulässig.
Im Frühling 2006 errichtete der Beigeladene auf seinem Grundstück FlurNr. ……. im hinteren
Grundstücksbereich im Garten einen Kinderspielturm bestehend aus einem etwa 1,50 m hohen
Holzgestell sowie einem darauf aufliegenden Holzhäuschen mit Satteldach, einer kindergroßen Öffnung
an der dem eigenen Haus zugewandten Schmalseite und einer weiteren Öffnung zum südlich
angrenzenden Wald. Zum Grundstück des Klägers und dessen Ehefrau hin befindet sich keine Öffnung.
Der Spielturm ist fest im Boden verankert und verfügt über eine Grundfläche von 1,25 m x 2,80 m = 3,50
m². Er weist an der Traufseite eine Höhe von 2,90 m und am First eine Höhe von 3,50 m auf und verfügt
über eine Seilrampe, einen Seilzug, einen Hangelbalken, ein Kletternetz aus Knotentau und eine
Strickleiter. An den Spielturm schließt sich ein knapp 3 m langer Holzbalken an, der auf einem fest im
Boden verankerten Holzgestänge aufliegt. An dem Holzbalken ist eine Schaukel angebracht. Der
Spielturm grenzt mit einem Abstand von 1,50 Meter zum Grundstück des Klägers. Unmittelbar auf der
Grenze zwischen dem Grundstück des Klägers und des Beigeladenen befindet sich in diesem Bereich ein
etwa 2 m hoher vom Kläger errichteter Sichtschutzzaun aus Holz (s. zu den Einzelheiten die
Lichtbildaufnahmen auf Blatt 8 und 18 der Verwaltungsakte sowie Blatt 50 der Gerichtsakte).
Mit Schreiben vom 09. April 2007 wies der Kläger den Beklagten über die Stadt A-Stadt auf die Errichtung
des Spielturms auf dem Grundstück des Beigeladenen hin und bat um bauaufsichtliches Einschreiten. Mit
E-Mail vom 20. April 2007 antwortete der Beklagte dem Kläger daraufhin, das Nebengebäude des
Beigeladenen sei bauordnungsrechtlich nicht zu beanstanden, da es eine mittlere Wandhöhe von 3,20 m
über der Geländeoberfläche und eine Länge von 12 m an einer Grundstücksgrenze nicht überschreite.
Hierauf antwortete der Kläger mit E-Mail vom 24. April 2006, der Spielturm sei seiner Ansicht nach ein
Aufenthaltsraum im Sinne der Landesbauordnung und müsse daher einen Grenzabstand von 3 m
einhalten. Er bitte um einen rechtsmittelfähigen Bescheid.
Mit Schreiben vom 07. Mai 2007, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, teilte der Beklagte
dem Kläger mit, er sehe keine Möglichkeit, gegen die bauliche Anlage auf dem Nachbargrundstück
vorzugehen, denn diese sei kein Aufenthaltsraum im Sinne der Landesbauordnung.
Hiergegen legte der Kläger am 15. Juni 2007 Widerspruch ein, den der Kreisrechtsausschuss des
Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2007 zurückwies. Zur Begründung führte der
Kreisrechtsausschuss aus, ein Verstoß des Vorhabens gegen nachbarschützende Vorschriften sei nicht
ersichtlich. Das ortsfeste und damit als bauliche Anlage i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 LBauO zu qualifizierende
Vorhaben genüge den Erfordernissen des § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO, wonach vor Außenwänden
oberirdischer Gebäude Abstandsflächen freizuhalten seien. Es könne offenbleiben, ob es sich bei einem
Spielhaus um ein „Gebäude“ i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO handele, da jedenfalls der
Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 LBauO eingreife, dessen in lit. a) bis c) aufgeführten
Maße auch eingehalten würden. Das Spielhaus stelle insbesondere keinen Aufenthaltsraum im Sinne des
§ 2 Abs. 5 LBauO dar.
Hiergegen hat der Kläger am 10. Januar 2008 Klage erhoben. Er führt aus, der Spielturm sei unter Verstoß
gegen die Abstandflächenvorschrift des § 8 Abs. 6 LBauO errichtet worden, da der nur einen
Grenzabstand von 1,50 m einhalte. Das Spielhaus sei ein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 LBauO, da es
selbstständig nutzbar sei. Ungeachtet dessen gingen von dem Spielhaus Wirkungen wie von
oberirdischen Gebäuden aus, so dass auch insoweit gemäß § 8 Abs. 8 LBauO Abstandsflächen
einzuhalten seien. Im Übrigen ließen die Festsetzungen des Bebauungsplans das Spielhaus innerhalb
der Abstandsflächen nicht zu. Denn die Grundfläche von 4 m² werde hier deutlich überschritten. Der
Beklagte sei daher zum Einschreiten verpflichtet.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger noch ergänzend vorgetragen, von dem Spielturm werde
auch Einblick in ihr Grundstück genommen, was ebenso unzumutbar sei wie der von den spielenden
Kindern ausgehende Lärm. Der Turm sei ein Aufenthaltsraum im Sinne der Landesbauordnung.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 07. Mai 2007 und des Widerspruchsbescheids des
Kreisrechtsausschusses des Landkreises Bad Dürkheim vom 10. Dezember 2007 zu verpflichten,
gegenüber dem Beigeladenen die Beseitigung des auf dem Grundstück FlurNr. ……. in A-Stadt
errichteten Spielturms anzuordnen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf die Gründe des Ausgangs- und des
Widerspruchsbescheids.
Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze und auf die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Deren Inhalt war Gegenstand der
mündlichen Verhandlung vom 17. April 2008.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 42 Abs.1 VwGO statthafte Verpflichtungsklage ist auch ansonsten zulässig. Insbesondere ist
der Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, denn es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass
er gegen den Beklagten einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber dem
Beigeladenen hat, weil die Errichtung des Kinderspielturms auf dem Grundstück des Beigeladenen
möglicherweise gegen die nachbarschützenden Bestimmungen der §§ 15 Abs. 1 BauNVO und 8 LBauO
verstößt. Es ist auch unerheblich, dass der Kläger als bloßer Miteigentümer des Grundstücks FlurNr. ……..
alleine Klage erhoben hat. Denn als Miteigentümer am Gemeinschaftseigentum ist der Kläger gemäß §
1011 BGB berechtigt, die Ansprüche aus dem Eigentum Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen
Sache geltend zu machen (OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ-RR 2005, 525 m.w.N.).
Die Klage ist in der Sache aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten
darauf, dass dieser gegenüber dem Beigeladenen die Beseitigung des auf dem Grundstück FlurNr. ……..
in A-Stadt errichteten Spielturms anordnet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Als Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung des Beklagten, die begehrte Maßnahme gegenüber dem
Beigeladenen zu erlassen, kommt § 81 Satz 1 der Landesbauordnung – LBauO – hier nicht in Betracht.
Diese Vorschrift regelt nicht ausdrücklich eine Verpflichtung, sondern die Befugnis der
Bauaufsichtsbehörde unter anderem die Beseitigung anzuordnen, wenn bauliche Anlagen gegen
baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, Änderung,
Instandhaltung oder Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen, wenn nicht auf andere Weise
rechtmäßige Zustände wieder hergestellt werden können. Die Bauaufsichtsbehörde hat hierüber nach
pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Bei Nachbarrechte beeinträchtigenden Baulichkeiten ist das
Ermessen der Bauaufsichtsbehörde nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (s. z.
B. Beschluss vom 1. September 2003 - 8 A 11373/03.OVG -), der die Kammer folgt, regelmäßig dahin
reduziert, dass nur noch die Pflicht zur Beseitigung des nachbarrechtswidrigen Zustandes verbleibt.
Danach hat der Kläger vorliegend keinen Anspruch gegen den Beklagten auf bauaufsichtliches
Einschreiten.
Zwar handelt es sich bei dem Spielturm des Beigeladenen um eine bauliche Anlage im Sinne des § 1
Abs. 1 Satz 1 LBauO. Nach § 2 Abs.1 Satz 1 LBauO sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden
verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Dies ist hier, ohne dass dies einer besondern
Begründung bedürfte, der Fall.
Jedoch verstößt der Spielturm nicht gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften.
In bauplanungsrechtlicher Hinsicht kann zunächst offen bleiben, ob der Spielturm im Einklang steht mit
der Ziffer 4 der textlichen Festsetzungen des hier maßgeblichen Bebauungsplans, wonach
untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des § 14 BauNVO, die größer sind als 4 m²,
nur innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen zulässig sind. Der Spielturm stellt zwar eine solche
untergeordnete Nebenanlage dar, denn zum Wohnen im Sinne des § 3 Abs. 1 BauNVO gehören auch die
zum Spielen der Kinder erforderlichen Nebenanlagen, wie z.B. Spielgeräte. Festsetzungen über die
überbaubaren Grundstücksflächen wie Baugrenzen (s. § 23 BauNVO) oder Baulinien sind allerdings nur
dann nachbarschützend, wenn ein entsprechender Planungswille der Gemeinde gegeben ist (vgl.
BVerwG, NJW 1986, 1703 und NVwZ 1996, 888; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 06. Dezember
2006 - 1 B 11469/06.OVG -). Ein solcher ergibt sich hier aber nicht aus der Begründung des
Bebauungsplans; vielmehr ist diese Festsetzung ausschließlich aus städtebaulichen Gründen erfolgt.
Ferner liegt kein Verstoß gegen das in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme vor.
Nach seinem objektivrechtlichen Gehalt schützt das Gebot der Rücksichtnahme die Nachbarschaft vor
unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember
2006 - 4 B 72.06 ). Drittschützende Wirkung kommt dem Rücksichtnahmegebot zu, soweit in qualifizierter
und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines Personenkreises Rücksicht zu nehmen
ist, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (BVerwGE 52, 122, 126). Eine Verletzung des Gebotes
der Rücksichtnahme ist dann anzunehmen, wenn sich unter Abwägung der widerstreitenden Interessen
im konkreten Einzelfall ergibt, dass die Verwirklichung des jeweiligen Bauvorhabens dem Nachbarn nicht
mehr zugemutet werden kann.
Hiervon ausgehend kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, sein Interesse an der Verhinderung
der - infolge der Höhe des Spielturms des Beigeladenen unvermeidbaren - Einsehbarkeit ihres
Außenwohnbereichs, der der Ruhe, Erholung und Entspannung diene, werde nicht hinreichend
gewürdigt. Nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte gibt es in der Regel weder einen
Schutz vor Verschlechterung der Aussicht noch vor Einsichtsmöglichkeiten in bestehende Wohn- oder
Ruhebereiche (s. z.B. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. März 2008 - 8 S 2165/07 -, juris; OVG
Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. September 2006 – 10 A 2980/05 –). Insbesondere in bebauten
Bereichen wie hier müssen im Allgemeinen Einsichtsmöglichkeiten hingenommen werden. Gründe, die
vorliegend eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Die Nutzung des Kinderspielturms durch die Kinder des Beigeladenen und deren Spielkameraden
verstößt auch nicht deshalb gegen das Gebot der Rücksichtnahme, weil diese während des Spielens
„Lärm“ verursachen. Der Spielturm weist eine übliche Ausstattung auf. Nach der ständigen
verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sind die mit der bestimmungsgemäßen Nutzung eines
öffentlichen Kinderspielplatzes typischerweise verbundenen Geräusche, soweit sie Folge der natürlichen
Lebensäußerung von Kindern sind, ortsüblich, sozial adäquat und daher auch in einem reinen
Wohngebiet hinzunehmen (st. Rspr., s. zuletzt etwa VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. März
2008 - 8 S 2165/07 -, juris). In einem Wohngebiet jeder Art sind aber erst recht private Kinderspielplätze,
die - wie hier - lediglich zur Benutzung durch die Kinder des jeweiligen Baukomplexes vorgesehen und
nach § 11 Abs. 1 LBauO bei Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen sogar vorgeschrieben sind,
grundsätzlich zulässig. Anhaltspunkte für eine störungsintensivere Nutzung des Spielturms sind hier von
vornherein nicht erkennbar.
Auch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf eine Verletzung einer
nachbarschützenden Bestimmung berufen. Zunächst bedarf es keiner Entscheidung, ob die Errichtung
des Kinderspielturms des Beigeladenen einer Baugenehmigung bedurft hätte oder dieser - wovon
allerdings auszugehen sein dürfte - als bauliche Anlage, die der zweckentsprechenden Einrichtung von
Spielplätzen dient, gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 7 c LBauO genehmigungsfrei war. Aus einer möglichen
formellen Illegalität allein kann der Kläger keine nachbarrechtlichen Abwehrrechte herleiten.
Der Kinderspielturm des Beigeladenen verstößt nicht gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 8
LBauO. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 sind vor Außenwänden oberirdischer Gebäude grundsätzlich Flächen
von Gebäuden freizuhalten (Abstandsflächen). Abs. 6 Satz 2 der genannten Norm bestimmt, dass die
Tiefe der Abstandsfläche mindestens 3 m betragen muss. Privilegiert in den Abstandsflächen zulässig
sind unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 LBauO sonstige Gebäude ohne
Aufenthaltsräume und Feuerstätten. Für bauliche Anlagen, andere Anlagen und Einrichtungen, von denen
Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden ausgehen, gelten die Absätze 1 bis 7 gegenüber Gebäuden
und Grundstücksgrenzen gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO entsprechend. Sie sind nach § 8 Abs. 8 Satz 2
LBauO ohne eigene Abstandsflächen oder mit einer geringeren Tiefe der Abstandsflächen und in den
Abstandsflächen von Gebäuden zulässig, wenn die Beleuchtung mit Tageslicht nicht erheblich
beeinträchtigt wird und der Brandschutz gewährleistet ist.
Danach muss der hier 1,50 m von der Grenze zum Grundstück des Klägers und seiner Ehefrau errichtete
Kinderspielturm keine Abstandsflächen einhalten.
Dieser ist bereits kein „Gebäude“ im Sinne der LBauO, so dass die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1
LBauO hier keine Anwendung findet. „Gebäude“ sind nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1
LBauO selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden
können und geeignet oder bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Die
vier Begriffsmerkmale eines Gebäudes müssen kumulativ erfüllt sein. Ohne auf diese vier Merkmale im
Einzelnen einzugehen, fehlt es hier jedenfalls an dem Merkmal der Betretbarkeit. Vom Menschen betreten
werden können bauliche Anlagen nur dann, wenn ein erwachsener Mensch normaler Größe in
natürlicher, aufrechter Haltung hineingehen kann (vgl. Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, Kommentar zur
LBauO Rh-Pf, 2. Auflage 2005, § 2 Rdnr. 36; Heintz in: Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck, Kommentar zur
LBauO Nordrhein-Westfalen, 11. Auflage 2008, § 2 Rdnr. 116). Keine Gebäude sind danach bauliche
Anlagen, die für erwachsene Menschen keine normalen Eintritts- oder Aufenthaltsmöglichkeiten bieten,
wie Silos, ein Kleinzelt, eine Hundehütte oder ein Spielhaus für Kinder (s. Heintz in:
Gädtke/Temme/Heintz, a.a.O., § 2 Rdnr. 106).
Zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung kommt die Kammer übrigens dann, wenn man mit dem Kläger
den Spielturm als „Gebäude“ qualifizieren würde. Denn auch dann wäre der Turm gemäß § 8 Abs. 9 Satz
1 Nr. 3 LBauO in den Abstandsflächen als „sonstiges Gebäude ohne Aufenthaltsräume“ zulässig.
Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei dem Kinderspielturm nicht um einen
Aufenthaltsraum im Sinne der LBauO. Aufenthaltsräume sind nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 5
LBauO Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet
sind. Dabei ist weder ein täglicher noch ein mehrstündiger Aufenthalt notwendig, um dieses
Begriffsmerkmal zu erfüllen (Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, a.a.O. § 2 Rdnr. 76). Zwar kann zugunsten
des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Kinder im Garten des Beigeladenen in einem Maße
dort spielen, das dem deutlich abgesenkten zeitlichen Moment des Aufenthaltsbegriffes genügen dürfte.
Jedoch folgt aus dem Wortsinn des Aufenthaltsbegriffes, dem Zweck der an die Eigenschaft als
„Aufenthaltsraum“ anknüpfenden bauordnungsrechtlichen Rechtsfolgen sowie der Systematik der
Landesbauordnung, dass sich der Begriff des „Aufenthalts“ im Sinne des Gesetzes qualitativ vom
„Kinderspiel“ unterscheidet: Schon der erkennbaren Intention des Bauherren nach geht es bei der
Einrichtung von Spielgeräten nicht um die Schaffung einer dem Schutz der spielenden Kinder dienenden
Räumlichkeit, mag die Spielanlage im Einzelfall auch menschlichen Behausungen – stilisierend –
nachempfunden sein. Die Gestaltung eines Spielturms mit einem Dach, einer Seilrampe, einem Seilzug,
einem Hangelbalken, einem Kletternetz aus Knotentau und einer Strickleiter orientiert sich vielmehr
vornehmlich an der Setzung Fantasie anregender Spielanreize, sodass das statische Moment des
Aufenthaltes schon begriffsmäßig in den Hintergrund tritt. Die Erreichbarkeit des von dem Beigeladenen
errichteten Turms über die Seilrampe, den Seilzug oder das Kletternetz lässt allein den Schluss zu, dass
dieser ein bewusst durchlässig gestaltetes Sport- und Spielgerät und nicht ein von der Umgebung
abgeschiedener Raum zum Verweilen ist.
Der Spielturm ist schließlich auch nicht unter Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschrift des § 8 Abs. 8
Satz 1 und 2 LBauO errichtet worden. Danach gelten, wie ausgeführt, für bauliche Anlagen, von denen
Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden ausgehen, die Absätze 1 bis 7 gegenüber Gebäuden und
Grundstücksgrenzen entsprechend. Sie sind ohne eigene Abstandsflächen oder mit einer geringeren
Tiefe der Abstandsflächen und in den Abstandsflächen von Gebäuden zulässig, wenn die Beleuchtung mit
Tageslicht nicht erheblich beeinträchtigt wird und der Brandschutz gewährleistet ist.
Wann von einer baulichen Anlage eine gebäudegleiche Wirkung ausgeht, ist, da § 8 Abs. 8 LBauO dies
nicht näher regelt, mit Blick auf die Schutzzwecke des Abstandsflächengebots zu ermitteln. Die
Abstandsflächen sollen eine Brandübertragung verhindern, eine ausreichende Belichtung, Besonnung
und Belüftung in den Räumen der Gebäude und der Gebäude zueinander gewährleisten und nach dem
überkommenen Verständnis der Abstandsvorschriften auch sozialen Zwecken, nämlich der Sicherung der
„Privatheit“ und der Wahrung des Wohnfriedens dienen. Zentraler Zweck ist es auch, unzumutbare
Belästigungen zu verhüten und die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und
Arbeitsverhältnisse zu verwirklichen (OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ-RR 2006, 768; Jeromin in:
Jeromin/Schmidt/Lang, a.a.O., § 8 Rdnr. 2). Eine Einschränkung erfährt der Schutzzweck der
Abstandsflächen aber im Falle von Anlagen, von denen Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden
ausgehen. Denn diesbezüglich regelt § 8 Abs. 8 Satz 2 LBauO eindeutig, dass bei solchen Anlagen nur
die Belichtung und Besonnung sowie der Brandschutz insoweit abstandsrechtlich eine Rolle spielen soll,
nicht aber die Wahrung des Wohnfriedens (s. OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ-RR 2001, 290 und Beschluss
vom 3. Januar 2007 - 8 A 11422/06.OVG -). Insofern unterscheidet sich die Rechtslage in Rheinland-Pfalz
etwa von derjenigen in Nordrhein-Westfalen und Bayern, wo auch bei baulichen Anlagen mit
gebäudegleichen Wirkungen die Vorbeugung der Störung des Wohnfriedens Schutzgut ist (OVG
Nordrhein-Westfalen, NVwZ-RR 2006, 774; Bay. VGH, Urteil vom 9. August 2007 - 25 B 05.1341 -, juris).
Der Umstand, dass die Kinder des Beigeladenen beim Spielen auf dem Turm Einsicht in das Grundstück
des Klägers und seiner Ehefrau nehmen können, ist daher abstandsflächenrechtlich irrelevant.
Aber auch wegen der Höhe und Länge des Spielturms kann der Kläger in Bezug auf die Schutzgüter
Belichtung, Besonnung und Belüftung nicht die Einhaltung der Abstandsflächen verlangen. Bestimmte
Mindestmaße in Höhe und Länge für die Nichtgebäude legt § 8 Abs. 8 LBauO - anders als etwa § 5 Abs. 9
der baden-württembergischen Landesbauordnung, wonach die bauliche Anlage höher als 2,5 m sein und
ihre Wandfläche mehr als 25 m² betragen muss - nicht fest. Es kommt somit auf die konkreten Umstände
des Einzelfalles an. Nach Auffassung der Kammer kommt gebäudegleiche Wirkung solchen oberirdischen
Anlagen zu, die Gebäuden vergleichbare Abmessungen haben und aus diesem Grunde die mit den
Abstandsflächen verfolgten Zwecke beeinträchtigen (vgl. auch Bay. VGH, Urteil vom 9. August 2007 - 25 B
05.1341 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, BRS 55 Nr. 115). Demzufolge kann grundsätzlich erst bei Höhen
von über 2,00 m und Längen ab 3,00 bis 5,00 m davon gesprochen werden, dass eine bauliche Anlage
eine gebäudegleiche Wirkung hat und deshalb ein Bedürfnis nach Einhaltung von Abstandsflächen
auslöst (vgl. auch VG Saarlouis, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 5 L 62/08 -, juris m.w.N.; OVG Saarland,
BRS 58 Nr. 175). Erst dann sind sie nämlich von der Länge oder Breite sowie Höhe der Ausdehnung von
Gerätehütten oder Schuppen vergleichbar. Diese Ausmaße erreicht der zwar über 2 m hohe, aber nur
2,80 m lange Spielturm des Beigeladenen nicht.
Aber auch wenn man hiervon abweichend zugunsten des Klägers von einer gebäudegleichen Wirkung
des 3,50 m hohen und 2,80 m langen Spielturms ausgehen würde, so ergibt sich hieraus noch kein
Anspruch des Klägers auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten. Denn weder wird durch den Turm die
Beleuchtung mit Tageslicht erheblich beeinträchtigt noch geht von ihm eine Brandübertragungsgefahr auf
das sich im vorderen Grundstücksbereich befindliche Wohngebäude des Klägers und seiner Ehefrau aus.
Bei einem Abstand von rund 8 m ist die Gefahr des Übergreifens eines Brandes des Spielturms auf das
Wohnhaus – auch unter Berücksichtigung der Gefährdung durch Funkenflug – ernsthaft nicht zu
befürchten.
Sonstige Gesichtspunkte, die ein bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegenüber dem
Beigeladenen rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene einen Antrag
gestellt und somit ein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, seine außergerichtliche
Kosten als erstattungsfähig anzusehen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167
VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung …
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.000 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 9.5. des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.
gez. Butzinger gez. Kintz gez. Bender
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