Urteil des VG Münster vom 21.01.2004
VG Münster: sierra leone, guinea, anerkennung, bundesamt, gefahr, hiv, anhörung, abschiebung, leib, hafen
Verwaltungsgericht Münster, 9 K 1357/01.A
Datum:
21.01.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 1357/01.A
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage
zurückgenommen hat.
Im übrigen wird die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides
des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom
30.05.2001 verpflichtet, festzustellen, dass in der Person des Klägers
das Abschiebungshindernis des § 53 AuslG bezüglich Guinea vorliegt.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu
1/3. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger hat angegeben, am 00.00.0000 geboren und sierra-leonischer
Staatsangehöriger mit der Volkszugehörigkeit Sousou zu sein, seine Heimat Sierra-
Leone verlassen zu haben, nach Guinea gegangen zu sein, sich im Flüchtlingslager
Forecariah aufgehalten zu haben und in Conakri ein Schiff bestiegen zu haben, mit dem
er am 13.5.2001 über den Hafen Bremen in die Bundesrepublik Deutschland eingereist
sei.
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Am 14.5.2001 stellte er bei dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge - Außenstelle Düsseldorf - einen Asylantrag und erklärte bei seiner
Anhörung: Im Jahr 1999 sei sein Wohnort Pamelap an der Grenze zu Guinea von den
Rebellen niedergebrannt worden. Auch sein Haus sei zerstört worden, er habe keine
Familie mehr, sein Taxi sei angezündet worden. Er sei angeschossen worden und
deshalb in Forecariah operiert worden.
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Mit Bescheid vom 30.05.2001 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als
offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs.
1 AuslG offensichtlich nicht und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht
vorliegen. Zugleich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise
aus der Bundesrepublik Deutschland aufgefordert. Der Bescheid wurde dem Kläger laut
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Empfangsbekenntnis am 12.6.2001 zugestellt.
Mit der am 18.6.2001 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein
Asylbegehren weiter und hat begehrt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 30.05.2001 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigte
anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
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Mit Schreiben vom 14.1.2004 teilte der Kläger mit, dass er bei dem Bundesamt über
seine persönlichen Verhältnisse unrichtige Angaben gemacht hat. Sein Name laute
richtigerweise U. B. C. . Er sei am 00.00.0000 geboren und guineischer
Staatsangehöriger.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit er
die Anerkennung als Asylberechtigter und Feststellung des Vorliegens der
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG beantragt hat.
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Im übrigen beantragt der Kläger,
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unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 30. Mai 2001 festzustellen, dass
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bezüglich Guinea vorligen, hilfsweise zum
Beweis der Tatsache, dass der Kläger guineischer Staatsangehöriger ist, ein
Sprachgutachten eines anerkannten Sprachsachverständigen einzuholen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes, insbesondere des Vorbringens
des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wird auf die Gerichtsakte und die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen. Die zu den
Gerichtsakten genommene Liste von Erkenntnissen war Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Soweit der Kläger die Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung
des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 AuslG in der mündlichen Verhandlung
vom 21. Januar 2004 zurückgenommen hat, wird das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3
VwGO eingesellt.
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Im übrigen ist die Klage begründet. Dabei legt die Kammer den in der mündlichen
Verhandlung gestellten Klageantrag unter Berücksichtigung des Vorbringens des
Klägers zu seiner Erkrankung dahin aus, dass er die Feststellung des
Abschiebungshindernisses des § 53 Abs. 6 AuslG bezüglich des Staates Guinea
begehrt. Die Kammer glaubt dem Kläger, dass er guineischer Staatsangehöriger ist.
Zwar hat er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt dargelegt, dass er aus Sierra
Leone stamme. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger aber nachvollziehbar den
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Grund für seine damalige Falschaussage genannt und betont, dass er nunmehr
diesbezüglich seiner Staatsangehörigkeit die Wahrheit sage, wozu er insbesondere von
seinem Prozessbevollmächtigten gedrängt worden sei. Hinzu kommt, dass sich bereits
dem Einzelentscheider vor dem Bundesamt wegen der Französischkenntnisse des
Klägers der Eindruck aufdrängte, dass der Kläger aus Guinea stammt. Insoweit bedarf
es der Beweiserhebung durch die Einholung eines Sprachgutachtens nicht.
Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG liegen bei dem Kläger vor. Danach kann
von der Abschiebung eines Ausländers in einem anderen Staat abgesehen werden,
wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leben, Leib oder
Freiheit besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch
eine lebensbedrohende Krankheit eine konkrete Gefahr darstellen, wenn zu befürchten
ist, dass sich diese in dem Heimatland verschlimmert, weil die
Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind.
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Vgl. Urteil vom 9.9.1997, AuslR 1998, 125, Urteil vom 25.11.1997 BVerwGE 105, 187
und Urteil vom 217.4.1998, NVwZ 1998, 973
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Der Kläger hat ausgeführt, dass er an einer HIV Infektion im Stadium CDC A 3 leidet
und er antiretroviral behandelt werden muss. Zum Nachweis dieser Erkrankung hat der
Kläger ärztliche Bescheinigungen der Universitätskliniken Düsseldorf vom 4. und
10.3.2003, vom 27.6.2003 und vom 22.8.2003 vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass eine
antiretrovirale Therapie lebensnotwendig ist. Eine entsprechende
Behandlungsmöglichkeit ist indessen bei einer Rückkehr des Klägers nach Guinea
nicht gesichert. Nach der Erkenntnislage kann eine HIV-Erkrankung in Guinea nicht
wirksam behandelt werden. Zwar können antiretrovirale Substanzen über
Privatapotheken beschafft werden (was mit einem erheblichen Kostenaufwand
verbunden ist), der Einsatz scheitert aber daran, dass es keine Gelegenheit gibt, den
Verlauf der Behandlung mit Laboruntersuchungen zu verfolgen. So gibt es keine
Möglichkeit regelmäßige Viruslastbestimmungen durchzuführen, die gerade für die
Indikationsstellung des Einsatzes von antiretroviralen Substanzen absolut notwendig
sind (vgl. Missionsärtztliches Institut Würzburg an VG Wiesbaden vom 2.5.2000). Dafür,
dass sich der medizinische Standard in Guinea seitdem wesentlich verändert hat, ergibt
die Erkenntnislage keine Anhaltspunkte. Dem gemäß ist dem Kläger das Vorliegen des
Abschiebungshindernisses des § 53 Abs. 6 AuslG zuzuerkennen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 2 und 154 Abs. 1 VwGO.
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