Urteil des VG Minden vom 30.01.2006
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Verwaltungsgericht Minden, 8 K 1956/05
Datum:
30.01.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 1956/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der Kläger, seine Ehefrau und seine fünf minderjährigen Kinder sind Asylbewerber aus
Serbien-Montenegro. Sie erhalten vom Beklagten - mit einer Unterbrechung in der Zeit
vom 21.09. bis zum 04.11.2005 - Grundleistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz ohne Berücksichtigung von Unterkunftskosten.
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Der Kläger mietete ab dem 01.11.2004 eine 110 qm große Vier-Zimmer- Wohnung an.
Die Gesamtmiete (ohne Heizkosten) beträgt 650,00 EUR.
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Auf den Antrag des Klägers vom 25.11.2004 gewährte der Beklagte dem Kläger für die
Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.04.2005 Wohngeld in Höhe von monatlich 363,00 EUR.
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Am 24.05.2005 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Wohngeld. Er gab u.a.
an, dass er Asylbewerberleistungen ohne Berücksichtigung von Unterkunftskosten
erhalte. Dem Antrag war eine (undatierte) schriftliche Erklärung der Schwägerin des
Klägers, Frau T. T1. , beigefügt, in welcher diese "bestätigte", dem Kläger monatlich
200,00 EUR darlehensweise zu gewähren.
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Durch Bescheid vom 30.06.2005 lehnte der Beklagte die Weiterbewilligung von
Wohngeld für den Monat Mai 2005 ab. Durch weitere Bescheide vom 30.06.2005 wurde
dem Kläger für den Monat Juni 2005 Wohngeld in Höhe von 12,00 EUR und für die Zeit
vom 01.07.2005 bis zum 30.04.2006 Wohngeld in Höhe von monatlich 25,00 EUR
bewilligt. Der Wohngeldberechnung hatte der Beklagte ein geschätztes
Familieneinkommen des Klägers in Höhe der Regelsätze nach dem SGB XII zuzüglich
Miete (650,00 EUR) und Heizkosten (80,00 EUR), insgesamt monatlich 2.567,00 EUR,
zu Grunde gelegt, weil eine Plausibilitätsberechnung ergeben hatte, dass dem Kläger
zur Deckung des Lebensunterhalts seiner Familie 80% der Regelsätze und der
Unterkunftskosten nicht zur Verfügung standen.
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Gegen die Bescheide des Beklagten vom 30.06.2005 legte der Kläger am 15.07.2005
Widerspruch ein, mit dem er sich dagegen wandte, dass der Beklagte das
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Familieneinkommen auf der Basis der Regelsätze der Sozialhilfe geschätzt hatte. Zur
Begründung gab er an, dass seine Familie außer den Asylbewerberleistungen von
seiner Schwägerin noch regelmäßig einen Betrag erhalte, den sie aber später
zurückzahlen müssten. Seine Schwägerin werde ihm monatlich noch einen weiteren
Betrag zukommen lassen, sodass sich das Einkommen seiner Familie erhöhen werde
und eine Einkommenschätzung nicht mehr notwendig sei.
Bereits am 14.07.2005 hatte der Kläger dem Beklagten eine angeblich von Herrn O. T1.
unterschriebene Erklärung (ohne Datum) vorgelegt, in der dieser "bestätigte", der
Familie S. monatlich 200,00 EUR zu geben. Das Geld müsse aber zurückgezahlt
werden, sobald die Familie S. wieder Arbeit habe.
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Ferner reichte der Kläger eine angeblich von Frau S. T1. unterschriebene Erklärung der
Eheleute O. und T. T1. vom 08.08.2005 nach, in der diese "bestätigten", der Familie S.
ab Januar 2005 monatlich 200,00 EUR und ab Mai 2005 monatlich 500,00 EUR
gegeben zu haben. Das Geld müsse zurückgezahlt werden, sobald die Familie S.
wieder Arbeit gefunden habe.
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Der Landrat des Kreises N. -M. wies den Widerspruch des Klägers durch
Widerspruchsbescheid vom 23.09.2005 im Wesentlichen mit folgender Begründung
zurück: Gemäß § 9 Abs. 1 WoGG sei das Gesamteinkommen im Sinne dieses Gesetzes
die Summe der Jahreseinkommen der zum Haushalt rechnenden Pesonenmitglieder
abzüglich der Frei- und Abzugsbeträge nach § 13 WoGG. Wenn sich bei der Ermittlung
des Jahreseinkommens unter dem sozialhilferechtlichen Bedarf liegende Einnahmen
ergäben, seien nach den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des
Wohngeldgesetzes die Angaben des Antragstellers besonders sogfältig auf
Glaubhaftigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Die Angaben könnten glaubhaft sein,
wenn die hiernach zur Verfügung stehenden Einnahmen zuzüglich eines zu leistenden
Wohngeldes 80% des sozialhilferechtlichen Bedarfs erreichten. Seien trotz Mitwirkung
des Antragstellers sichere Anhaltspunkte für eine bestimmte Einkommenshöhe nicht zu
gewinnen, so könne im Allgemeinen ein Einkommen in Höhe der Regelsätze der
Sozialhilfe zuzüglich eines eventuellen Mehrbedarfs sowie der Aufwendungen für
Wohnraum einschließlich Heizkosten und weitere vorliegende besondere
Aufwendungen angesetzt werden, wenn den Umständen nach anzunehmen sei, dass
die zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder Einkommen in dieser Höhe hätten. Im
vorliegenden Falle habe der Beklagte eine entsprechende Prüfung durchgeführt. Diese
Prüfung habe ergeben, dass 80% des sozialhilferechtlichen Bedarfs dem Kläger und
seiner Familie nicht zur Verfügung stehe. Ihr Familieneinkommen sei daher nach den
oben angegebenen Grundsätzen geschätzt worden, da anzunehmen sei, dass die zum
Haushalt rechnenden Familienmitglieder Einnahmen in dieser Höhe hätten.
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Hiergegen hat der Kläger am 08.09.2005 die vorliegende Klage erhoben. Zur
Begründung hat er lediglich darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht
Braunschweig durch Urteil vom 20.09.2005 entschieden habe, dass die zwangsweise
Rückführung von Roma aus dem Kosovo rechtlich unmöglich und deren freiwillige
Rückkehr subjektiv unzumutbar sei und folglich die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5
AufenthG vorlägen.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
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den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 30.06.2005 in der Fassung des
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Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises N. -M. vom 23.09.2005 zu
verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 01.05.2005 bis zum 30.04.2006 Wohngeld in
Höhe von 363,00 EUR für den Monat Mai 2005, in Höhe von 351,00 EUR für den Monat
Juni 2005 und in Höhe von jeweils 338,00 EUR für die Folgemonate bis einschließlich
April 2006 zu gewähren. Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des
angefochtenen Widerspruchsbescheides,
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat die Stadt H. im Wege der Amtshilfe ersucht, die Eheleute T1. zu den in
den vom Kläger vorgelegten schriftlichen Erklärungen vom 14.07./08.08.2005
genannten Zahlungen als Zeugen zu vernehmen. Wegen des Ergebnisses dieser
Zeugenvernehmung wird auf das Schreiben der Stadt H. vom 19.01.2006 verwiesen.
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Ferner hat der Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger von Herrn P. B. in I. am 07.01.2006
einen Pkw der Marke BMW 325 zum Preis von 2.520,00 EUR erworben habe. Dazu hat
der Beklagte eine Kopie des ihm vom Verkäufer übersandten, vom Kläger
unterschriebenen Kaufvertrages vorgelegt. Ferner hat der Beklagte mitgeteilt, dass laut
telefonischer Auskunft der Ehefrau des Verkäufers der Kläger den Pkw am 07.01.2006
abgeholt und in bar bezahlt habe. Dem Kläger sei bei der Fahrzeugübergabe auch der
Fahrzeugbrief ausgehändigt worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zwar als Verpflichtungsklage i.S.v. § 42 Abs. 1 der
Verwaltungsgerrichtsordnung (VwGO) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Dem
Kläger steht der mit der Klage geltend gemachte Wohngeldanspruch für die Zeit vom
01.05.2005 bis zum 30.04.2006 nicht zu. Das ist im angefochtenen
Widerspruchsbescheid des Landrates des Kreises N. -M. vom 23.09.2005 mit
zutreffender Begründung, welcher das erkennende Gericht folgt und auf die gemäß §
117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen wird, festgestellt worden. Diesen Feststellungen ist
der Kläger mit der vorliegenden Klage überhaupt nicht, geschweige denn substantiiert,
entgegenge-treten.
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Das Gericht weist deshalb nur noch ergänzend auf Folgendes hin:
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Die Höhe des wohngeldrechtlich anzusetzenden Einkommens gehört zu den - vom
Antragsteller im Einzelnen darzulegenden und nachzuweisenden -
Anspruchsvoraussetzungen für den Wohngeldanspruch. Lässt sich das
Jahreseinkommen wegen unzureichender Angaben des Antragstellers nicht nach § 11
Abs. 1 WoGG verlässlich ermitteln, dann kann nach den allgemeinen Regeln des
materiellen Beweisrechts dem Wohngeldantrag grundsätzlich nicht entsprochen
werden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.01.1974, BVerwGE 44,265; BVerwG, Beschluss vom
13.04.2000 - 5 B 14/00 -, Juris.
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Von daher begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Wohngeldstellen in
diesen Fällen von einem wohngeldrechtlichen zu berücksichtigenden Einkommen in der
Höhe ausgehen, die dem finanziellen Aufwand für den Lebensunterhalb des
Antragstellers und seiner Familie entspricht.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.11.1972 - VIII C 81.71 -, BVerwGE 41, 220.
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Liegen keine anderweitigen konkreten Anhaltspunkte vor, wird die Wohngeldstelle eine
Einkommensschätzung nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen vornehmen dürfen.
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Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.06.2004 - 3 K 147/03 -, ZfSH/SGB
2004, 564 (565); OVG Saarland, Urteil vom 19.01.2000 - 3 R 4/99 -, Juris; VG N. , Urteil
vom 29.04.2004 - 8 K 3591/02 -.
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Nach diesen Grundsätzen ist der Beklagte im vorliegenden Falle vorgegangen. Das ist
rechtlich nicht zu beanstanden, da die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers - nach
wie vor - völlig unklar sind. Der Zeuge O. T1. hat bei seiner im Wege der Amtshilfe
durchgeführten Zeugenvernehmung gegenüber der Stadt H. nicht bestätigt, dem Kläger
im Jahre 2005 Geld geliehen zu haben. Zu dieser Aussage des Zeugen T1. hat der
Kläger in diesem Verfahren nicht Stellung genommen. Der Kläger hat auch im Übrigen
im vorliegenden Klageverfahren die ihm eingeräumte Möglichkeit, zur Klärung seiner
finanziellen Verhältnisse beizutragen, nicht genutzt. Insbesondere ist er ohne Angabe
von Gründen zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen, obwohl sein persönliches
Erscheinen angeordnet worden war. So konnte nicht geklärt werden, aus welchen
Mitteln der Kläger die Mieten für seine Wohnung im Jahre 2005, insbesondere die
Mieten in der Zeit vom 01.05. bis Mitte September 2005 in Höhe von ca. 2.900,00 EUR
(4 ½ Monate x 650,00 EUR), hat aufbringen können. Ferner ist ungeklärt (geblieben),
wie der Kläger den Lebensunterhalt seiner Familie während der Einstellung der
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in der Zeit vom 21.09. bis zum
04.11.2005 (monatlicher Bedarf 1.380,00 EUR x 1,5 Monate = Gesamtbedarf [ohne
Unterkunfts- und Heizkosten] in Höhe von ca. 2.000,00 EUR) hat sicherstellen können;
mit seiner Behauptung gegenüber dem Beklagten, er habe in dieser Zeit bei einem
türkischen Lebensmittelhändler Schulden in Höhe von ca. 700,00 EUR gemacht, ist die
Deckung des o.a. Bedarfs auch nicht ansatzweise nachvollziehbar dargetan,
geschweige denn belegt worden. Außerdem ist völlig unklar, wie der Kläger den Anfang
Januar 2006 getätigten Kauf eines Pkws hat finanzieren können.
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Im Hinblick auf die danach - nach wie vor - völlig unklaren finanziellen Verhältnisse des
Klägers war der Beklagte berechtigt, das Einkommen des Klägers und seiner Familie
nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu schätzen. Bei dem somit vom Beklagten
rechtmäßig ermittelten Einkommen des Klägers und seiner Familie ergibt sich kein
höherer Wohngeldanspruch des Klägers.
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Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.
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