Urteil des VG Minden vom 08.08.2007

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Verwaltungsgericht Minden, 3 K 2772/06
Datum:
08.08.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 2772/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des
Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitslei-
stung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages
abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin ist gewerbliche Automatenaufstellerin und hat in der Gaststätte "S. 8" in
XXXXX C. , S1.-----straße 6, Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit aufgestellt.
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Anlässlich einer Kontrolle in der Gaststätte stellte der Beklagte fest, dass dort folgende
Geldspielgeräte aufgestellt waren:
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- Blue Power, Zulassungsnummer XXXXXXXXX - Croco, Zulassungsnummer
XXXXXXXXXX - Winner Superquick, Zulassungsnummer XXXXXXXXX.
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Über den Geldspielgeräten Blue Power und Croco war ein Jackpotsystem installiert.
Kabelverbindungen führten von dem Jackpot in diese beiden Geldspielgeräte, die mit
dem Jackpot gekoppelt waren. Der Jackpot bestand aus drei rotierenden Walzen
(ähnlich einem Geldspielgerät), zwei Anzeigen und der Angabe, bei welchen
Kombinationen welcher Betrag auf den Jackpot addiert wird. Die untere Anzeige stand
für den "Jackpot Silber" und die obere Anzeige für den "Jackpot Gold". Die
Funktionsweise des Jackpots stellte sich wie folgt dar: Das System war in einer Vielzahl
von Gaststätten installiert und wurde zentral gesteuert. Das Jackpotsystem war während
des ganzen Tages in Betrieb, unabhängig davon, ob die Gaststätte geöffnet war oder
nicht. Eine Teilnahme war über das Bespielen der Geldspielgeräte in den
angeschlossenen Gaststätten und über Teilnahmekarten möglich. In die
Teilnahmekarten war der Betrag, bei dem der Jackpot ausgelöst wurde, einzutragen.
Die Teilnahmekarten konnten in der Gaststätte "S. 8" erst nach längerer Suche
aufgefunden werden. Bei einer Auslösung des Jackpots wurde angezeigt, in welcher
der angeschlossenen Gaststätten der Jackpot ausgelöst worden war. In der Gaststätte,
in der der Jackpot ausgelöst worden war, folgte folgendes Verfahren: Bei Auslösung des
Jackpots "Silber" leuchteten abwechselnd Pfeile auf der linken und rechten Seite des
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Jackpotsystems in Richtung der abgekoppelten Geldspielgeräte. Der Spieler an dem
Geldspielgerät, bei dem der Pfeil stehen blieb, erhielt den Jackpot "Silber". Der Betrag
wurde auf den Münzspeicher des Geldspielgerätes aufgebucht. War das Geldspielgerät
zu diesem Zeitpunkt nicht bespielt, verfiel der Betrag. Zum Zeitpunkt der Kontrolle hatte
der Jackpot "Silber" in der Gaststätte "S. 8" ausgelöst. Der Betrag wurde auf das
bespielte Geldspielgerät aufgebucht. Bei Auslösung des Jackpots "Gold" leuchteten
ebenfalls abwechselnd Pfeile auf der linken und rechten Seite des Jackpotsystems in
Richtung der gekoppelten Geldspielgeräte. Darüber hinaus sollten auch die Karten, die
den exakten Betrag der Auslösung des Jackpots getippt hatten, in die Verlosung
einbezogen werden. Wie dies technisch funktionieren sollte, konnte der Verantwortliche
der Gaststätte nicht erklären. Dem Gewinner (Spieler am Geldspielgerät oder
Teilnehmer über Karte) wurde der Betrag in bar in der Gaststätte ausgezahlt. Sofern das
Geldspielgerät, das gewonnen hatte, zum Zeitpunkt der Auslösung nicht bespielt wurde
und keiner den exakten Auslösungsbetrag per Karte getippt hatte, verfiel der Betrag.
Mit Schreiben vom 20.06.2006 gab der Beklagte der Klägerin Gelegenheit, sich zu einer
beabsichtigten Aufforderung, den Jackpot dauerhaft aus der Gaststätte zu entfernen, zu
äußern. Mit Schreiben vom 07.07.2006 gab die Klägerin an, der Jackpot werde nicht von
ihr, sondern der I. -Getränke M. GmbH betrieben. Die drei Geldspielgeräte seien seit
Aufstellung des dritten Gerätes mit einer technischen Sicherungsmaßnahme
ausgestattet. Die Sicherungsmaßnahme sei technisch so umgesetzt, dass die
Geldgewinnspielgeräte mit Funksteckdosen ausgestattet seien, die ausschließlich
durch die Fernbedienung des Gastwirtes zu schalten seien. Die Fernbedienung sei so
codiert, dass sie manipulationssicher sei. Durch diese Maßnahme werde jedem
Jugendlichen das Bespielen der Geldgewinnspielgeräte verwehrt. Zusätzlich sei der
Wirt geschult worden, den Jugendschutz einzuhalten und zu überwachen.
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Mit Ordnungsverfügung vom 26.07.2006 forderte der Beklagte die Klägerin auf,
innerhalb von einer Woche nach Zustellung der Ordnungsverfügung den in der
Gaststätte "S. 8" in XXXXX C. , S1.-----straße 6 betriebenen Jackpot dauerhaft aus der
Gaststätte zu entfernen und neben der Ausgabe von Gewinnen über gem. § 33 c
Gewerbeordnung zugelassene Spielgeräte auch keine sonstigen Gewinnchancen in
Aussicht zu stellen und keine Zahlungen oder sonstige finanzielle Vergünstigungen in
der Gaststätte zu gewähren und ordnete die sofortige Vollziehung der
Ordnungsverfügung an. Für den Fall, dass die Klägerin der Aufforderung nicht oder nicht
in vollem Umfang fristgerecht nachkommen sollte, drohte der Beklagte der Klägerin ein
Zwangsgeld in Höhe von 3.000,-- EUR an.
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Zur Begründung führte der Beklagte aus, Ermächtigungsgrundlage der Verfügung sei §
9 Abs. 2 Spielverordnung (SpielV), 33 c Gewerbeordnung (GewO), § 7 Abs. 4 SpielV
i.V.m. § 14 Ordnungsbehördengesetz (OBG). Die Regelung des § 9 SpielV verbiete
nicht nur gekoppelte Jackpots sondern auch werbliche Jackpots (sog. ungekoppelte
Jackpots). Er gelte für die Bereiche, in denen Geldspielgeräte oder andere Spiele
angeboten würden, hierunter fielen grundsätzlich alle Betriebe, in denen
Geldspielgeräte betrieben werden dürften. Es komme nicht darauf an, mit welchen
Absichten der Kunde eine Gaststätte betrete, soweit dort Spiele angeboten würden.
Ebenso sei es unerheblich, wenn das Jackpotangebot zivilrechtlich - z.B. durch einen
anderen Betreiber - von dem Spielangebot getrennt sei. In der Gaststätte "S. 8" würden
neben der Abgabe von Speisen und Getränke durch die Betreiberin der Gaststätte u.a.
drei Geldspielgeräte durch die Klägerin betrieben, sodass das Verbot des § 9 SpielV auf
den Betrieb der Gaststätte "S. 8" Anwendung finde. Dass Betreiber des Jackpots nach
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Angaben der Klägerin die Firma I. - Getränke M. GmbH sei, sei für die rechtliche
Einordnung sowie Verantwortlichkeit ohne Bedeutung.
Der Betrieb des gekoppelten Jackpots sei zudem bereits gem. § 33 c GewO und § 7
Abs. 4 SpielV verboten. In der Gaststätte bestehe zwischen zwei Geldspielgeräten und
dem Jackpot eine technische Verbindung. Eine Zulassung läge jedoch für die
Verbindung zwischen Spielgerät und dem Jackpot nicht vor, obgleich es sich um eine
wesentliche bauliche Veränderung handele. Ob eine Zulassung durch die Physikalisch-
technische Bundesanstalt erfolgen könne, sei zweifelhaft. Durch die technische
Kopplung werde das Geldspielgerät in seiner Bauart derart verändert, dass die Erfüllung
der in § 13 SpielV genannten Spielbedingungen in Frage zu stellen seien. In § 13
SpielV seien u.a. Anforderungen aufgeführt, die die Spieldauer, den maximalen Gewinn
und den Höchstverlust des Spielers regelten. Normzweck sei es, die Spielanreize der
Geräte in einem akzeptablen Rahmen zu halten, Abhängigkeiten des Spielers und
damit Anreize für ein Dauerspiel mit dem dadurch bedingten unangemessen hohen
Verlusten in kurzer Zeit zu verhindern. Dieses Ziel könne durch die Verbindung
zwischen Spielgerät und dem technisch daran gebundenen Jackpot umgangen werden.
Durch die aktuelle Gewinnanzeige mittels der optisch auffälligen, digitalen
Leuchtanzeige erhielte das Geldspielgerät einen zusätzlichen Spielanreiz. Es sei durch
ein auffälliges Missverhältnis zwischen Einsatz und möglichem Gewinn
gekennzeichnet, das den Spieler zu einem Dauerspiel und damit zu unangemessen
hohen Verlusten verleite, da die statistische Wahrscheinlichkeit eines Gewinns äußerst
gering sei. Darüber hinaus sei durch die Kopplung der Geldspielgeräte mit dem Jackpot
die ordnungsgemäße Funktion der Geldspielgeräte gestört. Zur ordnungsgemäßen
Funktion eines Geldspielgerätes gehöre auch, dass der Spiel- und Gewinnplan
eingehalten werde. Dies sei durch die Kopplung mit dem Jackpot nicht gegeben. Zwar
entspreche der Spiel- und Gewinnplan, betrachte man das Geldspielgerät isoliert, dem
Plan, wie er von der Physikalisch-technischen Bundesanstalt zunächst zugelassen
worden sei. Jedoch könne nunmehr der in diesem Plan verzeichnete Gewinn in
Verbindung mit dem gewinnentscheidenden Erreichen des Auslösungsbetrages des
Jackpots erhöht werden. Das gewinnentscheidende Ereignis des Jackpots sei aber
nicht in dem Spielplan des Geldspielgerätes verzeichnet. Darüber hinaus entspreche
die Summe aus beiden Gewinnen nicht mehr dem im Gewinnplan angegebenen Betrag.
Gem. § 7 Abs. 4 SpielV habe der Aufsteller ein Spielgerät, dessen ordnungsgemäße
Funktion gestört sei, unverzüglich aus dem Verkehr zu ziehen. Für die Gefahrenlage,
die durch den Betrieb des Jackpots ausgehe, sei die Klägerin als Aufstellerin der
Geldspielgeräte ordnungsrechtlich verantwortlich (§§ 17 und 18 OBG). Unerheblich sei
hierbei, wer Eigentümer und Betreiber des Jackpots sei.
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Da die Klägerin der Verpflichtung aus der Ordnungsverfügung vom 26.07.2006 nicht
fristgemäß nachkam, setzte der Beklagte mit Verfügung vom 11.12.2006 das zuvor
angedrohte Zwangsgeld fest.
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Gegen beide Bescheide hat die Klägerin rechtzeitig Klage erhoben - 3 K 2772/06
(Ordnungsverfügung vom 26.07.2006) und 3 K 82/07 (Ordnungsverfügung vom
11.12.2006) - .
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Die Klägerin beantragt,
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die Ordnungsverfügungen vom 26.07. und 11.12.2006 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klagen abzuweisen.
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Er nimmt Bezug auf die Gründe der angefochtenen Bescheide.
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Die Kammer hat die Anträge der Klägerin auf Gewährung von einstweiligem
Rechtsschutz mit Beschlüssen vom 22.11.2006 - 3 L 622/06 - und vom 15.02.2007 - 3 L
23/07 - abgelehnt. Die Beschwerden der Klägerin wies das OVG NRW durch
Beschlüsse vom 09.03.2007 - 4 B 2641/06 - und 03.04.2007 - 4 B 354/07 - zurück.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klagen sind zulässig, aber nicht begründet.
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Die Bescheide des Beklagten vom 26.07.2006 (Beseitigungsverfügung) und vom
11.12.2006 (Festsetzung eines Zwangsgeldes) sind rechtmäßig und verletzen die
Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zur Vermeidung von
Wiederholungen wird Bezug genommen auf die Gründe des Beschlusses der Kammer
vom 22.11.2006 - 3 L 622/06 - und des OVG NRW vom 09.03.2007 - 4 B 2641/06 -
(betreffend die Beseitigungsverfügung) und auf den Beschluss der Kammer vom
15.02.2007 - 3 L 23/07 - und des OVG NRW vom 03.04.2007 - 4 B 354/07 - (betreffend
die Festsetzungsverfügung). An den Gründen der Beschlüsse hält das erkennende
Gericht auch nach erneuter Überprüfung fest. Die Klägerin hat in der mündlichen
Verhandlung keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die eine abweichende
Beurteilung rechtfertigen könnte. Sie wiederholte lediglich ihre Argumente, die bereits
Gegenstand der Eilverfahren waren und dort entsprechend gewürdigt worden sind. Der
Hinweis darauf, dass für § 6 a SpielV möglicherweise keine ausreichende
Ermächtigungsgrundlage besteht,
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vgl. Hahn, Neuregelungen zum gewerblichen Spielrecht, GewArch 2007, 89 f. (Seite 96)
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ist für das vorliegende Verfahren unbeachtlich, weil die Ordnungsverfügung vom
26.07.2006 auf die §§ 9 Abs. 2 und 7 Abs. 4 der SpielV und nicht auf § 6 a SpielV
gestützt worden ist.
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Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Anordnungen zu ihrer vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
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