Urteil des VG Köln vom 18.10.2006

VG Köln: dosierung, arzneimittel, auflage, homöopathie, therapie, verordnung, erfahrung, widerruf, empfehlung, unternehmer

Verwaltungsgericht Köln, 24 K 8133/04
Datum:
18.10.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
24. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 K 8133/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin ist Inhaberin der arzneimittelrechtlichen Zulassung für das apothe-
kenpflichtige Fertigarzneimittel „H. „ in der Darreichungsform Mi- schung mit dem
Anwendungsgebiet „Die Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen
Arzneimittelbildern ab. Dazu gehören: Beschwerden bei Hirnge- fäßverkalkung wie
Schwindel, Kopfschmerzen. ..." Die arzneilich wirksamen Bestand- teile sind (bezogen
auf 10 ml):
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Cocculus Dil. D5 5 ml H. Dil. D6 5 ml.
3
Mit Bescheid vom 22.10.2004 erteilte die Beklagte die Verlängerung der Zulas- sung
(Nachzulassung) des Arzneimittels. Dem Bescheid waren zahlreiche Auflagen
beigefügt.
4
Am 17.11.2004 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie sich gegen eine Viel- zahl
der Auflagen wendet. Mit Beschluss der Kammer vom 27.06.2006 ist das Ver- fahren
getrennt worden. Im vorliegenden Verfahren allein streitig ist die nachstehen- de
Auflage:
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„A.2 Dosierung Hier ist zu formulieren: „Soweit nicht anders verordnet: Bei akuten
Zuständen alle halbe bis ganze Stunde, höchstens 6 mal täglich, je 5 Tropfen
einnehmen. Eine über 1 Woche hinausgehende Anwendung sollte nur nach
Rücksprache mit einem homöopathisch erfahrenen Arzt oder Heilpraktiker erfolgen. Bei
chronischen Verlaufsformen 1-3 mal täglich je 5 Tropfen einnehmen; Bei Besserung der
Beschwerden ist die Häufigkeit der Anwendung zu reduzie- ren,"
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Begründung: Die Formulierung entspricht der von der Kommission D auf der 18. Sitzung
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der Kommission D am 12.06.2002 verabschiedeten und auf der 20. Sitzung der
Kommission D am 25.06.2003 überarbeiteten Dosierungsangabe für homöo- pathische
Arzneimittel für die keine präparatespezifischen Untersuchungen zur Dosisfindung
vorliegen. Abweichende Dosierungen können per Änderungsanzeige mitgeteilt werden.
Hierbei ist die Unbedenklichkeit und Überlegenheit der abweichenden Dosie- rung
durch präparatespezifische Untersuchungen zu belegen."
Zur Begründung der Klage macht die Klägerin im Wesentlichen folgendes gel- tend:
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Die von ihr beantragte Dosierung orientiere sich an den Dosierungsempfehlun- gen der
Kommission D vom 02.07.1993 (BAnz. Nr. 177 vom 29.09.1993). Diese sei- en von
einer Kommission erarbeitet worden, die gemäß § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG a.F. den
gesetzlichen Auftrag gehabt habe, das wissenschaftliche Erkenntnismaterial be-
stimmter Arzneimittel aufzubereiten. Seit Inkrafttreten des 5. AMG Änderungsgeset- zes
könne die zuständige Kommission nach § 25 Abs. 7 AMG n.F. aber nur noch zur
Vorbereitung der Entscheidung über die Verlängerung von Zulassungen nach § 105
Abs. 3 Satz 1 AMG beteiligt werden.
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Die Dosierungsempfehlungen von 1993 hätten im Wesentlichen auch den ein-
schlägigen Erfahrungen entsprochen und seien von den Therapeuten grundsätzlich
akzeptiert worden und entsprechend dem stets geltenden Vorbehalt „soweit nicht anders
verordnet" den individuellen Gegebenheiten der Patienten angepasst worden.
Demgegenüber werde die „neue" Dosierungsempfehlung von den Therapeuten nicht
akzeptiert. Sie weiche insbesondere hinsichtlich der Dosierungsmenge und - häufigkeit
deutlich von der bisherigen Dosierungsrichtlinie ab. Auch beanspruche sie Geltung für
alle homöopathischen Arzneimittel. Zu derart weitreichenden Änderun- gen sollten die
Fachgesellschaften der Ärzte und Heilpraktiker sowie die Verbände der
pharmazeutischen Industrie gehört werden. Auch hätte selbstverständlich das
Erfahrungswissen der nicht in der Kommission D vertretenen Hersteller dieser Arz-
neimittel berücksichtigt werden sollen. Hinzu komme, dass die Kommission nicht
ordnungsgemäß besetzt gewesen sei; § 25 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. Abs. 6 Sätze 4-6 AMG
seien verletzt. Schließlich sei das Auswahlverfahren für die Kommissionsmit- glieder
gesetzlich nicht hinreichend bestimmt.
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Eine vorherige Möglichkeit zur Stellungnahme sei der Klägerin wie auch den an- deren
Unternehmern nicht eingeräumt worden, weshalb die Auflage bereits wegen des
Verstoßes gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs aufzuheben sei.
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Ferner enthalte die neue Dosierungsempfehlung keinerlei fachliche Begründung.
Soweit in dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Protokoll über die Sitzung der
Arbeitsgruppe „Dosierung homöopathischer Arzneimittel" vom 11.06.12002 ausge- führt
sei
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„Die Anwender sehen, gestützt auf die homöopathische Literatur und auf die
therapeutische Erfahrung, ein erhebliches Gefährdungspotenzial durch zu große, zu
häufige und zu langfristige Gabe homöopathischer Arzneimittel in Form von
Erstverschlimmerungen und Auftreten einer Arzneimittelprüfsym- ptomatik. Dies gilt
insbesondere für die unkontrollierte Einnahme i.R. einer Selbstmedikation, besonders
von Hochpotenzen.",
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gebe es für diese Behauptung keine Belege. Sie sei - wie sich aus den von der Klägerin
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eingeholten im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Gutachten Dr. Mukerjee- Guzik und
Dr. King ergebe - aus der Luft gegriffen.
Soweit die Beklagte die „illegale" (neue) Dosierungsempfehlung der Kommission D bei
Nachzulassungsentscheidungen pauschal übernehme, ohne die Gegebenheiten des
betroffenen Arzneimittels zu berücksichtigen, stehe dies im Wi- derspruch zu § 25 Abs. 7
AMG n.F.. Im Übrigen könne die Beklagte, wie auch § 109a Abs. 4a AMG verdeutliche,
stets von Empfehlungen der Kommission abweichen und habe dies nur zu begründen.
Sie dürfe sich aber nicht bei der Beauflagung hinter einem „illegalen" Votum der
Kommission verstecken und die darin enthaltenen Vorgaben ungeprüft übernehmen.
Dies komme einem Begründungsmangel gleich.
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Eine fachliche Bewertung der neuen Dosierungsempfehlungen scheitere, da
zugrundeliegendes Erkenntnismaterial nicht bekannt gemacht worden sei. In der
Mitteilung über die 18. Sitzung der Kommission D vom 12.06.2002 sei die Änderung
lediglich wie folgt begründet worden: „Eine Überarbeitung der bestehenden
Dosierungsempfehlungen, BANZ. Nr. 177 vom 21. September 1993, wurde als
notwendig angesehen, um sowohl die Aspekte des Selbstverständnisses und der
Eigenerfahrung der Therapierichtung als auch die Belange des Patientenschutzes in
der Selbstmedikation besser zu berücksichtigen." Welche Kriterien bei der Auswahl der
herangezogenen Literatur angelegt worden seien und wie sichergestellt worden sei,
dass die Erfahrungen mit homöopathischen Kombinationsarzneimitteln möglichst
vollständig in die Beurteilung mit eingegangen seien, bleibe unklar. Die von der
Beklagten im Klageverfahren vorgelegte Literatur beschäftige sich ausschließlich mit
der Einzelmittelhomöopathie (klassischen Homöopathie), obwohl die Anwendungs-
modalitäten für homöopathische Einzelmittel (klassische Homöopathie) nicht 1:1 auf
homöopathische Kombinationsmittel (Komplexmittelhomöopathie) übertragen werden
könnten. Bei den dargestellten Regeln der Dosierung homöopathischer Arzneimittel
handele es sich um die Prinzipien der Dosierung nach § 38 AMG für registrierte
homöopathische Einzelmittel ohne Indikationsangabe. Auch ansonsten sei die von der
Beklagten vorgelegte Literatur nicht geeignet, die Änderung der
Dosierungsempfehlungen zu begründen. Vor allem ließe sich das von der Beklagten
postulierte Grundprinzip der möglichst kleinen Arzneimittelgabe der vorlegten Literatur
so nicht entnehmen. Diese enthalte kaum Angaben zur Gabengröße. Die Beklagte stelle
selbst fest, dass für homöopathische Arzneimittel keine allgemeingültigen Angaben
dazu getroffen werden könnten, in welcher Dosierung das jeweilige Mittel wirksam und
unbedenklich sei. Damit aber bedeute eine Einschränkung der Gabengröße sowie der
Häufigkeit der zulässigen Einzelgabe pro Tag eine Einschränkung der therapeutischen
Möglichkeiten in Bezug auf die optimale und individuelle Anpassung der Dosierung an
den Patienten. Ferner untermauere die von der Beklagten angegebene Literatur nicht
die für die beantragte höhere Dosierung postulierten Risiken. Inhaltlich sei weder
nachvollziehbar noch belegt, dass sich das Selbstverständnis und die Eigenerfahrung in
der homöopathischen Therapierichtung in den letzten 10 Jahren grundlegend
gewandelt hätten. Vielmehr ergebe sich aus der homöopathischen Fachliteratur, dass
eine Einschränkung der Dosierung insbesondere hinsichtlich der Häufigkeit der Gabe
keineswegs der Eigenerfahrung der Therapierichtung entspreche, sondern der
Behandlungserfolg entscheidend von der Anpassung der Dosierung an die jeweilige
Reaktionslage des Organismus abhängig sei. Für jeden Patienten gebe es eine
individuell unterschiedliche optimale Dosierung des zu seiner Krankheit passenden
homöopathischen Arzneimittels. Dem entspreche die alte Dosierungsempfehlung von
1993 insoweit, als sie eine größere Variationsbreite (von 1 mal 5 Tropfen bis 12 mal 10
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Tropfen) beinhalte.
Der Hinweis auf Belange des Patientenschutzes in der Selbstmedikation greife nicht.
Das streitgegenständliche Arzneimittel sei seit mehr als 28 Jahren im Verkehr, ohne
dass Risiken oder unerwünschte Arzneimittelwirkungen bekannt geworden seien,
obwohl es als apothekenpflichtiges Arzneimittel unter die Beratung durch die Apotheken
und unter die Risikoüberwachung des BfArM falle. Auf die nach dem Selbstverständnis
der Therapierichtung bestehenden spezifischen Risiken aus der Anwendung
homöopathischer Arzneimittel werde in der Packungsbeilage hingewiesen. Die
Anwendungssicherheit im Hinblick auf eine Selbstmedikation sei durch entsprechende
Hinweise in der Packungsbeilage sichergestellt. Die langjährige Anwendungserfahrung
(mit einer höheren als der beantragten Dosierung) belege zudem, dass das Risiko einer
Erstverschlimmerung bei der beantragten Dosierung vernachlässigbar sei. Hinweise
zum Auftreten einer Arzneimittelprüfsymptomatik lägen der Klägerin auch für die
„unkontrollierte Selbstmedikation" nicht vor.
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Zahlreiche Anwenderbefragungen belegten zudem, dass homöopathische
Kombinationsarzneimittel in einer Dosierung angewendet würden, die erheblich über
der Dosierungsrichtlinie lägen. Keiner der befragten Therapeuten verabreiche diese
Arzneimittel entsprechend der beauflagten Dosierung. Die im Mai 2006 für das
streitgegenständliche Arzneimittel durchgeführte Therapeutenbefragung habe bei im
Monat 1.495 mit H. Tropfen behandelten Patienten ergeben, dass die Dosierung pro
Tag durchschnittlich 96 Tropfen in akuten Fällen und 39 Tropfen bei chronischen Fällen
betrage. Keiner der Therapeuten habe die selbst verordnete Dosierung als zu hoch
eingestuft. Die meisten Therapeuten hätten angegeben, das Therapieziel mit der
verordneten Dosierung zu erreichen. Anders sehe es bei der Beurteilung der aktuellen
Dosierungsempfehlungen aus. Von den 5 Therapeuten, die sich an diese hielten, hätten
lediglich 1 Therapeut die Akutdosierung und 2 Therapeuten die chronische Dosierung
als „gut" beurteilt. Das Therapieziel sei jeweils nur in 20% der Fälle erreicht worden. Die
Therapeutenbefragung sei geeignet, die beantragte Dosierung zu belegen. Der von der
Beklagten geforderte Beleg für die therapeutische Überlegenheit der beantragten
Dosierung sei unverhältnismäßig. Die Komplexmittelhomöopathie müsse aus dem
Blickwinkel der Gesamtmedizin bewertet werden. Sie sei aus praktischer Erfahrung
entstanden und biete dem Anwender eine Therapie, bei der bestimmte homöopathische
Arzneimittel, die erfahrungsgemäß günstig auf ein bestimmtes Krankheitsbild
ansprächen, zusammengestellt würden. In der Komplexmittelhomöopathie werde das
Simile Prinzip nur auf der Ebene der Krankheitssymptome angewendet. Nach der
Untersuchung und Grundanamnese werde eine klinische Diagnose gestellt. Anhand
dieser erfolge die Verordnung eines homöopathischen Komplexmittels mit
entsprechender Indikation. Dosierung, Art und Dauer der Therapie mit Komplexmitteln
seien deshalb auf die zu behandelnde Erkrankung abzustimmen. Die
Dosierungshäufigkeit und die -menge seien abhängig von der für die Kombination in
Anspruch genommenen Indikation und von dem für die Einzelbestandteile gewählten
Potenzspektrum. Im Allgemeinen werde ein homöopathisches Kombinationspräparat
mehrmals täglich gegeben, bis eine Besserung der Symptome auftrete. Die oft gewählte
Dosierung von 2 bis 4 mal täglich entspreche den Gewohnheiten des Patienten und
solle die Compliance zwischen Therapeut und Patient erhöhen. Die von 13 Herstellern
homöopathischer Arzneimittel initiierte Umfrage zur Dosierung flüssiger
homöopathischer Kombinationsarzneimittel (Biometrischer Bericht zur Auswertung der
statistischen Erhebung zur Dosierung von homöopathischen Komplexmitteln,
ANFOMED, Juni 2005) komme zu folgendem Ergebnis:
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Akutdosierung: - Im Akutfall sei das entsprechende Kombinationsarzneimittel im Mittel
4mal täglich eingenommen worden. - Die Anzahl der Tropfen pro Einnahme habe im
Mittel bei 20 Tropfen gelegen. - Die mittlere Gesamtzahl der pro Tag eingenommenen
Tropfen habe bei 90 gelegen. - Die am häufigsten angewendeten Dosierungsschemata
seien 3 x 30 Tropfen und 3 x 20 Tropfen täglich gewesen. - Die Dauer der
Akutdosierung habe im Mittel 7 Tage betragen.
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Regeldosierung (chronische Erkrankung): - Die mittlere Einnahme habe bei 3mal täglich
gelegen. - Die Anzahl der Tropfen je Einnahme habe im Mittel 20 Tropfen betragen. -
Die mittlere Gesamtzahl der pro Tag eingenommenen Tropfen habe 60 betragen. - Die
am häufigsten angewendeten Dosierungsschemata seien 3 x 30 Tropfen und 3 x 15
Tropfen gewesen. - Die Regeldosierung bis zur dokumentierten Wiedervorstellung habe
zwischen 4 Tagen und 11 Jahren gelegen, im Mittel bei 49 Tagen.
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Damit ergebe sich, dass die von den Therapeuten praktizierte Akutdosierung in 92,43%
und bei der Regeldosierung in 96,69% der angegebenen Fälle über die
Dosierungsempfehlung der Kommission D hinausgehe. Die Studie ANFOMED solle
wissenschaftlich dokumentieren, dass das Expertenwissen der Kommission D nicht auf
die Dosierung homöopathischer Kombinationsarzneimittel anwendbar sei. Darüber
hinaus schaffe die Studie einen neuen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, der
zu berücksichtigen sei. Sie belege die Dosierungspraxis und die allgemeine Erfahrung
der Anwendung. Die Erfahrungen seien insgesamt gut und es werde eine positive
Nutzen-Risiko-Bilanz gezogen. Als allgemeine Dosierungsempfehlung für flüssige
homöopathische Kombinationsarzneimittel lasse sich aus der Studie herleiten: Bei
akuten Erkrankungen bis 4x täglich bis 20 Tropfen und bei längerer Anwendung bis 3x
täglich bis 20 Tropfen oder aber Tagesmaximalgaben von 90 Tropfen bzw. 60 Tropfen.
Der wissenschaftliche Wert der Untersuchung sei höher einzustufen als eine allgemeine
Empfehlung einer Expertenkommission, die nicht zwischen den Charakteristika von
Einzel- und Komplexmitteln unterschieden habe. Ein nennenswertes Risiko durch die
dokumentierten Dosierungen sei nicht beobachtet worden.
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Eine höhere Dosierung homöopathischer Kombinationsarzneimittel lasse sich
außerdem auch noch wie folgt begründen: Wenn in der klassischen Homöopathie zwei
Stoffe nacheinander gegeben würden, würden zwei volle Einzeldosen verordnet und
nicht zwei halbe Dosen. Entsprechend könnten für Kombinationsmittel, die häufig
Wirkstoffe mit unterschiedlichen Wirkungsansätzen (Organspezifisch, symptomatisch,
konstitutionell etc.) enthielten, die in den Aufbereitungsmonographien angegebenen
Dosierungen der Bestandteile daher addiert werden.
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Soweit die Beklagte in Aussicht stelle, dass Abweichungen von der
Dosierungsempfehlung der Kommission D bei Vorliegen von präparatespezifischem
Erkenntnismaterial möglich seien, verlange die Beklagte i.E. den Nachweis der
Überlegenheit der präparatespezifischen Dosierung gegenüber den allgemeinen
Empfehlungen der Kommission D. Dies sei nicht zu akzeptieren. Da die Monographien
der Kommission D ohne Dosisfindungsstudien erstellt worden seien und hinsichtlich der
Dosierungsangaben auf der persönlichen Erfahrung und der Literaturkenntnis der
Kommissionsmitglieder basierten, könnten von den pharmazeutischen Unternehmern
nicht qualitativ hochwertige Belege für jedes einzelne Präparat verlangt werden.
23
Rechtlich trage schließlich die Beklagte die Darlegungslast dafür, dass ihre Auflage
24
fachlich zutreffend sei und insbesondere die frühere Dosierungsempfehlung von 1993
unrichtig gewesen sei.
Die Beklagte verletze ferner die Grundsätze des Urteils des EuGH vom 26.11.2002,
Rechtssache T-74/00 u.a. „Anorektika". Danach sei der Widerruf oder die Rücknahme
einer Zulassung nur dann gerechtfertigt, wenn dies auf neuen Daten beruhe, die zum
Zeitpunkt der ursprünglichen Entscheidung noch nicht zur Verfügung gestanden hätten.
Eine neue Bewertung alter Daten reiche hierzu nicht aus. Die Einschränkung der
Dosierung, die bei Tropfen besonders drastisch ausfalle, komme unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten für viele Produkte einem Widerruf der Zulassung gleich.
25
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragen,
26
die Auflage A.2 zum Nachzulassungsbescheid vom 22.10.2004 für das
Fertigarzneimittel H. aufzuheben,
27
hilfsweise,
28
die Beklagte unter Aufhebung der Auflage A.2 zum Nachzulassungsbescheid vom
22.10.2004 für das Fertigarzneimittel H. zu verpflichten, nachstehende
Dosierungsvorgabe zu akzeptieren: „Soweit nicht anders verordnet: Bei akuten
Zuständen alle halbe bis ganze Stunde, höchstens 12-mal täglich, je 10 Tropfen
einnehmen. Bei chronischen Verlaufsformen 3-mal täglich 10 Tropfen einnehmen.".
29
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, die Klägerin könne ihr tatsächliches Begehren nicht mit der
Anfechtungsklage erreichen, da sie der Sache nach eine Verlängerung der Zulassung
mit der von ihr beanspruchten höheren Dosierung anstrebe, wozu es einer
Teilverpflichtungsklage bedürfe.
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In der Sache gelte folgendes:
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Mit der beanspruchten Dosierung sei die Klägerin der Forderung der Beklagten im
Mängelschreiben vom 22.04.2002 gefolgt. Dort sei ihr aufgegeben worden, den
therapeutischen Nutzen der (ursprünglich) beanspruchten Dosierung präparatespezi-
fisch zu belegen oder die Dosierungsangaben an die Empfehlungen der Kommission D
anzupassen. Die Klägerin habe sich für Letzteres entschieden und die Dosierung an die
Dosierungsempfehlung der Kommission D aus dem Jahre 1993 angepasst. Bei diesen
Empfehlungen handele es sich um Rahmenvorgaben für homöopathische Arzneimittel,
für die kein präparatespezifisches Erkenntnismaterial zum Beleg ihrer Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit in einer bestimmten Dosierung vorhanden sei. Die
Dosierungsempfehlung sei von der Kommission D inzwischen einer Überprüfung durch
eine von ihr gebildete Arbeitsgruppe unterzogen worden. Diese sei zu dem Ergebnis
gelangt, dass die Dosierungsempfehlung nicht in jeder Hinsicht mit den in der
Homöopathie gemachten Erfahrungen und dem Selbstverständnis der Therapie-
richtung vereinbar sei. Sie habe geänderte und auch die Potenzstufen differenzierend
berücksichtigende Dosierungsvorgaben empfohlen, die die Kommission D in der
Sitzung vom 12.06.2002 angenommen habe. Die Formulierung der
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Dosierungsempfehlungen sei nochmals überarbeitet worden (aktuelle Fassung: Stand
17.03.2004). Zum Beleg der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des
streitgegenständlichen Arzneimittels könne die Klägerin sich damit nicht mehr auf die
Dosierungsempfehlungen 1993 berufen. Sofern sie eine höhere als die von der
Kommission D aktuell empfohlene Dosierung vorgeben wolle, müsse sie deren
therapeutischen Nutzen durch entsprechendes Erkenntnismaterial belegen. Auf dieser
Basis könne dann im Wege einer Änderungsanzeige nach § 29 Abs. 2a AMG eine
höhere Dosierung und damit eine Abänderung der streitigen Auflage beansprucht
werden. Einer Auseinandersetzung mit der mit Schriftsatz der Klägerin vom 01.06.2006
vorgelegten Therapeutenbefragung und der ANFOMED-Studie im vorliegenden
Verfahren bedürfe es deshalb nicht.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sei ausschließlich, ob die Beklagte zu
Recht angeordnet habe, dass die Klägerin, die unter Verzicht auf eine eigene
präparatespezifische Begründung die Dosierung an die Dosierungsempfehlungen 1993
angepasst hat, nunmehr die aktuellen Empfehlungen der Kommission D zu übernehmen
habe. Grundsätzlich obliege es der Klägerin, den Nachweis zu erbringen, dass das
beantragte Arzneimittel hinsichtlich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nach dem
gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft wurde und
die therapeutische Wirksamkeit danach zureichend begründet ist. Die Dosierung als
Bindeglied zwischen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müsse so gewählt werden,
dass die beanspruchten therapeutischen Erfolge erzielt werden können, dürfe aber
wegen der mit der Anwendung von Arzneimitteln potentiell verbundenen Risiken nicht
über das dazu erforderliche Maß hinausgehen. Wenn der pharmazeutische
Unternehmer - wie hier die Klägerin - anstelle der Vorlage eigener Prüfergebnisse oder
bibliografischer Unterlagen auf eine allgemeine Empfehlung einer
Sachverständigenkommission zurückgreife, verstehe es sich von selbst, dass die
jeweils aktuelle Empfehlung zum Tragen kommen müsse.
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Die aktuellen Empfehlungen seien auf das in der einschlägigen Literatur nachzulesende
Selbstverständnis und die Erfahrungen der homöopathischen Therapie gestützt. Sie
berücksichtigten stärker als die Empfehlungen von 1993 das in der Homöopathie
geltende Prinzip der möglichst kleinen Arzneimittelgabe. Die Homöopathie verstehe
sich als Regulationstherapie. Mit Hilfe der individuell ausgewählten Arznei sollten die
körpereigenen Heilungskräfte mobilisiert werden. Diese werde in kleinstmöglicher
Menge und passender Potenz (Verschüttelungsgrad) verabreicht. Die Wirkung
homöopathischer Arzneimittel werde nicht als Substanzwirkung begriffen, sondern als
spezifischer Anstoß an den Organismus, eine Zustandsänderung aus eigener Kraft
herbeizuführen. Bestimmend für die erforderliche Intensität des therapeutischen Reizes
sei damit nicht nur die Schwere des Symptoms, sondern wesentlich auch die
Reaktionsfähigkeit und individuelle Empfindlichkeit des zu behandelnden Organismus.
Der Reiz sei so zu wählen, dass er gerade ausreiche, eine Eigenregulation zu initiieren.
Damit handele es sich bei der Homöopathie um eine ausgesprochene
Individualtherapie. Ein allgemeingültiges Anwendungsgebiet, für das die Wirksamkeit
des jeweiligen Mittels anhand in der Allopathie geltender Kriterien belegt werden könne,
lasse sich daher i.d.R. nicht festlegen. Auch für die Dosierung homöopathischer
Arzneimittel könnten keine allgemeingültigen Angaben getroffen werden. Gleichwohl
lägen in der Homöopathie Erfahrungen vor, aus denen Regeln zur Dosierung abgeleitet
werden könnten. Als Indikator für die richtige Wahl des Arzneimittels sowie die
angemessene Potenzhöhe und Gabengröße diene die Reaktion des Patienten auf die
erste Gabe. Fehle es an der deshalb erforderlichen sorgfältigen homöopathischen
36
Evaluation mit Überprüfung der Mittelwahl, ggf. Antidotierung und werde die
Arzneimittelgabe fortgesetzt, führe dies zu einer Verstärkung der Kunstkrankheit, woraus
sich die für homöopathische Arzneimittel spezifischen Risiken ergäben:
- Überforderung der Regulationsfähigkeit - Manifestation einer arzneimittelbedingten
Kunstkrankheit (Arzneimittelprüfsymptomatik) - Überlagerung der Symptomatik der
Primärerkrankung durch eine Prüfsymptomatik und damit Maskierung des Fortschreitens
der Erkrankung - Zunehmende Schwierigkeit der homöopathischen Arzneimittelfindung
durch Mischung von Arzneimittel- und Krankheitssymptomatik.
37
Da grundsätzlich davon ausgegangen werde, dass homöopathische Arzneimittel bei
jedem wirken, würde bei der Gabe eines falsch gewählten Arzneimittels oder einer
falsch gewählten Dosierung oder Potenz die Reaktion nicht zum Aufheben einer
Erkrankungssymptomatik führen, sondern zur Ausbildung eines pathologischen
Reaktionsmusters. Die Beklagte führt weiter aus:
38
„Zusammenfassend lassen sich folgende Aussagen bezüglich der
Anwendungsmodalitäten homöopathischer Arzneimittel machen (die Zahlenangaben
beziehen sich auf die in der Folge zitierte Literatur gemäß der Literaturliste - Anlage B 4
-):
39
1. Die Gabengröße und Potenzhöhe muss an die Reaktionslage des Patienten
angepasst werden (2, 3, 6, 8, 9, 10, 11, 14, 16, 17, 24, 25, 28) 2. eine einmalige
Arzneimittelgabe ist zunächst ausreichend (2, 3, 4, 8, 10, 11, 14, 15, 16, 17, 18, 21, 24,
25, 27, 28) 3. eine genaue Beobachtung der Reaktion auf die Arzneimittelgabe ist unver-
zichtbar und Voraussetzung einer weiteren Arzneimittelgabe (2, 3, 8, 9, 10, 11, 14, 17,
24, 25, 28) 4. solange eine Beschwerdenbesserung anhält, ist eine Gabenwiederholung
kontraproduktiv (2, 3, 4, 6, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 17, 18, 24, 25, 27, 28) 5. während einer
Verschlechterung darf keine Gabenwiederholung erfolgen (2, 3, 8, 9, 10, 11, 13, 14, 17,
18, 24, 27, 28) 6. zu große Dosen und zu hohe Potenzen können den Patienten
überfordern und zu gravierenden Reaktionen führen (2, 3, 6, 8, 9, 10, 11, 14, 16, 17, 22,
23, 24, 25, 28) 7. die Gabe eines für den Einzelfall ungeeigneten Arzneimittels führt zur
Ausbildung einer arzneimittelbedingten Symptomatik, hieraus können sich bei
fortgesetzter Gabe Organmanifestationen entwickeln (2, 3, 4, 8, 9, 11, 12, 18, 24, 25, 28)
8. der Abstand zwischen zwei Arzneimittelgaben muss umso größer sein, je höher die
Potenz gewählt wurde (5, 6, 7, 9, 10, 11, 13, 15, 17, 21, 22, 23, 25) 9. die Gabe von
Hochpotenzen setzt eine sorgfältige homöopathische Fallaufnahme voraus (3, 6, 8, 10,
11, 17, 19, 22, 26, 27, 28)."
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Daraus ergäben sich folgende Regeln für die Anwendung homöopathischer
Arzneimittel: Die Anwendung erfolge in Einzelgabe, bei richtiger Mittelwahl und träger
Reaktionslage könnten mehrere Gaben angezeigt sein; bei der Anwendung hoher
Potenzen ab D30 sei in der Regel eine Einmalgabe ausreichend. Die Wiederholung sei
von der Wirkung der ersten Gabe abhängig, solange eine Reaktion anhalte (Besserung
oder Verschlimmerung) sei keine weitere Arzneimittelgabe angezeigt. Diese Regeln
würden auch praktisch von einer Vielzahl von Therapeuten erfolgreich umgesetzt. Die
Gabengröße liege zwischen 1 und 5 Globuli bzw. Tropfen. Für die Fälle, in denen eine
häufigere Anwendung erforderlich erscheine, seien LM (Q- )Potenzen gebräuchlich.
Würden die Regeln nicht eingehalten, könnten die genannten spezifischen Risiken
auftreten. Die vergleichsweise geringe Zahl der Veröffentlichungen erkläre sich zum
Einen daraus, dass es sich hier um Behandlungsfehler handele, die ungern publiziert
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würden. Zum Anderen - so die ergänzenden Ausführungen der Beklagten dazu in der
mündlichen Verhandlung - sei für die Selbstmedikation schon deshalb kaum mit
Meldungen unerwünschter Arzneimittelwirkungen zu rechnen, weil homöopathische
Arzneimittel vom Patienten i.d.R. als „unschädlich" angesehen würden, eine
Verschlechterung des ge- sundheitlichen Zustands also kaum auf die Anwendung des
homöopathischen Mittels zurückgeführt würde. Das Vorhandensein solcher Risiken sei
jedoch auch in kontrollierten Studien erkennbar, so z.B. in der Studie Homeopathy for
Menopausal Symptoms in Brest Cancer Survivors: A Preliminary Randomized
Controlled Trial (j. Jacobs et al.); bei der nur die Teilnehmerinnen an der mit einem
homöopathischen Komplexmittel behandelten Gruppe über vermehrte Kopfschmerzen
geklagt hätten, wobei alle drei Bestandteile des Komplexmittels nach ihrem Arzneibild
hätten Kopfschmerzen auslösen können.
Bei der Kommission D handele es sich um eine Kommission nach § 25 Abs. 6 und 7
AMG. Sie sei ein Fachgremium, dessen Mitglieder auf Vorschlag der Kammern der
Heilberufe, der Fachgesellschaften der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker,
Heilpraktiker sowie der pharmazeutischen Unternehmer berufen würden. Die Beklagte
könne deshalb zu Recht davon ausgehen, dass die Kommissionsempfehlung zur
Dosierung dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der homöopathischen
Therapierichtung entsprächen, zumal sich die Empfehlungen mit der aufgeführten
Literatur untermauern ließen.
42
Wieso im Übrigen die für homöopathische Einzelmittel geltenden Grundsätze für die
fixen Kombinationen der Einzelmittel nicht gelten sollten, sei nicht nachvollziehbar.
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Soweit die Klägerin schließlich geltend mache, dass sich die beanspruchte Dosierung
auch aus einer Addition der Dosierungsangaben der Aufbereitungsmonographien für
die Einzelstoffe ableiten lasse, könne dem nicht gefolgt werden. Voraussetzung dafür
wäre, dass die Wirksamkeit des streitbefangenen Arzneimittels auf der additiven
Wirkung der Einzelstoffe beruhe. Dies sei von der Klägerin bislang jedoch weder
vorgetragen noch wissenschaftlich nachvollziehbar begründet worden. Wegen der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Be- zug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Beklagten.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
45
Die Klage bleibt im Hauptantrag (I.) wie im Hilfsantrag (II.) erfolglos.
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I. Der Hauptantrag ist zulässig aber unbegründet.
47
1. Die Klage ist als (isolierte) Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO gegen
die Auflage A.2 statthaft und zulässig. Die Auflage betrifft nach der auf S. 3 des
angefochtenen Bescheides wiedergegebenen Überschrift „Auflagen nach § 28 Abs. 2
AMG: A.1-A.4 der Anlage 1", dem Wortlaut der Auflage A.2 selbst wie auch der in der
Anlage 3 zum angefochtenen Bescheid erfolgten Um- setzung der Auflage lediglich den
Inhalt der Packungsbeilage gemäß § 11 AMG, was der Annahme einer sog.
modifizierenden Auflage entgegen steht,
48
vgl.: OVG NRW, Urteil vom 07.10.2005 - 13 A 4378/03 -, a.A. VG Köln, Urteile vom
25.07.2006 - 7 K 1908/04 - und vom 24.10.2006 - 7 K 7817/01 - und - 7 K 566/02 -.
49
Auch kann nicht entgegen diesem eindeutigen Wortlaut angenommen werden, dass mit
der Auflage A.2 integrativ in die mit dem Verwaltungsakt verbundene, dessen Inhalt
betreffende Regelung eingegriffen werden sollte (sog. modifizierende Auflage).
Dagegen spricht, dass Aussagen zur Dosierung nicht Gegenstand des verfügenden
Teils des Zulassungsbescheides sind. Die Dosierung gehört nach der Auffassung der
Kammer, anders als z.B. die Bezeichnung des Arzneimittels, die Zusammensetzung der
arzneilich wirksamen Bestandteile nach Art und Menge und die Anwendungsgebiete
auch nicht zum Kernbereich der arzneimittelrechtlichen Zulassung. So ist z.B. eine
Änderung der Angaben nach den §§ 10, 11, und 11 a AMG über die Dosierung nach §
29 Abs. 2 a Nr. 1 AMG nur zustimmungspflichtig, führt aber nicht zur
Neuzulassungspflicht. Ob im Übrigen die Auflage zur Dosierung von der im Ge- setz der
Bundesoberbehörde eingeräumten Auflagenbefugnis (§§ 28, 105 Abs. 5 a AMG)
gedeckt ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage nicht aber der Statthaftigkeit der
Anfechtungsklage.
50
2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Auflage A.2 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
51
Die Auflage ist nicht formell rechtswidrig. Insbesondere ist die Klägerin nicht in ihrem
Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Ein Anspruch auf Gewährung
rechtlichen Gehörs besteht erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, nicht aber im
vorgeschalteten Verwaltungsverfahren. Insoweit könnte die Klägerin allenfalls in einem
allgemeinen Anhörungsrecht aus § 28 VwVfG verletzt sein. Ein solcher Verfahrensfehler
wäre aber inzwischen gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt. Die Auflage ist auch
nicht aus sonstigen Gründen formell fehlerhaft. Soweit die Klägerin geltend macht, die
Kommission D sei fehlerhaft besetzt gewesen sei und habe keine Kompetenz mehr zum
Erlass neuer Dosierungsempfehlungen gehabt, betrifft dies nicht die formelle
Rechtmäßigkeit der hier streitigen Auflage. Die Auflage hat nicht die Kommission D,
sondern das BfArM als zuständige Bundesoberbehörde angeordnet. Ein
Begründungsmangel in formeller Hinsicht ist ebenfalls nicht ersichtlich. Das BfArM hat
die Auflage damit begründet, dass die beauflagte Dosierung den ak- tuellen
Dosierungsangaben der Kommission D für homöopathische Arzneimittel ohne
präparatespezifische Untersuchungen zur Dosisfindung entspreche. Diese Begründung
ist angesichts des Mängelschreibens des BfArM vom 22.04.2002 und die nachfolgende
Entscheidung der Klägerin, sich an die (frühere) Dosierungsempfehlung der
Kommission D anzupassen, als formell ausreichend anzusehen.
52
Materiellrechtlich ist die angefochtene Auflage ebenfalls nicht zu beanstanden.
53
Gemäß § 105 Abs. 5a Satz 2 AMG können bei der Nachzulassung Auflagen neben der
Sicherstellung der in § 28 Abs. 2 AMG genannten Anforderungen - wozu gemäß § 28
Abs. 2 Nr. 2, 1. Halbsatz i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 AMG eine den Erfordernissen
der Arzneimittelsicherheit genügende Dosierungsanleitung in der Packungsbeilage
zählt - auch die Gewährleistung von Anforderungen an die Qualität, Unbedenklichkeit
und Wirksamkeit zum Inhalt haben, es sei denn, dass wegen gravierender Mängel der
pharmazeutischen Qualität, der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit Beanstandungen
nach § 105 Abs. 5 AMG mitgeteilt oder die Verlängerung der Zulassung versagt werden
muss,
54
zur Auflagenbefugnis des BfArM vgl. z.B. Urteile der Kammer vom 10.05.2006 - 24 K
55
384/02 - und vom 24.09.2003 - 24 K 7898/00 -, Pharma Recht 2003, 390-398 sowie
OVG NRW, Urteil vom 27.09.2005 - 13 A 4378/03 -.
Dass die hier beauflagte Dosierung des streitbefangenen Arzneimittels im Interesse der
Arzneimittelsicherheit und zur Gewährleistung der Unbedenklichkeit der Anwendung
des Präparates geboten ist, hat die Beklagte dargelegt.
56
Sie geht zutreffend davon aus, dass die Dosierung als Bindeglied zwischen
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels einerseits geeignet sein muss,
die beanspruchten therapeutischen Erfolge zu erzielen, sie aber andererseits wegen der
mit der Anwendung von Arzneimitteln potentiell verbundenen Risiken nicht über das
erforderliche Maß hinausgehen darf. Die Beklagte hat weiter nachvollziehbar dargelegt,
dass die beauflagte Dosierung dem Selbstverständnis und den Erfahrungen der
homöopathischen Therapie entspricht.
57
So hat die Beklagte die beauflagte Dosierung auf die aktuellen
Dosierungsempfehlungen der Kommission D gestützt und es ist davon auszugehen,
dass die Kommission D den homöopathischen Sachverstand repräsentiert. Die
Kommission D setzt sich nach § 25 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. Abs. 6 Sätze 4 bis 6 AMG aus
Sachverständigen zusammen, die auf den jeweiligen Anwendungsgebieten und in der
jeweiligen Therapierichtung über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische
Erfahrungen gesammelt haben. Das Bundesministerium beruft die Mitglieder der
Kommissionen ausschließlich auf Vorschlag der für die Therapierichtungen
kompetenten und repräsentativen Fachgesellschaften. Hierdurch wird eine hohes Maß
an Spezi- alwissen und praktischer Erfahrung wie auch eine hinreichende Pluralität der
vertretenen wissenschaftlichen Auffassungen gewährleistet,
58
vgl. Urteil der Kammer vom 27.08.2003 - 24 K 5366/00 -, m.w.N..
59
Davon ist auch die Klägerin ausgegangen, als sie in Beantwortung des
Mängelschreibens des BfArM vom 22.04.2002 die alte Dosierungsempfehlung (1993)
der Kommission D übernommen hat, statt den therapeutischen Nutzen der von ihr
ursprünglich beantragten (höheren) Dosierung präparatespezifisch zu belegen. Der
Annahme der Klägerin, dass der Kommission D nunmehr für die aktuellen
Dosierungsempfehlungen der ihr zuvor zugestandene repräsentative Sachverstand
fehle, kann nicht gefolgt werden. Zwar hat die Kommission D nicht mehr den
gesetzlichen Auftrag (§ 25 Abs. 7 Satz 1 AMG a.F.), das wissenschaftliche
Erkenntnismaterial bestimmter Arzneimittel aufzubereiten. Dass sie gleichwohl immer
noch den homöopathischen Sachverstand repräsentiert, ergibt sich aus den ihr in § 25
Abs. 7 Sätze 3 und 4 AMG n.F. neu zugewiesenen Aufgaben. Sie kann vom BfArM an
der Vorbereitung der Entscheidung über die Verlängerung von Zulassungen nach § 105
Abs. 3 Satz 1 AMG beteiligt werden; ihre Beteiligung ist zwingend dann vorgesehen,
wenn eine vollständige Versagung der Verlängerung nach § 105 Abs. 3 Satz 1 AMG
beabsichtigt ist oder die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung hat. Gerade Letzteres
zeigt, dass der Gesetzgeber die Kommission immer noch als ein Gremium versteht, das
den Sachverstand der Therapierichtung repräsentiert. Dies erweist sich auch daran,
dass nach § 25 Abs. 7 Satz 5 AMG die Bundesoberbehörde eine von dem nach § 25
Abs. 7 Satz 4 AMG einzuholenden Votum der Kommission abweichende Entscheidung
begründen muss.
60
Soweit die Klägerin außerdem geltend macht, dass das Besetzungsverfahren für die
61
Kommissionen nicht ausreichend festgelegt sei, es insbesondere einer über § 25 Abs. 7
i.V.m. Abs. 6 AMG hinausgehenden gesetzlichen Regelung bedürfe, vermag die
Kammer dem nicht zu folgen. Zutreffend ist, dass das Bundesverfassungsgerichts mit
der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.11.1990 (BVerfGE
83, 130) für die Zusammensetzung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Schriften, hinsichtlich des Auswahlverfahrens der Beisitzer, das von der Klägerin
beschriebene im Einzelnen gesetzlich bestimmte Verfahren gefordert hat. Dies kann
jedoch nicht auf die Kommissionen übertragen werden, weil zwischen der
Bundesprüfstelle und den Kommissionen wesentliche Unterschiede bestehen. Anders
als der Bundesprüfstelle, die als Gremium mit unmittelbarer Außenwirkung über die
Indizierung entscheidet, kommt den Kommissionen im Nachzulassungsverfahren nur
eine ausschließlich beratende Funktion zu. Die Entscheidung über die Nachzulassung
wird von der Bundesoberbehörde getroffen. Diese ist - wie schon oben dargestellt - nicht
an das Votum der Kommission gebunden. Dass an- gesichts der ausschließlich
beratenden Tätigkeiten der Kommissionen das Auswahlverfahren für die
Kommissionsmitglieder in allen Einzelheiten dem Gesetzesvorbehalt unterliegt, ergibt
sich nicht. Durch Voten der Kommissionen wird nämlich gerade nicht unmittelbar in ggf.
auch grundrechtlich geschützte Belange der pharmazeutischen Unternehmer im
Nachzulassungsverfahren eingegriffen.
Das BfArM hat darüber hinaus im gerichtlichen Verfahren unter Hinweisen auf die
einschlägige Literatur dargelegt, warum die aktuelle Dosierungsempfehlung der
Kommission D dem Selbstverständnis und den Erfahrungen der homöopathischen
Therapie entspricht und geeignet ist, den mit der Anwendung homöopathischer
Arzneimittel verbundenen Risiken entgegenzuwirken. Sie hat unwidersprochen
ausgeführt, dass nach dem Selbstverständnis der Homöopathie die Wirkung
homöopathischer Arzneimittel nicht als Substanzwirkung begriffen wird, sondern als
spezifischer Anstoß an den Organismus, eine Zustandsänderung aus eigener Kraft
herbeizuführen. Dabei seien bestimmend für die erforderliche Intensität des Reizes nicht
nur die Schwere des Symptoms, sondern wesentlich auch die Reaktionsfähigkeit und
individuelle Empfindlichkeit des Organismus. Bei der Homöopathie handele es sich
dem Grunde nach um eine ausgesprochene Individualtherapie, weshalb sich ein
allgemeingültiges Anwendungsgebiet für die Wirksamkeit des jeweiligen Mittels anhand
in der Allopathie geltender Kriterien i.d.R. nicht festlegen lasse. Für die Dosierung
homöopathischer Arzneimittel könnten ebenfalls keine allgemeingültigen Aussagen
getroffen werden. Maßgeblich für die richtige Wahl des Arzneimittels sowie die
angemessene Potenz und Gabengröße sei die Reaktion des Patienten auf die erste
Gabe. Die verschiedenen von der Beklagten aufgezählten, im Tatbestand
wiedergegebenen Formen der Erstreaktion verdeutlichten das Erfordernis einer
sorgfältigen homöopathischen Evaluation mit Überprüfung der Mittelwahl, ggf. auch der
Antidotierung. Erfolge dies nicht und werde die Arzneimittelgabe fortgesetzt, so führe
dies zu einer Verstärkung der sog. Kunstkrankheit, woraus sich die für homöopathische
Arzneimittel spezifischen Risiken - Überforderung der Reaktionsfähigkeit, Manifestation
einer arzneimittelbedingten Kunstkrankheit (Arzneimittelprüfsymptomatik), Über-
lagerung der Symptomatik der Primärerkrankung durch eine Prüfsymptomatik und damit
Maskierung des Fortschreitens der Erkrankung, zunehmender Schwierigkeit der
homöopathischen Arzneimittelfindung durch Mischung von Arzneimittel- und
Krankheitssymptomatik - ergäben. Dies alles ist in sich schlüssig und nachvollziehbar.
Es wird durch die von der Beklagten angegebenen Literaturstellen auch gestützt. Die
Beklagte hat weiter dargelegt, weshalb aus dem Umstand, dass für die genannten
Risiken kaum Falldokumentationen vorliegen, nicht darauf geschlossen werden kann,
62
dass die aufgezeigten spezifischen Risiken sich nicht verwirklichten und nur
theoretischer Natur seien. Im Falle der therapeutischen Verordnung sei i.d.R. keine
Meldung zu erwarten, weil das Auftreten einer Erstverschlimmerung oder einer
Arzneimittelprüfsymptomatik immer einem Behandlungsfehler des Therapeuten
gleichkomme. Die spezifischen Risiken ergäben sich nicht aus den Arzneimitteln,
sondern aus ihrer fehlerhaften Anwendung (falsches Mittel, falsche Potenz, falsche
Dosierung etc.). Im Falle der Selbstmedikation würden die Patienten i.d.R. die Folgen
einer unbeachtet gebliebenen Erstverschlimmerung oder Arzneimittel- prüfsymptomatik
nicht auf das homöopathische Medikament zurückführen, weil der Laie meist von einer
Unschädlichkeit homöopathischer Mittel ausgehe. Beides ist für die Kammer
nachvollziehbar. Dies insgesamt zugrundelegend, ist es nicht willkürlich, dass die
Kommission D im Interesse der Arzneimittelsicherheit ihre Dosierungsempfehlung wie
geschehen geändert hat. Die von der Beklagten aufgezeigten für homöopathische
Arzneimittel spezifischen Risiken lassen nämlich einerseits auf ein erhöhtes
Gefährdungspotential durch zu große, zu häufige und zu langfristige Gaben
homöopathischer Arzneimittel in Form von Erstverschlimmerung und Auftreten einer
Arzneimittelprüfsymptomatik gerade für die Selbstmedikation schließen. Der
therapeutisch nicht begleitete Patient steht in der Gefahr, die Symptome einer
bedenklichen Erstverschlimmerung und einer Arzneimittelprüfsymptomatik nicht zu
erkennen und deshalb auch nicht in der nach dem Selbstverständnis der
Therapierichtung gebotenen Weise, nämlich durch Absetzen des Arzneimittels, zu
reagieren. Es ist vielmehr zu befürchten, dass er die Einnahme des Arzneimittels
fortsetzt, was zu einer weiteren Verschlechterung seines Zustands in der von der
Beklagten aufgezeigten Art und Weise führen kann. Soweit demgegenüber die
therapeutische Verordnung von der Dosierungsempfehlung unberührt bleibt, wird dem
Selbstverständnis der Therapierichtung und dem damit einhergehenden Anspruch an
eine In- dividualtherapie Rechnung getragen. Im Rahmen der therapeutischen
Verordnung kann davon ausgegangen werden, dass die erforderliche sorgfältige
homöopathische Evaluation stattfindet und der Patient so vor den spezifischen Risiken
homöopathischer Arzneimittel hinreichend geschützt bzw. auf eine gleichwohl
auftretende Erstverschlimmerung oder Arzneimittelprüfsymptomatik in der nach dem
Selbstverständnis der Therapierichtung gebotenen Art und Weise reagiert wird.
Dem hat die Klägerin nichts Konkretes entgegengesetzt.
63
Im Nachzulassungsverfahren hat sie die (ursprünglich) beantragte Dosierung nicht
präparatespezifisch belegt. Von dieser den pharmazeutischen Unternehmer originär
treffenden Verpflichtung hat sie sich dadurch befreit, dass sie in Beantwortung des
Mängelschreibens vom 22.04.2002 der Anregung der Beklagten gefolgt ist, die
Dosierungsempfehlung der Kommission D zu übernehmen. Ob die Klägerin - wie die
Beklagte meint - schon deshalb auch die aktuelle Dosierungsempfehlung hätte
nachvollziehen müssen, soll dahinstehen. Insoweit ist nur - wie schon in der mündlichen
Verhandlung - anzumerken, dass das Mängelschreiben nicht die
Dosierungsempfehlung der Kommission von 1993 - in Bezug genommen hat, sondern
ausgeführt worden ist „… bitten wir die Dosierungsrichtlinien den von der Kommission D
vorgeschlagenen anzupassen, oder den therapeutischen Nutzen der höheren
Dosierung präparatespezifisch zu belegen.". Die Klägerin durfte aber keinesfalls auf den
Bestand der Dosierungsempfehlungen der Kommission D von 1993 vertrauen. Ähnlich
wie eine nicht mehr aktuelle Monographie nicht mehr den Nachweis der Wirksamkeit
erbringen kann (vgl. § 109 a Abs. 4 a AMG n.F.), kann auch eine Dosie-
rungsempfehlung überholt sein, womit die ursprüngliche Verpflichtung der Klägerin ihre
64
(beantragte) Dosierung präparatespezifisch zu belegen wiederauflebt. Eines
„Aufhebens" der inzwischen überholten Dosierungsempfehlungen bedarf es dabei
ebenso wenig wie des „Aufhebens" einer nicht mehr anerkannten Monographie. Die
Frage nach der Rechtsgrundlage für ein „Aufheben" stellt sich deshalb nicht.
Gegen die beauflagte Dosierung wendet die Klägerin wesentlich ein, dass die
spezifischen Risiken homöopathischer Arzneimittel für die Komplexmittelhomöo- pathie
keine Rolle spielten und präparatespezifische Risiken für das hier streitgegenständliche
Arzneimittel nicht bekannt geworden seien ohne die von der Beklagten dargestellten
Grundsätze der Homöopathie als Individualtherapie und das allgemeine Wirkprinzip
homöopathischer Arzneimittel in Frage zu stellen.
65
Dabei beruft sie sich zunächst darauf, dass für das seit mehr als 28 Jahren in Verkehr
befindliche streitgegenständliche Arzneimittel keine Risken oder unerwünschten
Arzneimittelwirkungen bekannt geworden seien. Dies überzeugt nicht. Die Beklagte hat
- wie oben ausgeführt -, weshalb gerade im Bereich homöopathischer Arzneimittel aus
fehlenden Meldungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen nicht darauf
geschlossen werden kann, dass die aufgezeigten spezifischen Risiken sich nicht auch
tatsächlich verwirklichen. Wieso dies für das streitgegenständliche Arzneimittel anders
sein sollte, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht und ist auch nicht sonst
ersichtlich.
66
Weiter beruft die Klägerin sich auf die Ausführungen in den Gutachten Dr. Mukerjee-
Guzik und Dr. King. Auch dies verhilft nicht zum Erfolg. Dr. Mukerjee- Guzik führt in
ihrem Gutachten aus, dass es unter bestimmten Voraussetzungen während einer
Behandlung mit homöopathischen Einzel- oder Kombinationsmitteln zum Auftreten
neuer Symptome kommen kann, die nicht primär dem Krankheitsbild des Patienten,
sondern dem Wirkungsspektrum der Arznei angehören und bejaht damit ausdrücklich
eines der von der Beklagten aufgeführten speziellen Risiken homöopathischer
Arzneimittel auch für die Gruppe der homöopathischen Kombinationsarzneimittel. Sie
führt weiter aus, dass das Auftreten von Arzneimittelprüfsymptomen von mehreren
Faktoren abhängt, benennt dabei die Zubereitungsform/Potenz, die Menge der
verabreichten Substanz, die Häufigkeit der Verabreichung sowie die Empfänglichkeit
des Patienten und zieht daraus den Schluss, dass die Möglichkeit des Auftretens einer
Prüfsymptomatik nicht allein von der Dosierung des homöopathischen Arzneimittels
beeinflusst werde. Wichtigster Faktor sei vielmehr die Empfänglichkeit des Patienten für
entsprechende Reize. Damit vollzieht sie aber im Ergebnis den von der Beklagten
aufgezeigten möglichen Zusammenhang zwischen der Dosierung und dem Auftreten
einer Arzneimittelprüfsymptomatik nach. Denn der von ihr als wichtigsten Faktor aufge-
zeigten Empfänglichkeit des Patienten für entsprechende Reize kann in diesem
Schema nur durch Anpassung der übrigen Faktoren, u.a. der Menge der verab- reichten
Substanz und der Häufigkeit der Gabe - das ist die Dosierung -begegnet werden.
Gleichwohl stuft sie die von der Beklagten angestellten Überlegungen zu dem Risiko
einer Arzneimittelprüfsymptomatik als „überwiegend theoretisch" ein. Dies deswegen,
weil keine dokumentierten Fälle auffindbar seien, in denen es nach Verabreichung
eines homöopathischen Kombinationsarzneimittels nachweislich zu einer
Erstverschlimmerung oder Prüfsymptomatik gekommen sei. Dieser Schluss überzeugt
nicht. Wie bereits dargelegt kann vorliegend aus dem Fehlen dokumentierter Fälle wie
auch aus dem Fehlen von Meldungen über uner- wünschte Arzneimittelwirkungen nicht
auf das Fehlen bzw. Nichtauftreten der spezifischen Risiken geschlossen werden. Auch
Dr. King bejaht in ihrer gutachterlichen Stellungnahme ausdrücklich die Möglichkeit des
67
Auftretens einer Arzneimittelprüfsymptomatik. Als diskutierte Ursachen gibt sie an:
falsche Mittelwahl, unsachgemäße, d.h. zu häufige oder lang anhaltende Anwendung
sowie die besonders sensible Reaktion eines Patienten. Sie kommt zu dem Schluss,
dass ein direkter Kausalzusammenhang des Auftretens einer
Arzneimittelprüfsymptomatik mit der Potenzhöhe, der Höhe der verabreichten
Einzeldosis oder der Häufigkeit der Verabreichung im Rahmen einer sachgerechten
Anwendung nicht zu begründen sei. Zur homöopathischen Erstverschlimmerung führt
Dr. King aus, dass diese zwar therapeutisch keine Gefahr darstelle, sich aber u.U. als
sehr belastend für den Patienten darstelle, weswegen von den meisten Therapeuten die
Arznei abgesetzt werde. Über die Ursachen für das Auftreten von homöopathischen
Verschlimmerungen würden immer noch verschiedenste Überlegungen angestellt, ohne
dass bislang eine abschließende Klärung habe erreicht werden können. Eine direkte
Abhängigkeit des Auftretens einer Erstreaktion von der verabreichten Einzeldosis bzw.
der Häufigkeit der Arzneimittelgabe sei der homöopathischen Fachliteratur aber nicht zu
entnehmen. Diese gutachterliche Stellungnahme ist nicht geeignet, die Sinnhaftigkeit
der neuen Dosierungsempfehlungen zur Vermeidung bzw. Minderung des Risikos des
Auftretens einer Arzneimittelprüfsymptomatik bzw. Erstverschlimmerung zu widerlegen.
Zu der von Dr. King hinsichtlich der Arzneimittelprüfsymptomatik in den Vordergrund
gerückten sachgerechten Anwendung gehört auch die Höhe der Einzeldosis und die
Häufigkeit der Ein- nahme (= Dosierung). Hinsichtlich der Erstverschlimmerung ist
festzustellen, dass nach ihrer Stellungnahme die Ursachen ungeklärt sind. Für beides
erscheint es deshalb auch unter Berücksichtigung dieser Ausführungen nicht unsinnig,
für den Bereich der Selbstmedikation - und nur in diesen greift die neue
Dosierungsempfehlung ein - die Größe der einzelnen Gabe und die Häufigkeit der
Anwendung einzuschränken. Ein Zusammenhang zwischen Größe der Gabe sowie
Häufigkeit der Anwendung und dem Auftreten der spezifischen Risiken
homöopathischer Medikamente wird durch die gutachterliche Stellungnahme Dr. King
nicht widerlegt. Die weiter von der Klägerin (auszugsweise) vorgelegte Dissertation von
Sahler „Homöopathische Komplexmittel" erweist sich im Hinblick auf die von der
Klägerin vertretene Auffassung, dass spezifische Risiken homöopathischer Arzneimittel
bei der Anwendung homöopathischer Komplexmittel keine wesentliche Rolle spielen
als unergiebig. Sahler legt zwar den unterschiedlichen Ansatz dieser an sog. „bewährte
Indikationen" anknüpfende Therapieform zu der auf der „Simile-Regel" basierenden
Therapie mit Einzelmitteln dar und vergleicht die Vor- und Nachteile beider
Therapieformen. Mit der hier interessierenden Frage nach einem möglichen
Zusammenhang zwischen Dosierung und homöopathischen Arzneimittelrisiken setzt er
sich jedoch an keiner Stelle auseinander. Er führt lediglich aus, dass im Allgemeinen
ein homöopathisches Kombinationspräparat mehrmals täglich gegeben werde, bis eine
Besserung der Symptome auftrete. Im Übrigen könnten allgemeingültige Aussagen zur
Dosierung nicht gemacht werden, da jedes Komplexmittelsystem seine individuelle
Dosierung angebe. Die Angaben über die Dosierung, Art und Dauer der Therapie seien
meist auf den Beipackzetteln der Hersteller vermerkt. Diese Daten beruhten weitgehend
auf langjähriger Erfahrung und auf experimentellen Ergebnissen der einzelnen Anbieter.
Dass gerade dies nicht zutreffen muss, zeigt das vorliegende Verfahren. Die Klägerin
hat die weder die früher noch die aktuell beanspruchte Dosierung jemals durch
präparatespezifische experimentelle Untersuchungen belegt. Die von der Klägerin
ebenfalls vorgelegten Artikel von Wiesenauer u.a. „Homöopathische Komplexmittel"
(DAZ 1993, 17 ff) und „Zur Akzeptanz von Arzneimitteln der besonderen
Therapierichtungen - am Beispiel fixer Kombinationen homöopathischer Einzelmittel"
(HZ 1994, 12 ff) verhalten sich ausschließlich zum Stellenwert und zur Akzeptanz
homöopathischer Einzel- und Komplexmittel zueinander. Fragen der Dosierung und
spezifischer Risiken homöopathischer Arzneimittel werden in beiden Artikeln nicht
angesprochen. Soweit die Klägerin zum Beleg ihrer Behauptung schließlich wesentlich
auf die Anwenderbefragung zur Dokumentation therapeutischer Erfahrung mit dem
streitgegenständlichen Arzneimittel aus April 2006 und die ANFOMED Studie aus Juni
2005 verweist, hilft ihr dies ebenfalls nicht. Zwar können auch Sammlungen von
Einzelfallberichten oder Anwendungsbeobachtungen „anderes wissenschaftliches
Erkenntnismaterial" i.S.d. § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG sein. Dieses kann jedoch im
vorliegenden Verfahren schon deshalb keine Berücksichtigung finden, weil die
Befragungen erst nach Ergehen der hier streitigen Auflage durchgeführt und vorgelegt
worden sind. Im Übrigen gilt aber, dass , selbst wenn unterstellt würde, dass beide
Studien eine langjährige (schon im Zeitpunkt der Beauflagung) bestehende
Anwendungspraxis repräsentierten, diese ohne weitere wissenschaftliche Aufbereitung
so nicht geeignet wären, die Sinnhaftigkeit der beauflagten Dosierung zu erschüttern.
Ungeachtet dessen, dass bereits die Zweckmäßigkeit der Frage nach der eigenen
Zufriedenheit des Therapeuten mit der verordneten Dosierung unter Berücksichtigung
des möglichen Zusammenhangs zwischen Verordnung und Behandlungsfehler höchst
zweifelhaft erscheint, ist nicht ersichtlich, dass die Angaben zur Wirksamkeit und
Verträglichkeit der verordneten Dosierung über ein reines Dafürhalten hinaus
nachvollziehbar begründet sind. So ist z.B. nicht danach gefragt worden, warum keine
niedrigere Dosierung gewählt wurde. Auch ergibt sich nicht, dass die Einschätzung
derjenigen wenigen Therapeuten, die ihre Verordnung an den neuen
Dosierungsempfehlungen ausgerichtet haben, repräsentativ ist. Im Übrigen greift aber,
und das ist maßgeblich, die beauflagte Dosierung gar nicht in die therapeutische
Verordnung ein. Den Therapeuten steht es nach wie vor frei, eine höhere als die für die
Selbstmedikation mit der aktuellen Dosierungs- empfehlung der Kommission D
vorgesehene Dosierung zu verordnen. Aus dem selben Grund kommt es auch nicht auf
die von der Klägerin im Verfahren vorgelegten Auswertung der RoteListe 1993 für
homöopathische Lösungen zur oralen Anwendung von Diefenbach an. Ungeachtet
dessen, dass dem Schluss Diefenbachs, dass in der Praxis die
Dosierungsempfehlungen der Gebrauchsinformationen auch von Therapeuten gefolgt
werde, nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist, vermutet er den Grund für die zuvor
festgestellte hohe Variabilität der laut Gebrauchsinformation möglichen
Dosierungsschemata nicht in der Zusammensetzung der Präparate, sondern in dem
Erfordernis dieses an die individuelle Sensibilität und Reaktionslage des Patienten
anzupassen. Der von ihm deshalb aufgestellten Forderung, im Interesse der Möglichkeit
einer individuellen Therapie, die er als sicheren Teil des Selbstverständnisses der
Homöopathie ansieht, einen weiten Dosierungsrahmen zu gewährleisten widerspricht
die beauflagte Dosierung nicht. Sie greift nur in die Selbstmedikation ein. Soweit die
Klägerin sich schließlich noch darauf beruft, die beantragte Dosierung lasse sich damit
begründen, dass die in den Aufbereitungsmonographien für die Einzelstoffe
angegebenen Dosierungen addiert werden könnten, vermag die Kammer dem nicht zu
folgen. Dass die Wirksamkeit des streitbefangenen Kombinationsmittels gerade auf der
additiven Wirkung der darin enthaltenen Einzelstoffe beruht hat die Klägerin - wie die
Beklagte zutreffend ausführt - weder vorgetragen noch wissenschaftlich nachvollziehbar
begründet.
Nach Allem werden die grundlegenden Aussagen der Beklagten zur Wirkweise
homöopathischer Arzneimittel von der Klägerin für homöopathische
Kombinationsarzneimittel und damit auch das hier streitgegenständliche Arzneimittel
nicht in Frage gestellt, vielmehr durch die von ihr vorgelegten gutachterlichen
Stellungnahmen und Literaturstellen teilweise sogar ebenfalls in Anspruch genommen.
68
Die Darlegung der Beklagten, dass mithin auch für Kombinationsarzneimittel die
spezifischen Risiken homöopathischer Arzneimittel zu berücksichtigen sind und ein
Zusammenhang zur Dosierung nicht unwahrscheinlich ist, hat die Klägerin nicht
allgemein widerlegt. Konkrete präparatespezifische Untersuchungen zum Nutzen-
Risiko-Verhältnis der beantragten Dosierung wurden von der Klägerin nicht vorgelegt.
Die beauflagte Dosierung war deshalb im Interesse der Arzneimittelsicherheit und zur
Gewährleistung der Unbedenklichkeit des Präparates in der Selbstmedikation ge-
boten.
Sonstige Umstände, aus der sich eine Rechtswidrigkeit der Auflage ergeben könnte,
sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann die Klägerin sich nicht auf das Urteil des
EuGH vom 26.11.2002, Rechtssache T-74/00 u.a. „Anorektika" berufen. Vorliegend
steht nicht die Rücknahme oder der Widerruf der Zulassung, sondern eine im Rahmen
der Nachzulassung erlassene Auflage im Streit. Ferner ist nicht ersichtlich, dass die
streitige Auflage unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einem Widerruf der Zulassung
gleichkommt. Die Auflage greift - wie schon mehrfach dargelegt - nur in die Dosierung
bei der Selbstmedikation ein. Eine höhere Verordnung durch einen Therapeuten ist
jederzeit möglich und das streitige Arzneimittel wird , wie sich aus der von der Klägerin
vorgelegten Anwenderbefragung von April 2006 ergibt, in ganz erheblichem Umfang
therapeutisch verordnet.
69
II. Hilfsantrag
70
Der Hilfsantrag ist unzulässig. Auf die Ausführungen zur Zulässigkeit des Hauptantrags
wird insoweit verwiesen.
71
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
72